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Cannabis: Kiffen in Deutschland: Wie wahrscheinlich ist eine Legalisierung?

Cannabis

Kiffen in Deutschland: Wie wahrscheinlich ist eine Legalisierung?

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    Hanfparade in Berlin 2015: Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Konsum von Haschisch und Marihuana massiv angestiegen.
    Hanfparade in Berlin 2015: Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Konsum von Haschisch und Marihuana massiv angestiegen. Foto: Rainer Jensen/Archiv (dpa)

    Akute Probleme machen derzeit andere Drogen. Die sogenannten „Badesalze“ und „Kräutermischungen“ etwa, die aufgrund ständig wechselnder Rezepturen einfach und eben nicht illegal übers Internet zu beziehen sind und dabei zum Beispiel in Augsburg dafür verantwortlich sind, dass die Zahl der

    Das sollten Sie über Cannabis wissen

    Ausgangsquelle für Haschisch und Marihuana ist die Hanfpflanze "Cannabis sativa". Besonders stark konzentriert ist der Wirkstoff THC im Harz der Blüte, das als Haschisch konsumiert wird.

    Marihuana ist eine Mischung aus getrockneten Blättern, Blüten und Zweigen.

    "Hasch" wird geraucht, als Tee aufgebrüht oder in Nahrungsmitteln verarbeitet - gerne in Plätzchen.

    Häufiger starker Konsum kann nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen zur psychischen Abhängigkeit führen.

    Cannabis-Produkte werden seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt - manche Patienten dürfen Cannabis inzwischen legal verwenden.

    Cannabis gehört nach dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu den illegalen Suchtmitteln. Besitz, Anbau und der Handel sind verboten.

    Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor.

    Beim Umgang mit "nicht geringen Mengen" - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren.

    Für "Gelegenheitskiffer" kennt das Gesetz die Untergrenze der "geringen Menge" zum Eigenverbrauch. Die Staatsanwaltschaft kann dann von einer Strafverfolgung absehen.

    Oder „K2“. Noch nie gehört? Das ist die neue Modedroge in den USA, auf gehäckselte Blätter aufgetragene Chemikalien, leicht herzustellen und dann zu rauchen wie Marihuana – dabei aber viel unberechenbarer und gefährlicher. Wann das wohl zu uns schwappt? Die ersten Toten hat es in New York bereits gegeben, die Zahl der wie Zombies umherlaufenden Konsumenten nimmt zu. Was ist im Vergleich dazu schon das echte Marihuana und sein Bruder in Festform, das Haschisch?

    Das Schädlichste an Cannabis sei dessen Kriminalisierung

    Der deutsche Journalist und Autor Rainer Schmidt hat ein Buch geschrieben, das zeigt, wie in den kommenden Jahren diese Cannabis-Produkte freigegeben werden könnten. Dabei ist „Legal High“ (Rowohlt, 352 S., 19,95 Euro) eigentlich ein hochsatirischer Roman, in dem es darum geht, wie ein eben noch krimineller Züchter von Hanfpflanzen legendärer Qualität eingesperrt wird und sich dann die Wirtschaftsbosse um sein Wissen reißen, weil sich die Freigabe abzuzeichnen beginnt.

    Die Geschichte setzt im Jahr 2017 ein, Angela Merkel gibt – nachdem auch ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble durch die vielen Milliarden möglicher Steuereinnahmen überzeugt wurde – 2019 grünes Licht. Das ist witzig, in den Details sicher überdreht. Aber angesichts dessen, was etwa in Kalifornien längst passiert und was in Deutschland diskutiert wird, im Kern verblüffend realistisch. Sind wir wirklich auf einem solchen Weg?

    Der Stand der Dinge ist in etwa folgender: Wie es Rainer Schmidt auch erwähnt, wurde der Feldversuch einer kontrollierten Freigabe in Berlin-Kreuzberg im vergangenen Jahr rechtlich verhindert. In der Hauptstadt wurde nicht dagegen geklagt, Städte mit ähnlichen Überlegungen wie Köln, Düsseldorf oder Hamburg erwägen das aber. Denn selbst Polizei- und Richterverbände geben in ihren Stellungnahmen zu bedenken, dass der derzeitige Weg einer Kriminalisierung des Konsums nicht die erwünschte Wirkung erzielt habe.

    Der eigentlich für seine Schärfe deutschlandweit bekannte Jugendrichter Andreas Müller hat das im Buch „Kiffen und Kriminalität“ (Herder, 256 S., 19,99 Euro) sogar so formuliert: Das Schädlichste an Cannabis sei dessen Kriminalisierung. Weil eigentlich harmlose Kiffer, von denen es nach Schätzungen in Deutschland derzeit etwa vier Millionen gibt, damit sozial stigmatisiert werden und durch die strafrechtliche Verfolgung erst in wirklich kriminelle Kreise geraten. Richter Müller: „Legalisierung heißt Schutz. Besonders auch für Jugendliche.“

    Cannabis: Medizinisch bereits Lockerung erzielt

    Die Bundesgesetzgebung aber ist bislang eindeutig. Abgesehen von einer in den Ländern sehr unterschiedlich gehandhabten Duldung bestimmter Mengen Cannabis für den Eigengebrauch herrscht das Verbot der Droge. Ein wahrscheinliches Szenario könnte nun sein, dass die Einsprüche gegen die Illegalität zur Einberufung einer Enquete-Kommission führen. Die müsste dann beraten, welcher Umgang mit Cannabis für die Gesellschaft besser wäre, falls man wirklich zu dem Schluss kommt, die Kriminalisierung habe nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Und dann könnte sich das Szenario Rainer Schmidts schnell als treffend erweisen.

    Zumal erste Lockerungen ja bereits geschehen sind. Nachdem medizinische Studien erwiesen haben, dass etwa im Fall von Krebspatienten, Epileptikern und Demenzkranken Cannabis-Produkte erwünschte Wirkungen zuverlässig erzielen, indem sie beruhigend, aufhellend, lindernd wirken, ohne gefährliche Nebenwirkungen zu entfalten, dürfen Ärzte damit behandeln. Allerdings ohne dabei versichert zu sein oder von Krankenkassen unterstützt zu werden. So wagen nur wenige bislang den Einsatz der Mittel, die ja an etwas andocken können, was der Körper bereits kennt, weil er über ein eigenes Cannabinoid-System verfügt. Und die in der Regel über Tropfen verabreichten Dosierungen liegen in so niedrigem Bereich, dass von Rausch und Abhängigkeit hier nicht die Rede sein kann.

    Hanf, Marihuana und Haschisch

    Im Volksmund werden die Begriffe Hanf, Cannabis, Marihuana oder Haschisch gerne synonym verwendet. Alles hat ja irgendwie mit "Kiffen" zu tun. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede.

    Als Hanf wird die Pflanze an sich bezeichnet. Aus ihr lassen sich landwirtschaftliche Produkte wie Fasern und Öl, aber auch Rauschmittel wie Marihuana und Haschisch gewinnen.

    Die lateinische Bezeichnung der Hanfpflanze lautet Cannabis sativa - oder kurz: Cannabis.

    Als Marihuana oder Gras werden die getrockneten, meist zerkleinerten Blütentrauben oder kleinen Blätter der weiblichen Pflanze bezeichnet.

    Als Haschisch bzw. Hasch oder Shit wird das aus weiblichen Cannabispflanzen gewonnene Harz bezeichnet. Es wird in der Regel zu Platten oder Blöcken gepresst.

    In beiden Cannabis-Produkten ist gleichermaßen der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, allerdings kann der Gehalt oft stark abweichen. THC unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz.

    Die möglichen Feldversuche und der sich von der Menge und den Anwendungsfeldern her ausweitende medizinische Einsatz – in Rainer Schmidts Roman ergibt sich daraus ein stetig wachsender Bedarf an Cannabis. Und das ruft dann nicht nur die Wirtschaft auf den Plan, die in Kalifornien sieht, was aus einem im deutschen Alltag bereits illegal stark verbreiteten Rausch- und Lifestyle-Mittel alles entwickelt werden könnte. Das macht dann auch die Landwirte aufmüpfig, die immer mehr Geld in den Import einer Pflanze fließen sehen, die sie auch gut und gern selber kultivieren könnten (wie einst schon den relativ harzfreien Industriehanf, der aber damals schon als „Knaster“ ins Pfeifchen gestopft wurde). Unter diesem Druck wird in „Legal High“ schließlich auch Horst Seehofer zum flammenden Befürworter.

    Wobei der – wie alle in der Buch-Fiktion – betont, dass als zentrale Voraussetzung der Jugendschutz gewährleistet sein müsse. Und diesen Punkt kann vielleicht der satirische Romancier Schmidt leicht wegwischen, indem er erzählt, dass nachdem alle Generationen kiffen, die Kids am ehesten das Interesse verlieren. Aber in der Wirklichkeit ist das Problem freilich komplizierter. Würde zusätzlich zum Rauschmittel Alkohol, das seinen Reiz durch die Verfügbarkeit ja auch nicht einbüßt, nicht einfach nur noch eine weitere Droge frei zum Gebrauch? Und für beides darf als nachgewiesen gelten, dass häufiger Konsum zur Schrumpfung der Gehirnleistung führt.

    Hanf als Trend: Kommt es zu einer Legalisierung?

    Den durch neue Produkte erst florierenden und dann in harten Wettbewerb tretenden Unternehmen wäre das egal. Der Markt wäre riesig – man sehe nur, was heutzutage abseits des Hanfs für Dämmzwecke, Kleidung und Taschen schon alles erhältlich ist: Energy-Drinks, Cremes und diverse Trendprodukte mehr. Vielleicht gäbe es ja tatsächlich gar, wie Rainer Schmidt fantasiert, in absehbarer Zeit ein eigenes Cannabiszelt auf dem Oktoberfest, mit Canna-Bier und berauschenden, tabakfreien Dämpfen aus Vaporisatoren – und dafür ohne Prügeleien. Ein Kick wäre das dann wohl bald auch nicht mehr. Bräuchte es dafür dann Zeug wie „K2“ oder das teuflisch euphorisierende Aufputschmittel Crystal Meth?

    Immerhin: Eine Vielzahl wäre nicht mehr kriminell und die einzig das Klischee von der Einstiegsdroge nachweislich erfüllende Gefahr des Kontakts mit der illegalen Rauschgiftszene wäre gebannt; das wohl unausrottbare menschliche Verlangen nach Rausch hätte ein zumindest relativ harmloses Mittel zur Stillung verfügbar; Polizei und Gerichte wären wohl auch entlastet, die Steuermittel erhielten einen kräftigen Schub.

    Verkauf von Cannabis in Apotheken nimmt zu

    Andererseits: Erhielte etwas gewiss nicht völlig Harmloses nicht unweigerlich den Stempel der Unbedenklichkeit? Führte das nicht zu noch mehr Rausch? Wollen wir das? Wo wir doch sehen, was der Alkohol mitunter an persönlichen und sozialen Verheerungen anrichtet? Es wäre so schön, könnte man den Genuss freigeben und die Sucht verbieten.

    Die neueste Meldung kommt aus Thüringen: „Anbau von Cannabis soll bald erlaubt sein.“ Und zwar nicht in der Industrieform, mit niedrigem Harzgehalt. Sondern mit hohem, für Betäubungsmittel, zum Einsatz bei Schmerzpatienten. Und der Verkauf von Cannabis in Apotheken hat nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums drastisch zugenommen. Es waren 62 Kilo im ersten Halbjahr. Geht’s schon los?

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