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Foto: Thomas Hilgendorf
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Bei der Tafel in Nördlingen herrscht reger Andrang. Die Kundenliste hat sich verdoppelt im Vergleich zur Zeit vor den großen Krisen.

Landkreis Donau-Ries
18.05.2023

Die Zahl der Tafel-Kunden im Kreis Donau-Ries hat sich verdoppelt

Von Thomas Hilgendorf

Die Einrichtungen in Donauwörth und Nördlingen melden Rekordzahlen bei ihren Kunden. Da die Supermärkte teils anders kalkulieren, führt das mitunter zu Engpässen.

Ein Vormittag unter der Woche in der Nördlinger Drehergasse: Gut 20 Frauen und Männer warten auf einem schmalen Gehsteig vor dem Eingang des zweigeschossigen Altbaus. Die Menschen stehen an, um sich das abzuholen, was für andere das Selbstverständlichste der Welt ist, wenn sie die Einkaufswagen im Supermarkt befüllen – was sich aber die Kundschaft dort für gewöhnlich nicht leisten kann. Die Tafeln der Diakonie und der Caritas versorgen Hunderte Haushalte mit dem Nötigsten an Lebensmitteln. Auch wenn die Energiepreise inzwischen wieder ein Stück weit gesunken sind: Die Kundenlisten der beiden Einrichtungen im Landkreis Donau-Ries, sie werden länger.

Die Krisen der Welt kommen rasch an in der Drehergasse – Helmut Weiß stellt das immer wieder fest, wenn er Bilanz zieht. Der Sozialpädagoge kümmert sich mit zahlreichen Ehrenamtlichen darum, dass der Nördlinger Tafel- und Kleiderladen läuft. Lange sei die Zahl der Tafelkunden im "CaDW-Laden" recht konstant geblieben. Doch das hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert: Die Flüchtlingskrise von 2015/16 ließ merklich mehr Menschen zur Tafel kommen, ebenso die Corona-Jahre 2020 bis 2022. Zuletzt, sagt Weiß, sei es der Krieg in der Ukraine gewesen, der in doppelter Hinsicht ins Kontor schlug: Zum einen sei die Kundschaft durch ukrainische Geflüchtete merklich angestiegen, zum anderen hätten die in Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise einige Menschen den Weg zur Tafel suchen lassen, die vorher noch gerade so über die Runden gekommen seien. 

Lage in Donauwörth und Nördlingen vergleichbar

Davon berichtet auch Weiß´ Donauwörther Kollege Branko Schäpers von der Caritas. In Donauwörth ist die Lage schier eins zu eins vergleichbar: Gegenüber der Situation vor dem Krieg haben sich die Kundenlisten nahezu verdoppelt.

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Foto: Thomas Hilgendorf
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Bei der Tafel in Nördlingen ist viel los.

Auch Marga Venzmer kann das beobachten. Die bald 80-jährige rüstige Frau arbeitet seit über zehn Jahren ehrenamtlich bei der Nördlinger Tafel. Sie zeigt auf die Auslagen beim Gebäck, während im Hintergrund die Kunden in Reihen an den Ausgabetischen anstehen. Bunte Rucksäcke, große Taschen – es muss stets für die Woche reichen. Die Vorräte leeren sich zusehends. "Dann müssen wir die Zuteilungen wieder etwas verkleinern", erklärt Venzmer. Und sie fügt hinzu: "Manchmal wird es knapp mit den Lebensmitteln." 

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Foto: Thomas Hilgendorf
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Marga Venzmer arbeitet seit über zehn Jahren ehrenamtlich bei der Tafel - manchmal wird es knapp mit den Lebensmitteln, berichtet sie.

Sie stelle auch fest, dass die Kundschaft "querbeet" verteilt sei, was Alter und Herkunft angehe: Rentner, Ausländer, Inländer, auch jüngere Menschen seien dabei. So wie der 32-jährige Mann aus Deiningen mit der Camouflage-Baseballkappe, der seinen Namen nicht nennen will. In der Corona-Zeit habe er seinen Job verloren, sagt er. Seitdem sei er wirtschaftlich nicht mehr wirklich auf die Beine gekommen – "ohne die Lebensmittel der Tafel würde es einfach nicht reichen", betont der Mann. 

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In Donauwörth werden fast 1000 Menschen versorgt, in Nördlingen gar 1300

Branko Schäpers kennt die Schlangen vor der Tafel-Ausgabestelle nur zu gut. Auch in Donauwörth ist das zum gewohnten Bild an den sogenannten "Tafel-Tagen" an der Zirgesheimer Straße geworden. Das Thema "Ukraine" habe ab dem vergangenen Frühjahr bei den beiden kirchlichen Sozialeinrichtungen ein Gesicht bekommen in der Region – und seitdem sind die Kundenlisten nicht wieder kürzer geworden. Im Gegenteil. Die Donauwörther Tafel versorgt momentan gut 950 Personen, die Nördlinger Einrichtungen sogar noch mehr, nämlich gut 1300 Personen in 520 Haushalten. Inzwischen steigen die Zahlen zumindest nicht mehr dynamisch – "sie haben sich auf hohem Niveau eingependelt", resümiert Schäpers. 

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Foto: Thomas Hilgendorf
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Helmut Weiß von der Nördlinger Diakonie bekommt im Wochenrythmus neue Anmeldungen für die Tafel-Berechtigungskarten.

Doch nach wie vor kämen, wie Sozialarbeiter Weiß berichtet, wöchentlich neue Anmeldungen auf seinen Schreibtisch. Er beobachtet unterdessen, dass die Supermärkte, die seit jeher zu den großen Spendern der Tafeleinrichtungen gehören, inzwischen knapper kalkulieren. "Es ist ja eigentlich zu begrüßen, dass die Regale um kurz vor 19 Uhr nicht mehr voller Obst und Gemüse sind – aber andererseits gibt es dann auch weniger frische Ware für uns."

Die Versorgung der bedürftigen Menschen könne aktuell "gerade noch" gewährleistet werden, berichten die beiden Sozialpädagogen unisono. Branko Schäpers betont indessen aber auch: "Bei einem nochmaligen so heftigem Anstieg der Kundenzahlen schaffen wir es nicht mehr." 

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