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Kehrtwende: Corona-App: Regierung will jetzt doch dezentrale Datenverarbeitung

Kehrtwende

Corona-App: Regierung will jetzt doch dezentrale Datenverarbeitung

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    Verfolgt jetzt auch einen dezentralen Ansatz bei der Entwicklung einer Corona-App: Gesundheitsminister Jens Spahn.
    Verfolgt jetzt auch einen dezentralen Ansatz bei der Entwicklung einer Corona-App: Gesundheitsminister Jens Spahn. Foto: Gateau, dpa

    Nun also doch: Die Bundesregierung favorisiert bei der Entwicklung einer Corona-Warn-App eine dezentrale Softwarearchitektur. Gesundheitsminister Jens Spahn verkündete die Kehrtwende am Sonntagmorgen via Kurznachrichtendienst Twitter. Zuvor hatte die Welt am Sonntag darüber berichtet. „Wir verfolgen als Bundesregierung bei der Entwicklung einer Tracing-App einen Ansatz, der auf Freiwilligkeit beruht, datenschutzkonform ist und ein hohes Maß an IT-Sicherheit gewährt“, schreibt Spahn.

    Das hatten zahlreiche Experten in den vergangenen Tagen erheblich angezweifelt. Die Bundesregierung nährte die Zweifel, als sie dem Fraunhofer-Institut den Auftrag erteilte, eine Machbarkeitsstudie für die so genannte Pepp-PT-Technologie zu erstellen. Die Pepp-PT-Initiative verfolgt einen zentralen Ansatz bei der Speicherung von Daten. „Die Nutzung der App durch möglichst große Teile der Bevölkerung ist die Grundlage ihres Erfolgs“, schreibt Spahn nun. „Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir auf eine dezentrale Softwarearchitektur.“

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    Zum Hintergrund: Mit einer App soll es künftig deutlich leichter sein, Infektionsketten nachzuvollziehen. Henning Tillmann, selbstständiger Diplom-Informatiker und Co-Vorsitzender von D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt, erklärt die dezentrale Methode: Demnach wird auf den Handys jener Bürger, die die App installiert haben, immer ein Tagesschlüssel (TS) generiert. Ungefähr alle 15 Minuten leitet ein Algorithmus daraus einen Kurzschlüssel (KS) ab. Wichtig: Der Kurzschlüssel ist also Teil des Tagesschlüssels. Aus dem Tagesschlüssel ist demnach der Kurzschlüssel generierbar, nicht umgekehrt.

    Es werden nicht alle Daten ausgetauscht

    Kommen sich zwei Menschen näher, tauschen ihre Smartphones via Bluetooth die jeweiligen Kurzschlüssel aus - inklusive ungefährem Zeitpunkt des Treffens. Die vollständigen Tagesschlüssel werden dabei nicht synchronisiert.

    Erkrankt eine der Personen, kann sie dies in der App vermerken. Dazu muss die Person aber einen Nachweis erbringen - etwa über einen QR-Code vom Gesundheitsamt. Im Anschluss werden die Tagesschlüssel der erkrankten Person aus den vergangenen Tagen auf den Server der lokalen Corona-App geladen. Der App-Anbieter verteilt die Schlüssellisten der positiv Getesteten mehrmals am Tag an alle App-Nutzer. Wichtig dabei zu wissen: Wer sich konkret hinter einem Tagesschlüssel verbirgt, bleibt unbekannt, auch dem App-Anbieter.

    Wer mir einem Infizierten in Kontakt stand, soll bevorzugt getestet werden

    Das Smartphone gleicht nun lokal im Hintergrund ab, ob sich aus der Liste mit den Tagesschlüsseln Kurzschlüssel von Personen generieren lasen, mit denen man in den vergangenen Tagen in Kontakt stand. Wenn das der Fall ist, erscheint eine Warnmeldung. Diese Personen sollen dann bevorzugt getestet werden.

    Beim von der Pepp-PT-Initiative und wohl auch der Bundesregierung zunächst favorisierten zentralen Ansatz wären die anonymisierten Kontakt-Daten nicht nur auf den Smartphones der App-Nutzer, sondern auch auf einem zentralen Server gespeichert worden.

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    Der dezentrale Ansatz war auch die Forderung, die Chaos Computer Club, LOAD e.v. Verein für liberale Netzpolitik, Stiftung Datenschutz und andere Netzexperten am Freitag in einem offenen Brief an Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun adressiert hatten. Zuvor hatten sich auch Linken-Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg und Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende von LOAD, im Gespräch mit unserer Redaktion für diese Lösung stark gemacht. Riedel äußert sich am Sonntag erleichtert über die Entscheidung: „Es ist sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung der Stimme der Zivilgesellschaft gefolgt ist und nun auf die dezentrale Lösung setzt. Dieser Weg ist der sicherste für eine weltweite Lösung.“

    Chaos Computer Club, LOAD e.v. und andere Netzexperten plädieren bei Corona-App für dezentralen Ansatz

    In der Tat könnte die Kombination aus Expertenprotest und damit einhergehender Diskussion in der Öffentlichkeit zum Umdenken im Gesundheitsministerium geführt haben. Schließlich erwähnt auch Jens Spahn auf Twitter die Wichtigkeit der Akzeptanz in der Bevölkerung.

    „Diese App wird nur zu guten Ergebnissen führen, wenn möglichst viele Bürger sie nutzen“, hatte auch Anke Domscheit-Berg dieser Redaktion gesagt. Die Menschen würden die Anwendung nur nutzen, „wenn Vertrauen da ist. Sie dürfen keine Angst um ihre Daten haben.“

    Um das zu erreichen, sieht Ann Cathrin Riedel eine weitere Aufgabe für die Regierung: das zeitnahe Veröffentlichen des Programmiercodes. „Das sollte Standard sein bei solchen Apps“, stimmt Anke Domscheit-Berg zu.

    Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg moniert Intransparenz bei der Entwicklung einer Corona-App.
    Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg moniert Intransparenz bei der Entwicklung einer Corona-App. Foto: Jesco Denzel

    Eine weitere Erklärung der jetzigen Kehrtwende liegt aber wohl auch in der Entwicklungsallianz aus Google und Apple. Die beiden Tech-Giganten arbeiten aktuell an einer gemeinsamen Schnittstelle, um Corona-Warn-Apps für nahezu alle Smartphones auf der Welt kompatibel zu machen. Google und Apple favorisieren einen dezentralen Ansatz.

    Spahn erwähnte am Sonntagmorgen auf Twitter, auf diese Schnittstelle zu setzen. Gleichzeitig solle „die epidemiologische Qualitätssicherung bestmöglich integriert“ werden. Dass eine hohe Qualität der Ergebnisse und maximaler Datenschutz zusammen möglich sind, davon ist auch Anke Domscheit-Berg überzeugt: „Wir können beides haben“, sagte sie im Gespräch mit dieser Redaktion.

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