Es lag an einem Mann, dass das sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland am Donnerstag beinahe gescheitert wäre: an dem Patriarchen Kyrill I., dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Dieser genießt offenkundig nicht nur das Vertrauen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, sondern auch von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban.
Kyrill sollte auf die Sanktionsliste der EU geschrieben werden, doch Ungarn sorgte für eine Blockade. Diese wurde mit "der Frage der Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften" begründet. Orban betonte, dass diese in seinem Land "heilig und unveräußerlich" sei. Die Lösung: Das Sanktionspaket der EU wurde unter der Bedingung durchgewunken, dass keine Sanktionen gegen Kyrill verhängt werden. Einmal mehr zeigt der Patriarch, dass er viele Anhänger und eine große Macht hat.
Was ist ein russischer Patriarch?
In Russland gibt es ein orthodoxes Patriarchat, welches seinen Sitz in Moskau hat. Dieses trägt den Namen "Patriarchat von Moskau und der ganzen Rus". Dieses besitzt die oberste Jurisdiktionsvollmacht über die russisch-orthodoxe Kirche. Das Patriarchat hat ein Oberhaupt, welches als Patriarch bezeichnet wird. Seit dem Jahr 2009 hat diese Stellung Kyrill I. inne. Doch wer ist der mächtige Geistliche?
Patriarch Kyrill und Putin haben viel gemeinsam
Der bürgerliche Name des Patriarchen lautet Wladimir Michailowitsch Gundjajew. Er wurde am 20. November 1946 in Leningrad geboren, wo die erste Gemeinsamkeit mit dem russischen Präsidenten beginnt. Auch Putin wurde in der Stadt geboren, die heute Sankt Petersburg heißt. Eine weitere, noch deutlich erstaunlichere, Gemeinsamkeit: Sowohl Putin als auch Kyrill haben zu Sowjetzeiten für den Geheimdienst KGB gearbeitet.
Hier fängt aber schon einer der großen Unterschiede der Männer an. Putin hat aus seiner Zeit beim Geheimdienst nie ein Geheimnis gemacht, im Gegenteil. Auch seine heutige Macht hat er zu großen Teilen durch den KGB aufgebaut. Kyrill hingegen hat nie bestätigt, dass er beim Geheimdienst war. Das wurde allerdings mittlerweile durch belastbare Dokumente bewiesen. In diesen ist oftmals die Rede von einem Mitarbeiter namens "Michailow". Diese Stellung dürfte erklären, wie der 75-Jährige schon zu Zeiten der Sowjetunion in der Orthodoxie schnell aufsteigen konnte. Dieser Aufstieg ist durchaus beachtlich, da die Familie von Kyrill unter Repressalien der Sowjets litt. Sein Vater, der Prieser war, wurde zu Zeiten von Stalin in ein Gulag verschleppt, in dem er drei Jahre verbrachte.
Kyrill: Zwischen Orthodoxie und dem Kreml
Kyrill war zunächst als Erzbischof von Smolensk in Erscheinung getreten, später wurde er Erzbischof der russischen Exklave Kaliningrad. Nachdem er zum Patriarchen wurde, führte er die orthodoxe Kirche immer mehr an den russischen Staat heran – so nah wie es seit dem Zarenreich nicht mehr der Fall war. Eine "Symphonie" zwischen Kirche und Staat nennt Kyrill die gegenseitige Beziehung selbst.
Zu dieser Symphonie gehören beste Beziehungen zwischen dem Patriarchen und dem Präsidenten. Ein "Wunder Gottes" nannte Kyrill die Präsidentschaft Putins bereits und kritisierte die Opposition immer wieder. Er rief auch klar zur Wahl von Putin auf. Unterdessen erhält die orthodoxe Kirche Zuwendungen vom Kreml.
Kyrill scheint auch ähnliche Ansichten wie Putin zu vertreten. Sein Weltbild ist dem des Philosophen Alexander Dugin sehr nahe, was auch auf Putin zutreffen dürfte. Der Patriarch ist zudem antiliberal, antiwestlich und erzkonservativ eingestellt. Den Westen kritisiert Kyrill immer wieder scharf, beispielsweise wegen der Rechte für Homosexuelle, wodurch die Sünde gefördert würde.
Den Krieg in der Ukraine rechtfertigte Kyrill ebenfalls durch den Namen Gottes und unterstützt diesen auch. Er behauptete zudem, dass Russland "noch nie ein Land angegriffen" habe.
Kontroversen um das Vermögen von Patriarch Kyrill I.
Wegen der Rechtfertigung und Unterstützung des Angriffskrieges von Russland sollte Kyrill nun auf die Sanktionsliste der EU geschrieben werden. Dass dies nun nicht der Fall ist, kann durchaus als brisant bezeichnet werden. Kyrill soll nämlich ein riesiges Vermögen besitzen.
Diesem hat er auch den Spitznamen "Tabak-Patriarch" zu verdanken. Hintergrund ist, dass Kyrill der Kirche nach dem Zerfall der Sowjetunion erlaubte, wieder mit Öl und Tabak zu handeln. Zudem wird dem Geistlichen Korruption in vielen Fällen vorgeworfen. Für Aufsehen sorgte auch ein öffentlicher Auftritt, bei dem er eine teure, goldene Uhr am Handgelenk trug. Die Uhr wurde auf den Bildern von der Kirche später wegretuschiert, ein Spiegelbild der Uhr auf dem Tisch verriet diesen Trick jedoch. Kyrill hat mittlerweile zugegeben, dass die Bilder bearbeitet wurden.
Neben mehrerer teuren Uhren soll Kyrill zudem eine Mercedes-Luxuslimousine und eine Penthousewohnung besitzen. Das ist aber längst nicht alles, denn mehrere Investigativjournalisten gehen davon aus, dass Kyrills Privatvermögen vier Milliarden Dollar beträgt. Ein hoher Kontostand, vor allem für einen Geistlichen.