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Schweden: In Schweden sind viele einsam - doch das Problem ist global

Schweden

In Schweden sind viele einsam - doch das Problem ist global

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    Auch in Schweden fühlen sich gerade zur Weihnachtszeit viele Menschen einsam. Die Regierung will das Thema nun angehen. Doch auch die WHO hat das Phänomen in den Blick genommen.
    Auch in Schweden fühlen sich gerade zur Weihnachtszeit viele Menschen einsam. Die Regierung will das Thema nun angehen. Doch auch die WHO hat das Phänomen in den Blick genommen. Foto: Henrik Montgomery, Scanpix/EPA/dpa

    Pfefferkuchen, Punch und kleine Pakete verteilen die Helfer des „Reichsverbunds für Mentale und Soziale Gesundheit“ auf den verschneiten Straßen Schwedens. Der Verband ist einer von vielen Hilfsorganisationen im Land, die sich um ein ernstes Problem kümmern: Weihnachtszeit ist für viele Menschen in Schweden eine Zeit, in der sie besonders stark unter ihrer Einsamkeit leiden. 

    Hilfe im Internet: Jeder Vierte Mensch in Schweden fühlt sich zu Weihnachten einsam

    So hat eine aktuelle Untersuchung ergeben, dass sich vor einem Jahr im Schnitt jeder vierte Bürger, jede vierte Bürgerin in Schweden in der Weihnachts- und Neujahrszeit einsam fühlte. Selbst die Dating-Plattform Tinder verweist daher jetzt im Dezember erstmals auf einen Link zur Webseite der Organisation „dienstbereiter Mitmensch“, die Hilfe anbietet.

    „Das einsamste Land der Welt“ ist eine verbreitete schwedische Selbstbezeichnung. In einer Umfrage vom vergangenen Jahr erklärten sechs von zehn Schweden, dass sie sich öfters einsam fühlen – also nicht nur rund um die Weihnachtszeit. Von den über zehn Millionen Einwohnern des Königreichs leben rund zwei Millionen in einem Einzelhaushalt.

    Doch das Problem Einsamkeit belastet nicht nur die Menschen in Schweden. Es ist längst ein globales Phänomen. Eines, das ernste gesundheitliche Gefahren birgt. So weisen immer mehr Studien darauf hin, dass unfreiwillige Einsamkeit das Risiko für Depressionen, Herzerkrankungen, Krebs, Diabetes und weitere Krankheiten erhöht. Großbritannien und Japan haben bereits jeweils ein Einsamkeitsministerium geschaffen. Und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat aufgrund der gesundheitlichen Risiken im November eine internationale Kommission ins Leben gerufen, die sich mit den psychischen und körperlichen Folgen von Einsamkeit befassen will. In zwei Jahren soll ein Handlungsplan ausgearbeitet werden. In dem elfköpfigen Ausschuss wird Europa bezeichnenderweise von Jakob Forssmed vertreten, dem Sozialminister Schwedens. 

    In Schweden will man nun einen Handlungsplan erarbeiten

    Schwedens Regierung hat zwar kein Einsamkeitsministerium, ist jedoch nicht untätig. Seit April arbeitet das Gesundheitsamt daran, die Einsamkeit in Schweden zu „kartografieren“. Anfang 2025 soll dann ebenfalls ein Handlungsplan vorgestellt werden. Wer nach den Ursachen für die zunehmende Problematik sucht, kann dies in Schweden nicht in erster Linie als Folge der Corona-Pandemie erklären. Denn dort hat man weitgehend auf Lockdownmaßnahmen verzichtet, das öffentliche Leben war kaum eingeschränkt. 

    Auch teilen nicht alle die Einschätzung, dass Schweden das einsamste Land der Welt sei. Lena Dahlberg, Professsorin für Sozialarbeit an der Universität Dalarna, ist eine Expertin für das Thema. Sie sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Einsamkeit ist in Südeuropa und Mitteleuropa mehr verbreitet als in Schweden.“

    Als einen der Gründe, warum die Menschen in Schweden nicht stärker von Einsamkeit betroffen sind als anderswo auf der Welt, gibt Dahlberg einen hohen Standard der Bevölkerung in punkto Gesundheit und Vermögen an. „Zudem haben wir eine starke Norm, was Individualisierung und Unabhängigkeit angeht.“ Diese Individualisierung und der Wunsch nach persönlicher Unabhängigkeit, was Schweden heute präge, sei durch Reformen der Sozialdemokraten in den Sechziger- und Siebzigerjahren unter dem Regierungschef Olof Palme entstanden. Von besonderer Bedeutung sei das Manifest „Die Zukunft der Familie“ von 1972, in dem „die Befreiung“ der Frauen von den Männern, aber auch die der Kinder von den Eltern, der Großeltern von den Enkeln und umgekehrt postuliert worden sei. Zählen würden zwischen den Menschen heute keine Rollenverpflichtungen mehr, sondern nur noch „wahrhaftige Beziehungen“. 

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