Alkohol und seine Folgen fordern in Deutschland fast viermal so viele Opfer wie der Straßenverkehr. 14 551 Menschen starben heirzulande im Jahr 2012 an den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums. Das hat das Statistische Bundesamt anlässlich des Internationalen Weltdrogentages am Donnerstag ausgerechnet. Bei Verkehrsunfällen kamen im selben Jahr 3827 Menschen zu Tode, wie die Statistiker am Dienstag mitteilten.
Es ist gar nicht so leicht, die Zahl der Alkoholtoten aus der Todesursachenstatistik herauszufinden. Die Wiesbadener mussten sich für ihre "Zahl der Woche" Rat bei einem Expertengremium holen. Das listet mehr als zwei Dutzend alkoholbedingte Todesursachen auf - von Alkoholgastritis bis Zirrhose.
Leberschädigungen sind die häufigsten Alkohol-Todesursachen
Die häufigtste Todesursache bei Alkoholikern sind mit 7812 Fällen Leberschädigungen. Am zweithäufigsten ist die Bauchspeicheldrüse betroffen. Aber auch Herzmuskel, Lunge oder Nervensystem können so stark geschädigt werden, bis sie versagen. Bei knapp 4000 Toten wird schlicht und einfach "Abhängigkeitssyndrom" als Ursache genannt - eine Diagnoseziffer, in der unspezifisch alle möglichen Alkohol-Folgeschäden verschlüsselt werden - bis hin zum Suizid.
Die Zahl der Alkohol-Toten könnte in Wahrheit aber noch viel höher liegen. Das glaubt zumindest die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Denn das Statistische Bundesamt zählt nur jene Todesfälle, bei denen der Arzt einen Zusammenhang mit Alkohol erkennt und auf dem Totenschein notiert hat. Eine Studie der Universität Greifswald kam 2002 auf fast 80 000 Alkoholtote pro Jahr.
Egal ob knapp 15 000 oder 80 000: "Trinker und Raucher - das sind die Drogentoten in Deutschland. Danach kommt lange nichts", sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS im westfälischen Hamm. "Deutschland ist ein führendes Land beim Alkohol-Konsum und daher auch eine Alkohol-Problem-Nation."
Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitteilt, wird in Deutschland viel mehr getrunken als in anderen Ländern. Jeder Deutsche im Alter von über 15 Jahren konsumiert im Schnitt 11,8 Liter reinen Alkohol im Jahr, das entspricht rund 500 Flaschen Bier. Weltweit liegt der Alkoholkonsum mit 6,2 Litern an reinem Alkohol noch nicht einmal halb so hoch. Auch in Europa wird weniger getrunken: 10,9 Liter reiner Alkohol pro Jahr.
Zum Tottrinken reicht das Taschengeld
Für Sucht-Experten Gaßmann ist der niedrige Preis die Hauptursache. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen man sich für den Gegenwert eines Taschengeldes tottrinken könne. Auch drei weitere Punkte machen es seiner Ansicht nach den Süchtigen leicht: Alkohol sei an Kiosken und Tankstellen rund um die Uhr verfügbar. Hersteller dürften für Alkohol werben. Und der Jugendschutz stehe oft nur auf dem Papier.
An allen vier Stellschrauben könnte man drehen, wollte man erreichen, dass weniger Menschen an Alkohol sterben, glaubt Gaßmann: Steuern erhöhen, Werbung verbieten, kein Verkauf nachts und kein Alkohol für Jugendliche. "Ich bin sicher, wenn wir den gleichen Weg gingen wie beim Tabak, hätten wir bald weniger Alkoholtote."
Besonders Männer könnten dadurch gerettet werden: Sie trinken laut WHO mehr als doppelt so viel wie Frauen - von den gut 14 500 Alkohol-Toten des Jahres 2012 waren laut Statistischem Bundesamt knapp 11 000 männlich.
Bier ist der am häufigsten konsumierte Alkohol
Sorgen bereitet der Hauptstelle für Suchtfragen ein neues "Konsummuster", vor allem bei Jugendlichen: unter der Woche kaum Alkohol, aber am Wochenende "Komasaufen" als Freizeitspaß. Laut WHO macht Bier in Deutschland mehr als die Hälfte des Konsums aus, gefolgt von Wein (28 Prozent) und harten Getränken (18 Prozent).
Alkoholprobleme haben laut Epidemiologischem Suchtsurvey 7,4 Millionen Erwachsene in Deutschland: 4,02 Millionen weisen einen riskanten Alkoholkonsum auf, weitere 1,61 Millionen einen Alkoholmissbrauch, 1,77 Millionen Erwachsene sind alkoholabhängig.
Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Konsum und Todesfälle sind leicht rückläufig. Laut WHO lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol in Deutschland vor zehn Jahren noch rund einen Liter höher.
Und auch die Zeitreihe beim Statistischen Bundesamt zeigt, dass heute etwas weniger Menschen an alkoholbedingten Krankheiten sterben als vor zehn Jahren, wo es noch zwischen 16 000 und 17 000 Alkoholtote pro Jahr gab. Die WHO geht davon aus, dass der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland zukünftig sinkt. dpa/AZ