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Bundesverfassungsgericht: Rundfunkbeitrag ist rechtens - bis auf ein Detail

Bundesverfassungsgericht

Rundfunkbeitrag ist rechtens - bis auf ein Detail

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    Streitthema Rundfunkgebühren: Privatleute zahlen im Moment 17,50 Euro im Monat.
    Streitthema Rundfunkgebühren: Privatleute zahlen im Moment 17,50 Euro im Monat. Foto: Arno Burgi, dpa

    Menschen mit Zweitwohnung müssen künftig nicht mehr den doppelten Rundfunkbeitrag zahlen. Die bisherige Regelung verstoße gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, entschied das Bundesverfassungsgericht mit dem am Mittwoch in Karlsruhe verkündeten Urteil. Betroffene können ab sofort einen Antrag auf Befreiung von dem zweiten Beitrag stellen - in einigen wenigen Fällen sogar rückwirkend. Der Gesetzgeber muss bis spätestens Ende Juni 2020 nachbessern. Ansonsten ist der 2013 eingeführte

    Kirchhof: Höhe des Rundfunkbeitrags "angemessen"

    Entscheidend sei das Angebot eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sagte Vizegerichtspräsident Ferdinand Kirchhof. "Die bundesweite Ausstrahlung der Programme gibt jedem in Deutschland die realistische Möglichkeit ihres Empfangs." Das rechtfertige eine zusätzliche finanzielle Belastung. Ob der Einzelne ein Empfangsgerät hat oder die Angebote vielleicht nicht nutzen will, spielt demnach keine Rolle.

    Privatleute zahlen im Moment für ihre Wohnung 17,50 Euro im Monat. Die Höhe dieses Beitrags ist laut Kirchhof angesichts von fast 90 bundesweit ausgestrahlten Programmen auch angemessen.

    Je Wohnung wird der Rundfunkbeitrag seit 2013 erhoben - unabhängig davon, wie viele Menschen dort leben und ob es überhaupt einen Fernseher oder ein Radio gibt. Die Kläger finden das neue System ungerecht. Sie stören sich unter anderem daran, dass ein Single unterm Strich stärker belastet wird als jemand, der mit mehreren Leuten in einer Wohngemeinschaft lebt. Diese Ungleichbehandlung beruht laut Urteil aber "auf Sachgründen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch genügen".

    Rundfunkbeitrag: Betroffene können eine Befreiung beantragen

    Die Richter des Ersten Senats halten es auch für vertretbar, den Beitrag an die Wohnung zu knüpfen. Denn dort werde der Rundfunk typischerweise genutzt. Der Gesetzgeber habe hier weiten Spielraum.

    Dass jemand mit zwei oder mehr Wohnsitzen mehr als einen Beitrag zahlen soll, geht den Verfassungsrichtern aber zu weit. "Denn er kann den Rundfunk nur einmal nutzen", sagte Kirchhof. Die Regelung könne auch nicht mit Verwaltungsvereinfachung begründet werden.

    Bisherige Urteile zum Rundfunkbeitrag

    Der Rundfunkbeitrag hat die Gerichte schon oft beschäftigt. Er wird seit 2013 pro Wohnung und nicht mehr nach Art und Zahl der Geräte erhoben. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sowie von Landesverfassungsgerichten:

    Private Haushalte: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied im März 2016, der Rundfunkbeitrag für private Haushalte sei nicht zu beanstanden. Die Kläger hielten es für ungerecht und verfassungswidrig, dass sie den Beitrag zahlen müssen, obwohl sie gar kein Rundfunkgerät oder nur ein Radio besitzen.

    Hotelzimmer: Anders als bei Privatwohnungen darf der Rundfunkbeitrag für Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen nur erhoben werden, wenn darin auch eine Empfangsmöglichkeit vorhanden ist. Das entschieden die obersten Verwaltungsrichter im September 2017. Geklagt hatte die Betreiberin eines Hostels in Neu-Ulm, die den allgemeinen Beitrag für Betriebsstätten zahlt und auch noch für jedes ihrer Gästezimmer einen Drittel-Beitrag zahlen sollte.

    Unternehmen: Im Dezember 2016 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags für Unternehmen. Sie wies damit Klagen des Autovermieters Sixt und des Discounters Netto zurück. Diese hatten sich dagegen gewandt, dass der Beitrag nach der Anzahl von Betriebsstätten, Beschäftigten und Firmenfahrzeugen bemessen wird. Unternehmen mit vielen Filialen würden klar benachteiligt.

    Bereits im Mai 2014 waren Unternehmen mit entsprechenden Klagen vor dem Bayerische Verfassungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz gescheitert.

    Bis eine neue Lösung gefunden ist, bleibt sie formal trotzdem in Kraft. Betroffene können bis dahin aber die Befreiung beantragen. Rückwirkend geht das nur, wenn man schon gegen den Beitragsbescheid Widerspruch eingelegt hatte und darüber noch nicht entschieden ist.  

    Die alte Rundfunkgebühr hatte sich danach bemessen, wie viele Geräte tatsächlich im Haushalt waren. Das machte Kontrollen erforderlich. Das Modell stieß auch deshalb an Grenzen, weil immer mehr Menschen die öffentlich-rechtlichen Angebote mobil über das Internet nutzen.

    Rundfunkbeitrag stammt zu 90 Prozent von Privatleuten

    Unter den Karlsruher Klägern war auch der Autoverleiher Sixt, den jeder Mietwagen einen Drittel-Beitrag kostet. Abhängig von der Zahl der Mitarbeiter muss das Unternehmen zusätzlich für jeden Standort Beiträge entrichten. Das halten die Richter für verfassungsgerecht: Unternehmen hätten aus den Rundfunkangeboten einen wirtschaftlichen Nutzen, denn sie könnten damit Mitarbeiter wie Kunden informieren und unterhalten. Im Auto laufe beispielsweise der Verkehrsfunk. Bei

    Wie öffentlich-rechtliche Sender in Europa finanziert werden

    In vielen europäischen Ländern gibt es ein öffentlich-rechtliches oder vergleichbares Rundfunksystem. Es wird oft durch Gebühren finanziert. Einige Beispiele:

    Schweiz: Die Rundfunkanstalt SRG - das Schweizer Pendant zu ARD und ZDF - wird überwiegend aus Gebühren finanziert. Jeder Haushalt, der ein Empfangsgerät für Radio und Fernsehen hat, muss sie zahlen. Bei einer Volksabstimmung im März 2018 entschieden sich die Schweizer gegen die Abschaffung der Gebühren.

    Österreich: Hier bezieht der öffentlich-rechtliche ORF Rundfunkgebühren. Jeder Haushalt muss für TV- und Radiogeräte eine Abgabe zahlen. Die Kosten variieren je nach Wohnort. 

    Dänemark: Noch werden Rundfunkgebühren pro Haushalt erhoben. Sie sollen aber vom nächsten Jahr an durch Änderungen am persönlichen Steuer-Freibetrag graduell ersetzt werden. 2022 sollen sie ganz abgeschafft sein.

    Großbritannien: Jeder Haushalt muss einen Festbetrag im Monat für die British Broadcasting Corporation (BBC) zahlen. Die Kosten für die TV-Lizenzen unterscheiden sich nach Farb- und Schwarz-Weiß-Geräten.

    Frankreich: Auch hier gehören Rundfunkgebühren zu den wichtigsten Einnahmequellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie fallen für Geräte an, mit denen TV-Programme empfangen werden können und werden einmal im Jahr zusammen mit der Wohnsteuer berechnet.

    Niederlande: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird aus Steuermitteln finanziert. Die Rundfunkgebühr wurde im Jahr 2000 abgeschafft und durch eine erhöhte Einkommensteuer ersetzt.

    Der Rundfunkbeitrag ist die wichtigste Einnahmequelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio. 2017 kamen knapp acht Milliarden Euro zusammen. Rund 90 Prozent dieses Geldes stammt von Privatleuten.

    Gegen den Beitrag hatte es zahlreiche Klagen gegeben, die allermeisten erfolglos. So hatte das Bundesverwaltungsgericht das Modell in den wesentlichen Punkten mehrfach bestätigt. Auch die Verfassungsgerichtshöfe von Bayern und Rheinland-Pfalz erklärten den Rundfunkbeitrag für rechtmäßig. Mit dem Urteil aus Karlsruhe ist jetzt das letzte Wort in dem langen Streit gesprochen. (dpa)

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