Zwischenzeitlich sah es richtig gut aus für China. Der anfänglichen Kritik, die chinesische Führung habe Warnungen von Ärzten vor der Gefahr des neuartigen Coronavirus vertuschen wollen, wich Lob und Dank. Nachdem die chinesische Führung das Problem offiziell anerkannt hatte, verhängte sie ein landesweites Ausgehverbot und riegelte eine ganze Provinz mit über 50 Millionen Menschen ab.
„Die womöglich ambitionierteste, schnellste und aggressivste Anstrengung zur Krankheitseindämmung in der Geschichte“, hieß es in einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO. Mit diesen rigiden Maßnahmen habe China dem Rest der Welt wichtige Zeit verschafft, sich auf die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus vorzubereiten.
Aus dem Labor? Seit Wochen wird über den Ursprung des Coronavirus spekuliert
WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus meinte sogar, die Welt stünde in „Chinas Schuld“. Selbst US-Präsident Donald Trump lobte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping für seine „harte Arbeit“ und „Transparenz“ und dankte ihm im Namen des amerikanischen Volkes. Ende Januar war das. Inzwischen haben sich in den USA mehr als eine Million angesteckt, mehr als zehn Mal so viele Menschen wie in China sind an dem Virus gestorben - zumindest wenn man den offiziellen chinesischen Zahlen glauben mag.
Trump wird für sein miserables Krisenmanagement scharf kritisiert, muss sich vorwerfen lassen, dass er wertvolle Wochen verstreichen ließ. Davon versucht er nun abzulenken und fordert die Chinesen müssten zur Verantwortung gezogen werden, da sie „wissentlich“ zum Ausbruch beigetragen hätten, Seit Wochen spekuliert nicht nur der Präsident, sondern auch seriöse Medien wie die Washington Post und die New York Times darüber, ob das Virus bei einem Unfall in einem Forschungslabor in Wuhan entwichen ist.
US-Außenminister Mike Pompeo heizte die Diskussion am Sonntag noch einmal an. Er sagte dem TV-Sender ABC, dass es "überwältigende Beweise" gebe, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stamme. Chinesische Staatsmedien wiesen diesen Vorwurf zurück. Das seien "grundlose Beschuldigungen", die nur von der eigenen Unfähigkeit der USA im Kampf gegen die Pandemie ablenken sollten.
Tatsächlich ist Wuhan das Zentrum der chinesischen Corona-Forschung: Zwar gilt der Huanan-Markt, auf dem Fisch und Wildtiere gehandelt werden, bislang als Ausgangszentrum der Seuche. Doch eines der beiden Hochsicherheitslabore der Virusforscher, das Wuhaner Zentrum für Seuchenkontrolle und -prävention WHCDC liegt nur 300 Meter entfernt. Zudem hatten laut frühen chinesischen Angaben 14 der 41 ersten Corona-Patienten offenbar keine Verbindungen zum Markt und Marktbesuchern.
Corona: Ein chinesischer Biologie-Professor vermutet ein Labor-Unfall als Ursache
Schon im Februar hatte der renommierte chinesische Biologie-Professor Botao Xiao mit einem Co-Autor in einem Aufsatz „Die möglichen Ursprünge des 2019er Coronavirus“ öffentlich auf einem Forschungsportal einen Labor-Unfall als Ursache vermutet. „Das Killer-Coronavirus stammt wahrscheinlich aus einem Labor in Wuhan“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. Denn in beiden Laboren sei mit Fledermäusen gearbeitet worden, die als ursprüngliche Virenträger gelten.
Der Aufsatz verschwand später von dem Portal, gleichzeitig soll Peking die Vorschriften für Hochsicherheitslabore verschärft haben. Die Washington Postberichtete zudem 2018 hätten US-Diplomaten das andere Hochsicherheitslabor WIV 13 Kilometer entfernt vom Markt besucht und anschließend einen alarmierenden Bericht über die Sicherheitsvorkehrungen in dem Labor geschrieben, in dem sie amerikanische Hilfe empfahlen, um Laborunfälle auszuschließen.
Gleichwohl berichtet die New York Times, dass US-Geheimdienste die Labor-Unfallthese für wenig wahrscheinlich hielten: Dies zu Alarmzuständen in der Pekinger Regierung geführt hätte, von denen die Geheimdienste sicher Wind bekommen hätten. Die chinesischen Virusforscher und das Außenministerium in Peking dementieren die Unfall-Theorie vehement. Auch der Virologe Christian Drosten nannte die Theorie in der Süddeutschen Zeitung unwahrscheinlich, er äußerte den Verdacht, dass das Virus sich auf Marderhund-Farmen verbreitet haben könnte und so auf den Markt in Wuhan gelangt sei und forderte eine Untersuchung.
Deutsche Politiker fordern internationale Hygienestandards
Auch der CDU-Außenexperte Jürgen Hardt verlagt eine rasche internationalen Untersuchung. „Ziel muss nicht nur eine transparente Aufklärung der Ursachen sein, sondern auch die Entwicklung und Durchsetzung von internationalen Hygienestandards, gerade auch für Tiermärkte“, betont der CDU-Politiker.„Eine unabhängige und transparente internationale Untersuchung unter Leitung der WHO könnte einen wichtigen Beitrag leisten, diese muss China auch im eigenen Interesse zulassen“, betont Hardt. „Allerdings sollte diese so schnell wie möglich stattfinden können, damit nötige Beweise noch vorliegen“, sprach sich der CDU-Politiker dafür aus, den Druck auf die Regierung in Peking zu erhöhen. „Angesichts der Tragweite der Pandemie trägt jeder Staat der Erde dafür Verantwortung, transparent mit Ursachen und Maßnahmen umzugehen, damit ein vergleichbarer Vorgang für die Zukunft verhindert werden kann.“
Die WHO ist allerdings selbst in den Strudel der Kritik geraten. Nicht nur Trump wirft ihr eine zu große Nähe zu Chinas Führung vor und hat ihr deshalb bereits die Gelder gestrichen. China kontert: Gerade in Zeiten der Coronavirus-Krise dürfe die Weltgesundheitsorganisation nicht geschwächt werden, sagt der Sprecher des Außenministeriums Zhao Lijian in Peking. Doch inzwischen ist auch bei anderen Regierungen die Skepsis gewachsen, ob Chinas Einfluss auf die WHO nicht doch zu groß geworden ist.
Auch Australiens Regierung fordert bereits eine unabhängige Untersuchung des Coronavirus-Ausbruch – und hat damit den Ärger der chinesischen Führung auf sich gezogen. China spiele „keine kleinkarierten Tricks, heißt es aus Peking. „Aber wenn das andere machen, müssen wir das erwidern.“ Australiens Premierminister Scott Morrison betont, die von ihm geforderte Untersuchung richte sich nicht explizit gegen China. Es sei aber vollkommen vernünftig, dass „der Rest der Welt eine unabhängige Bewertung dessen haben möchte, wie das alles passiert ist, damit wir die Lehren ziehen und verhindern können, dass es wieder passiert“.
„China hat viel an Glaubwürdigkeit verspielt“, sagt auch der China-Kenner und Grünen-Europabgeordnete Reinhard Bütikofer. Mit den Maskenlieferungen an die besonders vom Coronavirus betroffenen Länder wollte die Führung in Peking sich zwischendurch zwar als „Partner mit guten Absichten präsentieren. Zeitgleich aber versuchten chinesische Spitzendiplomaten die Lüge in die Welt zu setzen, das Virus stamme vom US-Militär. Auch auf deutsche Beamte gab es chinesische Einflussversuche in der Corona-Krise. Die Bundesregierung hat das inzwischen bestätigt. Bütikofer erinnert daran, dass man Chinas Zahlen auch weiter nicht trauen. Er glaubt daher nicht, dass China als Gewinner aus der Krise hervorgehen wird. Im Gegenteil: „Chinas Propaganda löst spürbare Gegenreaktionen aus.“
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