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Italien: Der italienische Staat zahlt kein Bürgergeld mehr

Italien

Der italienische Staat zahlt kein Bürgergeld mehr

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    Im Süden Italiens, in Neapel, ist die Zahl der Empfänger von Bürgergeld besonders hoch.  Die Armut in der Region ist weiter verbreitet als im Norden.
    Im Süden Italiens, in Neapel, ist die Zahl der Empfänger von Bürgergeld besonders hoch. Die Armut in der Region ist weiter verbreitet als im Norden. Foto: Ciro Fusco, dpa

    Die Regierung von Giuseppe Conte war gerade vier Monate im Amt, da machte Arbeitsminister und Vizepremier Luigi Di Maio mit einer sagenhaften Bemerkung von sich reden: „Wir haben die Armut abgeschafft“, behauptete der damals 32 Jahre alte aufsteigende Stern der italienischen Politik im September 2018. Die Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega hatte soeben ihr Dekret zum sogenannten Bürgergeld verabschiedet. Italien bekam erstmals eine echte Sozialhilfe. Die

    Die Tage der umstrittenen Maßnahme sind gezählt. Am Freitag bekamen 169.000 italienische Familien Bescheid, dass sie ab August kein Bürgergeld mehr erhalten – per SMS. Die Sozialversicherungsbehörde INPS verschickte die Ankündigungen automatisch an die Mobiltelefone der Betroffenen. Bereits im Mai hatte die Rechtsregierung von Giorgia Meloni die als Bürgergeld bezeichnete Arbeitslosenhilfe per Dekret gestrichen. Danach bekommen ab sofort nur noch Familien mit Minderjährigen, Behinderten oder Senioren staatliche Hilfe.

    In Neapel leben die meisten Empfänger von Bürgergeld

    Vor allem in Süditalien kam es zu Protesten. Am Montag versammelten sich vor der INPS-Filiale in Neapel zahlreiche Menschen, nach Medienberichten kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. In

    Kritisiert wird unter anderem die schlechte und von Kritikern als zynisch empfundene Kommunikation der Rechtsregierung. Elly Schlein, Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito Democratico, sprach von einem „Krieg gegen die Armen“ und einer „sozialen Zeitbombe“. In der betreffenden SMS hieß es, die Betroffenen könnten sich an die kommunalen Sozialdienste wenden. Diese werden nun italienweit mit Anfragen überhäuft. 

    Bürgergeld schaffte keine Anreize für Erwerbsarbeit

    Die Regierung von Ministerpräsidentin Meloni hatte das Dekret bereits am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, verabschiedet. Danach wird das Bürgergeld endgültig zum 1. Januar 2024 abgeschafft. Familien mit Minderjährigen, Behinderten oder Über-60-Jährigen erhalten aber weiterhin Unterstützung, wenn auch in reduzierter Form. Zusätzlich kann ein „Fortbildungszuschuss“ in Höhe von 350 Euro gewährt werden. Dieser ist auf zwölf Monate begrenzt. Die Regierung hofft auf diese Weise, Mittel für angekündigte Steuerreduzierungen freizumachen. Das Bürgergeld hatte ein Volumen von insgesamt acht Milliarden Euro.

    Vom Bürgergeld profitierten in Italien zuletzt knapp 2,5 Millionen Personen. Durchschnittlich erhielten Berechtigte zuletzt rund 580 Euro. Ein Fünf-Personen-Haushalt kam auf 738 Euro. Das Bürgergeld erfreute sich vor allem in den wirtschaftlich schwächeren süditalienischen Regionen großer Beliebtheit. Die meisten Berechtigten lebten in Kampanien, aber auch in Kalabrien, Apulien und Sizilien. Seit der Einführung des Bürgergelds gab es aber auch harte Kritik an der Maßnahme. Obwohl der Bezug wie bei der Arbeitslosenhilfe an die Annahme von Jobangeboten und an Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gekoppelt ist, kritisieren die Rechtsparteien der aktuellen Regierung, das Bürgergeld habe keinen echten Anreiz zur Arbeit geschaffen. Tatsächlich konnte die strukturelle Arbeitslosigkeit in Italien durch die Maßnahme nicht verringert werden.

    Steigt nun wieder der Zulauf zur Mafia?

    Kritik gab es auch am Missbrauch des Bürgergelds. Immer wieder wurden Fälle bekannt, in denen Antragsteller Bürgergeld bezogen, ohne darauf einen rechtlichen Anspruch zu haben. In den Jahren 2021 und 2022 deckte die Guardia di Finanza Regelverstöße in einer Größenordnung von 288 Millionen Euro auf. Bekannt wurden auch Fälle, in denen Mafiosi oder in Schwarzarbeit Beschäftigte die Sozialhilfe bezogen. Andererseits entzog die staatliche Unterstützung der Mafia teilweise das Personal.

    In Süditalien wächst nun die Sorge, die Mafia könnte Zulauf von denjenigen bekommen, denen das Bürgergeld gestrichen wurde. Der in der Antimafia-Bewegung Libera engagierte Priester Don Angelo Cassano sagte der Zeitung La Repubblica: „Wo der Staat sich zurückzieht, spielt sich die Mafia als Wohlfahrtsorganisation auf. Diejenigen, die ihr Bürgergeld verlieren, verlieren auch die Hoffnung und sind zu allem bereit, was das Organisierte Verbrechen will.“

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