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Maria Andreeva, whose husband was mobilised in October 2022 to join the Russian armed forces involved in a military campaign in Ukraine, poses for a picture in front of the headquarters of State Duma, the lower house of parliament, in central Moscow, Russia, November 30, 2023. REUTERS/Yulia MorozovaAGENTURBILD DPA picture-alliance.com picture alliance dpa-archiv dpa-langzeitarchiv

Sie will ihren Mann zurück – doch der kämpft als russischer Soldat an der Front

Foto: Yulia Morozova, Reuters

Maria Andrejewa kämpft mit anderen Frauen dafür, dass russische Soldaten von der Front nach Hause kommen dürfen. Ihr Protest ist gefährlich – und für Präsident Putin unberechenbar.

"Die Heimat verteidigen? Ich pfeife auf diese Heimat! Ich will meinen Mann zurück, mit Beinen und Armen, unversehrt!" Maria Andrejewa redet sich in Rage, sie dreht sich einmal zu einer Frau um, einmal zu einer anderen, ihr weißes Kopftuch ist ihr auf die Schultern gerutscht. Die beiden vor ihr versuchen, sie zu beruhigen, mit Sätzen, aus denen so viel patriarchale Missachtung heraus spricht, dass es Maria Andrejewa noch aufgebrachter macht. "Männer sind einzigartige Geschöpfe Gottes, als Krieger geschaffen. Wenn Sie ihn zurückholen, verliert er seine Männlichkeit. Beten Sie für ihn", sagt eine Rothaarige und legt ihre Hand auf Andrejewas Kopf. Diese entwindet sich und schreit fast: "Mein Mann hat der Heimat genug geholfen!"

Die Mittdreißigerin ist an diesem Tag in den Moskauer Präsidentenstab gekommen, hier können Russinnen und Russen ihre Unterschrift abgeben, damit Wladimir Putin als Präsidentschaftskandidat für die Abstimmung im März registriert wird. Seine Wiederwahl ist zwar bereits gesetzt, aber Unterschriften müssten eben für jeden Anwärter her, so sei das Gesetz, will der Staat seinem Volk vermitteln. Wie er einst auch vermittelt hatte, dass sogenannte Teilmobilisierte nach spätestens sechs Monaten Dienst an der Front in der Ukraine nach Hause kämen.

Maria Andrejewa empfand es als "Ehre", dass ihr Mann in den Krieg gegen die Ukraine zog

Das Volk nahm es hin. Man kaufte Thermounterwäsche für die Männer, Väter, Brüder, kaufte schusssichere Westen, schickte Wollsocken an die Front, Kerzen für die Schützengräben, Essen. Der Eindruck ist: Das Volk nimmt so ziemlich alles hin. "Wir sind Patrioten! Wir erfüllen unsere Pflicht vor dem Staat! Der Mann ist ein Beschützer! Ein Vaterlandsverteidiger! Das ist unser Schicksal", lauten die Sätze, mit denen sich Frauen wie Männer meist zu beruhigen wissen. Sie seien ja schließlich "apolitisch", fügen sie gern hinzu. Auch Maria Andrejewa empfand es als "Ehre", dass ihr Mann in den Krieg zog – auch wenn sie diesen mit Putins Worten der "militärischen Spezialoperation" bezeichnet –, um die "Heimat zu verteidigen". Vor wem der gelernte Masseur sie verteidigen sollte, weiß sie allerdings bis heute nicht.

Russische Soldaten proben im Mai 2022 für eine Militärparade zum Tag des Sieges über Hitlerdeutschland. Wenige Monate zuvor hatte Putin die Ukraine überfallen lassen. Später ließ er eine "Teilmobilisierung" ausrufen.
Foto: Bai Xueqi, picture alliance/dpa/XinHua

Es sei nun vorbei mit dieser "Ehre", sagt sie. Sie wolle keine Vergünstigungen für sich und ihre kleine Tochter, sie wolle ihren Frieden, mit dem zurückgekehrten Mann an ihrer Seite. In den Krieg könnten schließlich andere ziehen, Vertragssoldaten, Freiwillige, aber doch nicht ihr Liebster. Seit Oktober 2022, zwei Wochen zuvor hatte Putin seine "Teilmobilisierung" ausgerufen, war er nicht mehr zu Hause in Moskau. Seit September 2023 kämpft Maria Andrejewa mit anderen Frauen von Mobilisierten – für Gerechtigkeit, wie sie sagt. In einem Telegram-Kanal namens "Der Weg nach Hause" posten sie ihre Geschichten, gehen mit Plakaten, die die Rückkehr der Männer einfordern, auf die Straße, legen mittlerweile jeden Samstag Blumen an den Denkmälern ihrer Städte nieder und bitten die Politik um Hilfe.

Da ist Antonina, die ihren Ehemann, einen Panzerfahrer, wegen seiner Magengeschwüre nach Hause holen will. Da ist Paulina, die 20-Jährige mit Kleinkind, die ihren Mann, einen IT-Spezialisten, wieder bei sich wissen will, die sagt: "Jeder Tag könnte sein letzter sein." Da ist Jana, die ihren Mann nicht zurückhalten konnte, als der Einberufungsbescheid kam. "Was muss, das muss. Also ging er hin. Dumm natürlich", sagt sie heute. Da ist Mascha, die ihren Mann im Zinksarg zurückbekam und nun wütend fragt: "Warum gibt es keinen Aufschrei derer, die ihre Liebsten für immer verloren haben?"

Kaum eine von ihnen stellt den Krieg grundsätzlich infrage – ob aus Vorsicht vor den repressiven Gesetzen oder aus Überzeugung – wie auch kaum eine von ihnen das Regime hinterfragt. Sie wollen lediglich, dass es nicht sie und ihre Männer trifft. Manchmal aber klingt der Zweifel an: "Wir irrten uns, indem wir glaubten, Politik gehe uns nichts an. Dann aber kam die Politik zu uns", sagt eine, die nicht namentlich genannt werden will. Langsam realisieren sie, dass ihre Rechte nichts gelten in Russland.

Boris Nadeschdin, der gegen Putin bei den Präsidentschaftswahlen am 17. März kandidieren will, traf sich kürzlich in Moskau mit Frauen, die für eine Rückkehr ihrer Männer von der Front kämpfen.
Foto: Alexander Zemlianichenko, AP/dpa

In ihr "Manifest" haben sie Forderungen wie diese aufgenommen: "Wir sind für die volle Demobilisierung der Zivilbevölkerung. Für die politische Stabilität und ein würdiges Leben eines jeden in Russland, für die Menschenrechte und einen Rechtsstaat. Wir sind gegen die legalisierte Knechtschaft. Gegen das Schweigen der Führung. Gegen die Haltung zu Menschen als Verbrauchsmaterial." Sie sind nicht das einzige Sprachrohr für die Angehörigen von Mobilisierten, wie "Wir holen die Jungs zurück" oder "Wir sind zusammen" sammeln Aufrufe von Frauen. Der Kanal "Der Weg nach Hause" aber – die Administratorinnen halten sich bedeckt – ist mit knapp 40.000 Abonnentinnen und Abonnenten der bislang größte und öffentlich aktivste. 

In Russland gelten die Frauen als "Feindinnen", "Verräterinnen" und "Provokateurinnen"

Doch Abgeordnete, Minister, auch der Kreml, lassen die Frauen stehen. Lediglich der – noch nicht als Präsidentschaftskandidat registrierte – Systemoppositionelle Boris Nadeschdin hatte sich kürzlich in einem Moskauer Loft mit ihnen getroffen. Dabei ging es dem Mann allerdings mehr um seine Selbstinszenierung als "Patriot und Kriegsgegner" als um die Anliegen der wenigen Frauen, die gekommen waren. Doch immerhin: Der Staat ließ sie gewähren. Für die Propagandisten sind die Frauen "Feindinnen", "Verräterinnen", "Provokateurinnen", von westlichen Geheimdiensten geschaffen und bezahlt. Es ist die übliche Diffamierungskampagne für jeden, der das Regime, womit auch immer, kritisiert.

Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik veröffentlichte Foto zeigt Wladimir Putin während eines Treffens mit Familien gefallener Militärangehöriger Anfang Januar.
Foto: Gavriil Grigorov, picture alliance/dpa/POOL Sputnik Kremlin/AP

Putin geht auf keine ihrer Fragen ein, trinkt lieber Tee mit ausgesuchten Frauen von Gefallenen in seiner Residenz, erklärt ihnen, dass ihre Männer "Helden" seien, die "nicht sinnlos" ihr Leben verloren hätten. Er lässt zum orthodoxen Weihnachtsfest Kinder von Gefallenen in seinem Pferdestall die Tiere streicheln, lässt seine Funktionäre Plüschtiere verteilen und ein paar Tausend Rubel an die Familien. Bei seiner Pressekonferenz im Dezember sagte Putin, eine "zweite Welle der Mobilisierung" werde es nicht geben. Das Jahr 2024 erklärte der russische Präsident fast im gleichen Atemzug zum "Jahr der Familie". Andrej Kartapolow, der Abgeordnete im Verteidigungsausschuss der Duma, erläuterte gar, die Männer kämen erst heim, wenn die "militärische Spezialoperation" beendet sei

Für die aufständischen Frauen der Mobilisierten klingt das wie Hohn. "Wir sind denen egal, wir existieren nicht für sie, sie haben uns und unseren Männern das Leben gestohlen", sagt eine von ihnen. Maria Andrejewa schimpft: "Herr Präsident, schämen Sie sich nicht? Sie haben Ihre Würde verloren. Wollen Sie sich noch weiter blamieren?" Ihre Vorsicht lässt nach, ihre Radikalität nimmt mit jedem ihrer Auftritte zu. "Wir haben Fragen. Und wir wollen, dass diese Fragen gehört werden. Was haben unsere Männer sich zuschulden kommen lassen, dass sie so behandelt werden?", fragt Andrejewa beim Treffen mit Nadeschdin. Doch selbst solche Zusammenkünfte fallen nach russischer Rechtsprechung bereits unter den Paragrafen der "Diskreditierung der russischen Armee" und könnten mit einer Haftstrafe enden.

Die Behörden sind längst aufmerksam geworden auf die Aufmüpfigen. Ihre Blumenniederlegungen werden von Polizisten des sogenannten Zentrum E gefilmt, einer Einheit für Extremismusbekämpfung, die oft auf Oppositionelle angesetzt wird. Der Inlandsgeheimdienst FSB habe einige von ihnen zur Befragung abgeholt, ihre Männer würden von den Kommandierenden an der Front unter Druck gesetzt, berichten die Frauen.

Was einem in Putins Reich drohen kann, macht am Montagnachmittag der Fall einer Rentnerin deutlich, über den der deutsche Nachrichtensender N-tv unter Berufung auf Bürgerrechtsgruppen und die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Die 72-jährige Jewgenija Maiboroda aus der südlichen russischen Region Rostow sei nach jenem Gesetz verurteilt worden, das die absichtliche Verbreitung "falscher Informationen" über die Armee verbietet. Sie müsse nun in ein Straflager. Die Rentnerin hatte demnach zwei Beiträge auf einer Social-Media-Plattform geteilt, einer über die Zahl der getöteten Soldaten. Sie tat dies den Informationen zufolge, nachdem ihr Bruder in der ukrainischen Stadt Dnipro verschüttet worden war. Unter den Trümmern eines "durch Granaten eingestürzten" Gebäudes, wie es hieß. 

Was die Frauen der Teilmobilisierten betrifft: Ihr Unmut bringt den Staat in Verlegenheit. Sie sind Putins Stammwählerschaft, die meisten von ihnen stehen nach wie vor hinter seiner Entscheidung zum Krieg gegen die Ukraine. Sie sind das, was der russische Präsident gern als "das tiefe russische Volk" bezeichnet. Menschen, die sich jahrelang nahezu fraglos der Losung des Kremls unterwarfen: "Wir sorgen für Euer Wohl und Ihr haltet Euch aus der Politik heraus."

Nun hat der Staat diesen Frauen nichts anzubieten. Das macht ihren Protest für ihn unberechenbar und so kurz vor der – vermeintlichen – Wahl des Präsidenten zu einem Risiko. Im Unterschied zu dieser Wahl aber ist der Ausgang völlig ungewiss: der des Krieges und der der Frage, was aus den Soldaten wird.

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Von  Inna Hartwich