Als sich Alice Weidel und Tino Chrupalla als das frisch gebackene Spitzenduo ihrer AfD präsentieren, ist ein Mann als unsichtbarer Dritter dabei. Er heißt Björn Höcke und ist der Fixstern der Radikalen einer Partei, die mittlerweile in Gänze vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Weidel und Chrupalla sollen den Wählern zeigen, dass die Alternative für Deutschland im Grunde ungefährlich ist. „Deutschland. Aber normal“, lautet der Leitspruch für den Wahlkampf. Die Ökonomin mit Doktortitel aus dem Westen und der Malermeister mit kleiner Firma aus dem Osten sollen auch die brüchige Waffenruhe zwischen den zerstrittenen Strömungen bewahren, die sich argwöhnisch belauern. „Die Mitglieder haben gezeigt, dass sie einen gemeinsamen Kurs wollen“, sagte Chrupalla am Dienstag in Berlin.
Corona soll für die AfD die neue Flüchtlingskrise werden
Um bei der Bundestagswahl Ende September möglichst viele Stimmen zu gewinnen, will sich die AfD an der Corona-Politik abarbeiten, die aus ihrer Sicht die Freiheit schwer beschädigt hat. Für Weidel werfen die durch die Bekämpfung der Pandemie entstandenen Verwerfungen wie Firmenpleiten, Entlassungen und verpasster Unterricht der Kinder eine neue soziale Frage auf. „Wir sind aufgerufen, diese Ängste der Menschen zu beantworten“, sagte Weidel.
Bei ihren Reden im Bundestag geißelt die Co-Fraktionschefin scharf und wortgewaltig die Seuchenpolitik der Großen Koalition. Ihre Kandidatur galt parteiintern dennoch als Risiko, weil eine Parteispendenaffäre an ihr haftet.
Die 42-Jährige hatte in der Fernsehsendung von Markus Lanz Anfang Mai überraschend erklärt, sich gemeinsam mit Chrupalla an die Spitze der Wahlkampagne stellen zu wollen. Beide setzten sich nun mit 71 Prozent der Stimmen in einer Mitgliederbefragung gegen das Tandem aus der Bundestagsabgeordneten Joana Cotar und dem früheren Luftwaffengeneral Joachim Wundrak durch. Letztere waren das Aufgebot von Parteichef Jörg Meuthen, der als einer der beiden Vorsitzenden das gemäßigte Lager anführt.
Doch die AfD-Basis entschied sich für die wesentlich prominenteren Weidel und Chrupalla. Knapp die Hälfte der Mitglieder stimmte mit. Weidel als eine der beiden Fraktionschefs und Chrupalla als der zweite AfD-Bundesvorsitzende neben Meuthen haben in der Berichterstattung viel mehr Präsenz.
Jörg Meuthen und sein gemäßigtes Lager sind der Verlierer
Für Meuthen ist der Ausgang des Kandidatenrennens eine schwere Niederlage. Er und sein Co-Vorsitzender sind sich in inniger Abneigung verbunden. Meuthen ist mit seinem Versuch gescheitert, das radikale Lager in der AfD zu isolieren. Noch auf dem Parteitag Mitte April hatte er die Kür der Spitzenkandidaten verhindert, um eine Niederlage seines Lagers zu vereiteln.
Sechs Wochen später ist der Wirtschaftsprofessor gescheitert. In der AfD hat er keine Mehrheit aufbauen können, die sich gegen die am weitesten rechts Stehenden stellt. Weidel und Chrupalla gehören zwar selbst nicht dieser Strömung an, bekämpfen sie aber auch nicht.
Die Ränkespiele, Intrigen und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz haben bislang nicht dazu geführt, dass die AfD in den Umfragen abgestürzt ist. Seit über einem Jahr liegt sie in den Umfragen stabil zwischen zehn und zwölf Prozent. Die Partei könnte damit ihre Stärke halten, wenn sich das Bild bei der Wahl bestätigt. Vor vier Jahren erreichte sie 12,6 Prozent und wurde stärkste Oppositionspartei. „Wir wollen die SPD einholen“, gab Chrupalla als Wahlziel aus und sprach lächelnd von einem Schmankerl. „Das würde mich schon freuen.“
Bisher ist es der AfD nicht gelungen, viel Kapital aus der Corona-Krise zu schlagen
Bislang ist es der Partei hingegen nicht gelungen, aus der Corona-Krise nur annähernd so viel Kapital zu schlagen wie aus der Flüchtlingskrise. Die Gegner der Pandemie-Politik sind vielgestaltig und die Botschaften der AfD nur für einen kleinen Teil überzeugend.
Selbstvertrauen will sich die Partei in weniger als zwei Wochen holen. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt am 6. Juni dürfte die AfD mit der CDU ausmachen, wer stärkste Kraft in dem ostdeutschen Bundesland ist. Ein Ergebnis unter 20 Prozent wäre eine Enttäuschung. Die CDU müsse sich Gedanken machen, mit wem sie konservative Politik machen wolle, sagte Chrupalla. Für die CDU muss der Satz wie eine Drohung klingen.
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