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CDU hat ein Frauenproblem - und das ist existenziell

Analyse

Die CDU hat ein Frauenproblem - und das ist existenziell

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    Beim Deutschlandtag der JU: Tilman Kuban  mit Friedrich Merz. Links applaudiert Johannes Winkel, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der Jungen Union JU.
    Beim Deutschlandtag der JU: Tilman Kuban mit Friedrich Merz. Links applaudiert Johannes Winkel, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der Jungen Union JU. Foto: Bernd Thissen, dpa

    Wenn es in den vergangenen Jahren um die Beteiligung von Frauen in der Politik ging, um die mickrige Frauenquote im Parlament, um Frauen in politischen Führungspositionen, gab es ein Argument, das alle Bedenken zu überwiegen schien: Angela Merkel. Kann die politische Kultur eines Landes, das von einer Frau geführt wird, wirklich ein Frauenproblem haben? Sie kann, wie die Parteienlandschaft spätestens seit der Bundestagswahl eindrucksvoll unter Beweis stellt. Nicht nur, dass der Frauenanteil im Bundestag auch weiterhin vor sich hindümpelt. Vor allem die Union, also jene Partei, die die Kanzlerin stets als feministisches Beweisstück vorgezeigt hat, verliert sich in einem Machtkampf der Alpha-Tiere – und merkt dabei nicht, dass genau das Teil ihres eigentlichen Problems ist.

    Als am Wochenende die Junge Union zu ihrem Deutschlandtag rief, wirkte das Treffen fast wie die Zusammenkunft einer Burschenschaft. Keine Ministerin unter den Rednern, dafür mit Friedrich Merz ein Mann, der bereits zweimal den Kampf um den Parteivorsitz verloren hat und offenbar trotzdem noch genügend Selbstbewusstsein für einen dritten Anlauf besitzt. Seine möglichen Konkurrenten: Jens Spahn, Norbert Röttgen, Carsten Linnemann. Sie alle sprechen von Erneuerung, meinen damit aber vor allem, dass sie selbst es sein sollten, denen nun das Spitzenamt zusteht. Dass sie womöglich selbst Teil des Problems sein könnten, diese Erkenntnis ist bislang in der Union noch nicht durchgesickert. Dabei spricht einiges dafür, dass es auch der testosterongesteuerte Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder war, der die Wählerinnen und Wähler abgeschreckt hat.

    Das Frauenproblem ist für die Union existenziell

    Das Frauenproblem der Union ist viel mehr als ein bedauerlicher Schönheitsfehler, es ist existenziell. 27 Prozent der Wählerinnen gaben der SPD ihre Stimme, 24 Prozent der Union – im Jahr 2017 gaben noch 36 Prozent der Frauen ihre Stimme der Union, 21 Prozent der Frauenförderung viel früher zu ihrem Anliegen machen müssen. Wahr ist aber eben auch: Erst als eine handvoll Politiker die Union zu ihrer persönlichen Arena der Eitelkeiten gemacht hat, wurde aus der Volkspartei eine Partei, die sich vom Volk entfernt.

    Karin Prien, schleswig-holsteinische Bildungsministerin, ist für eine Frauenquote in der CDU.
    Karin Prien, schleswig-holsteinische Bildungsministerin, ist für eine Frauenquote in der CDU. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Zur Wahrheit gehört leider auch, dass die weiblichen Stimmen aus der Union, die nach einer Veränderung rufen, erst allmählich zu hören sind. Vor allem die Frauenunion, also die Vertretung der Frauen in der Partei, hätte wesentlich vehementer auftreten, sich Gehör verschaffen, und so die aktuelle Parteispitze zumindest zu einem Bekenntnis zwingen müssen. Allmählich scheint der Widerstand zu wachsen. Immer mehr prominente CDU-Politikerinnen erheben ihre Stimme. Eine davon ist Karin Prien, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und für kurze Zeit Mitglied in Laschets Zukunftsteam. „Die nüchterne Realität ist: Wir schaffen es nicht ohne Quote“, sagt sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel. „Auch ich kenne keine Frau, die sich jetzt für den Parteivorsitz bewerben will.“ Dass der Vorstoß zur Quote diesmal Erfolg hat, darf bezweifelt werden: Kaum etwas scheut die CDU mehr als diese Regel. Die

    Sonst hat die Union keine Angst vor "Proporz"

    Besonders absurd ist dieses Sträuben, wenn man sich vor Augen führt, dass kaum eine andere Partei so großen Wert darauf, Regional- und sonstigen Proporz zu zelebrieren – was nichts anderes als eine Quote ist. Ganze Parteigremien sind danach ausgerichtet, dass die Südbadener genauso vertreten sind wie die Nordfriesen. Nur wenn es um die Frauen in der Partei geht, heißt es, es müsse um Leistung, nicht um Geschlecht gehen. Die Konsequenz ist, dass die CDU nie gezwungen war, Frauen gezielt zu fördern und die Kultur in den eigenen Reihen zu überdenken. Denn wenn so wenige Frauen selbst politisch aktiv werden wollen, müssen die Ursachen erforscht werden. Mit einem lapidaren „die Frauen sind selber schuld“ ist es nicht getan – siehe Wahlergebnis. Dass die Quote wirkt, beweisen die Grünen und die SPD: Beide Parteien haben einen Frauenanteil von mehr als 50 Prozent im Bundestag. Zum Kontrast: Bei der FDP sind es 24, bei der Union 23.

    Für einen möglichen Bundeskanzler Olaf Scholz könnte vor allem der niedrige Frauenanteil bei einem Koalitionspartner FDP zum Problem werden. Denn Scholz hatte im Wahlkampf öffentlichkeitswirksam versprochen, sein Kabinett paritätisch, also je zur Hälfte mit Männern und Frauen zu besetzen. Die Liberalen aber wollen davon nichts wissen. „Bei der Besetzung von Kabinettsposten sollte immer die Qualifikation und die Fähigkeit, ein Ministerium zu führen, eine Hauptrolle spielen“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Starre Quotenregelungen sind in der Regel kontraproduktiv, weil sie Menschen auf äußere Merkmale reduzieren.“ Es sei deshalb auch möglich, dass mehr Frauen als Männer im Kabinett säßen. Der Satz ist blanker Hohn: Da es der FDP noch nicht einmal gelungen war, ihr Sondierungsteam paritätisch zu besetzen, darf wohl bezweifelt werden, dass sich das bei der Postenvergabe ändern wird. Ihrer Vorbildfunktion in einer sich wandelnden Gesellschaft kommt die Politik so jedenfalls nicht nach.

    Auch die SPD hat ein Problem

    Und noch eine Baustelle könnte ein Kanzler Scholz haben: Vieles deutet darauf hin, dass die SPD ihren Fraktionschef Rolf Mützenich zum Bundestagspräsidenten machen will. Dann wäre mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagspräsident Mützenich die Staatsspitze nur von Männern besetzt – Bundesratspräsident (Rainer Haseloff) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes (Stephan Harbarth) sind da noch gar nicht eingerechnet.

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