Am 23. Verhandlungstag im Doppelgängerinnen-Mordprozess sagen erneut Zeugen aus Ingolstadt aus. Man merkt, dass sie nicht da sein wollen - hier vor dem Landgericht, unmittelbar im Fokus der Justiz. Einer von ihnen ist schon zum dritten Mal geladen, nachdem er zweimal einfach nicht aufgetaucht ist. Diesmal wird er gegen seinen Willen mit Handschellen und Fußfesseln vorgeführt. Der andere ist einer von Sheqir K.s früheren Freunden.
Doppelgängerinnen-Mordprozess: Angeklagter soll auch mal Kokain genommen haben
Zuerst sagt Yusuf D. über den Angeklagten Sheqir K. wieder nur das, was schon viele vor ihm berichtet haben: ein "herzenslieber", guter Junge, lustig und eher ruhig. Ab und zu mal ein Joint, hier und da mal ein Whiskey-Cola. Der Alkoholkonsum von seinem Freund aus Kindheitstagen habe vielleicht in den letzten Jahren ein bisschen zugenommen, dennoch habe Sheqir K. nur am Wochenende getrunken, erzählt der Zeuge. Aber dann erwähnt der 25-Jährige neben Cannabis auch Kokain und dass der Angeklagte gerne etwas "ausprobiert" habe. Das relativiert er allerdings schnell wieder, als die psychiatrische Gutachterin genauer nachfragt.
Yusuf D. ist einer von denen, die Sheqir K. in der Nacht nach der Tat am 16. August 2022 getroffen haben. Er war dabei, als der Angeklagte einen anderen "Kollegen" gebeten hat, nachzuschauen, ob in der Peisserstraße schon die Polizei steht. Er war dabei, als Sheqir K. zu einem Freund gesagt haben soll, er habe ein unschuldiges Mädchen getötet - auch wenn er nicht alles mitbekommen hat, wie der Zeuge einräumt. Und er hat gesehen, wie Sheqir K. auf die Frage, was los sei, mit der Hand eine eindeutige Geste gemacht hat - so als würde man jemandem die Kehle durchschneiden. Der Angeklagte habe nach der Tat auf Hilfe von seinen Freunden gehofft, auf ein Fahrzeug oder ein Ticket, um zu verschwinden. Doch sie hätten ihn weggeschickt.
Was der Angeklagte in dieser Nacht für einen Eindruck gemacht habe, wollen die Richter und Anwälte wissen. Beim ersten Treffen sei er nervös gewesen und ängstlich, sehr "zappelig", erinnert sich der Zeuge. Als sie ihn das zweite Mal sahen, habe er auf einer steinernen Bank gesessen und vor sich hingebrabbelt.
Hat Marcello B. die Nachricht über den Mord in Ingolstadt verbreitet
Ungefähr 20 bis 30 Minuten später sei Schahraban K. aufgetaucht, so Yusuf D. Mit ihr habe er aber nicht viel gesprochen. Sie wollte lediglich von ihm wissen, wo ein bestimmter Freund sei: der immer wieder in diesem Verfahren eine Rolle spielende Ingolstädter Marcello B. Mit diesem, seinem Nachbarn, habe er sich in der Nacht auch noch getroffen und über den Vorfall gesprochen, gibt der 25-Jährige an. Zu diesem Zeitpunk seien sie sich bereits sicher gewesen: Sheqir K. hat für Schahraban K. ein Mädchen getötet. "Sie muss schon 100 Leute davor gefragt haben, bis sie einen Dummen gefunden hat, der es dann gemacht hat", sagt Yusuf D. Er glaubt, Sheqir K. habe sich in Schahraban K. verliebt - und sie habe ihn dann manipuliert und ausgenutzt.
Schon öfter war die Rede davon, dass Marcello B. es nicht in Ordnung gefunden habe, dass Sheqir K. sich hinter seinem Rücken mit Schahraban K. traf - wo er das Mädchen doch zuerst gekannt hatte und er es seinem Freund auch vorgestellt hatte. Marcello B. habe deshalb auf eine Entschuldigung von Sheqir K. gewartet, erzählt der Zeuge. Auch in jener Nacht, als Sheqir K. ihm dann stattdessen von seiner Tat berichtet haben soll. Warum das ein Problem gewesen sei, wollen die Prozessbeteiligten wissen, Marcello B. sei schließlich nicht in Schahraban K. verliebt gewesen, wie dieser und andere Zeugen immer wieder versichert haben. Das habe mit Loyalität zu tun, erklärt Yusuf D. Und mit Ehrlichkeit. Sheqir K. habe nämlich zum Beispiel, wenn Schahraban K. ihn und Marcello B. nach Hause gefahren hat, so getan, als würde er schlafen, damit er dann mit der Angeklagten alleine sein konnte. Der Zeuge gibt aber gleichzeitig zu, dass es kein Problem gewesen wäre, wenn Schahraban K. ein Mann gewesen wäre.
Doppelgängerinnen-Mordprozess: Wurde Schahraban K. gejagt?
Marcello B. hatte seinem Freund Yusuf D. allerhand über Schahraban K. erzählt, wie der Zeuge auf Nachfrage berichtet: Sie habe immer große Angst gehabt vor ihrem Ex-Mann und dessen Familie. Sie dachte, sie werde gejagt. Deshalb hätte sie sich nie lange an einem Ort aufgehalten. Diese Familie würde sie immer verfolgen, soll sie gesagt haben. Und: Sie möchte endlich keine Angst mehr haben.
Der zweite Zeuge an diesem Tag wird wie ein Gefangener in den Zeugenstand gebracht. Erst auf dem Stuhl nimmt der Justizbeamte ihm die Fesseln ab. Der Zeuge - ein Musiker aus Ingolstadt, der schon einmal im Gefängnis saß - hat eine bullige Statur, trägt ein ärmelloses T-Shirt und eine Jogginghose. Im Nacken und auf den Armen ist er tättowiert. Er hat Schahraban K. auf einem Supermarktparkplatz in Gaimersheim kennengelernt. Sie hätten nur über belanglose Dinge geredet und geschrieben, erzählt der Zeuge. In einem Chat zwischen ihm und der Angeklagten wird deutlich, dass er wohl doch etwas mehr Kontakt mit Schahraban K. hatte. An viel erinnern kann er sich trotzdem nicht. Er schreibe mit vielen Frauen, erklärt er. Er habe die Angeklagte damals interessant gefunden, wollte sie "klar machen", aber es habe sich nichts daraus ergeben.
Der Zeuge ist einer von vielen Männern aus Ingolstadt, zu denen die Angeklagte 2022 Kontakt gesucht hat. Auch ihm hat sie gesagt, dass sie Probleme habe, aber nicht welche. Auch ihn hat sie um Hilfe gebeten - vergeblich. Bei der Polizei hatte der Zeuge Schahraban K. so beschrieben: "Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so durch war."
Darum geht es im Doppelgängerinnen-Mordprozess am Landgericht Ingolstadt
Das wird den Angeklagten vorgeworfen: Am 16. August 2022 soll Schahraban K. gemeinsam mit Sheqir K. Khadidja O. getötet haben, weil sie der Angeklagten ähnlich sah. Danach wollte Schahraban K. untertauchen und ein neues Leben beginnen. Um eine geeignete Doppelgängerin zu finden, soll die Deutsch-Irakerin gezielt junge Frauen auf Social Media kontaktiert haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklage hinsichtlich beider Beschuldigter lautet auf versuchte Anstiftung zum Mord und Mord. Schahraban K. hat sich bereits zur Tat geäußert. Ihren Schilderungen nach ist sie unschuldig. Ihren Mitangeklagten hat sie allerdings schwer belastet.
Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.
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