Ein Boot ist niemals nur ein Boot. Es ist ein Symbol für Strömung und Wellengang, für abenteuerliche Wege, die sich Menschen über das Wasser bahnen. Die „Ulma“ ist das Wahrzeichen des Donauschwäbischen Zentralmuseums. Der schmale Kahn aus Holz steht auf dem Trockenen, auf der Wiese vor dem Museum, einem riesigen Backsteinbau an der Oberen Donaubastion. Das Boot hat lange kein Wasser mehr unterm Bug gespürt. Es wurde vor langer Zeit gezimmert. Die Ruder hängen von Bord. Schwarz-weiß gepinselt ist der Rumpf, schlicht und hölzern die Kajüte – und in alter Schrift haben sie den Namen auf den Bug gepinselt. „Ulma“, auch „Ulmer Schachtel“, ist ein Symbol – für die Geschichte der Donauschwaben. Mit Booten wie diesem wagten sie im 18. Jahrhundert den Aufbruch, in Ulm begann ihre Reise auf der Donau, hin zu einer neuen Heimat. Im Donauschwäbischen Zentralmuseum erinnert man seit zwei Jahrzehnten an die Geschichte dieser Menschen. Am 8. Juli hätte das Ulmer Museum gerne seinen 20. Geburtstag gefeiert. Nun begeht man das Jubiläum bescheiden, mit einer Pressekonferenz.
Der Weg der Donauschwaben begann sehr oft in Ulm
Sie kamen aus dem deutschen Gebiet, auch aus Frankreich, Italien und Spanien. Sie fuhren flussabwärts und fanden eine neue Heimat in Südosteuropa, im Raum von Ungarn, Serbien, Rumänien. Und so wurden sie: Donauschwaben. Ulm war eine wichtige Station am Beginn dieses Wegs, hier schlugen viele Auswanderer ihre Zelte auf. Diese Bewegung, bei all den menschlichen Schicksalen und Härten, die sich dahinter verbargen, brachte der Stadt Leben und Schwung. Für Ulms Bürgermeisterin Iris Mann beweist die Geschichte eines: „Dass Weltoffenheit schon vor 300 Jahren hier gelebt wurde.“ Außerdem sieht Mann Parallelen zum hier und jetzt: „Migration ist kein Zeitphänomen. Leider ...“ – denn die Gründe auszuwandern seien oft schmerzhaft. Kriege, Nöte, Krisen. Und während über Flucht und Migration heute wieder mit Hitze diskutiert wird, betont Mann, dass die Wege der Donauschwaben inzwischen Teil der europäischen Freiheit und Solidarität geworden sind: „Wir genießen heute die Freiheit, uns im Donauraum zu bewegen.“
Iris Mann ist Vorsitzende der Stiftung des DZM, die das Museum leitet. Gestützt wird das Museum seit Gründung von der Stadt, dem Bund und dem Land Baden-Württemberg. 1994 kam zum ersten Mal die Idee auf, diesem Erbe ein Museum zu widmen, als Ankerpunkte für Donauschwaben in ganz Europa. Und heute? 50000 Exponate – so prall ist der Fundus des Museums inzwischen. Zeitzeugnisse, die nicht alle im wuchtigen Museumsbau Platz finden. Im neuen Kunstdepot der Stadt lagern weitere Erinnerungsstücke der Sammlung. Die Exponate stammen aus Privatbesitz – viele aus dem Kreis der donauschwäbischen Verbände, der Landsmannschaften.
Donauschwäbisches Zentralmuseum feiert sein 20-jähriges Bestehen
Hans Supritz ist Bundesvorsitzender der Landsmannschaften. Er fasst die Geschichte zusammen: Im 18. Jahrhundert forderte Maria Theresia, Herrscherin über Österreich-Ungarn, dazu auf, die „pannonische Tiefebene“ entlang der Donau zu besiedeln. Der Aufbruch begann, eine neue Kultur entstand und schlug im Osten Wurzeln. Doch das Reich zerbrach zwischen den Weltkriegen – und nach dem zweiten Krieg zerstreute sich die Gemeinschaft der Donauschwaben. Viele kamen schließlich nach Deutschland. „Hier spürte man Schmerz und Erinnerung. Man sehnte sich nach dem, was man zurückgelassen hat“, erinnert sich Supritz als Zeitzeuge. Die Sehnsucht nach Heimat, nach der Dorfgemeinschaft tausende Kilometer flussabwärts, führte zur Gründung von Heimatstuben, Verbänden, Landsmannschaften. In Ulm, „Stadt der Auswanderer“, trafen sich immer wieder tausende Donauschwaben.
Warum das zentrale Museum nach Ulm kam? „Für uns als Vertriebene kann ich sagen: Wir haben uns mächtig angestrengt“, sagt Supritz. Für ihn war klar: „Ulm muss es sein.“ Der Traum wurde wahr. Unweit des Ufers, von dem viele Donauschwaben aufbrachen, fand das Museum seine Heimat. „Wir wollen das europäische Erbe von 300 Jahren weiter pflegen und weiterentwickeln“, sagt Surpritz. „Zusammenhalt in Frieden, in Freiheit und guter Nachbarschaft. Das ist doch das, was wir heute für Europa wollen.“
Das Donauschwäbische Zentralmuseum will sich erneuern
Swantje Volkmann ist Kulturreferentin für den Donauraum. In ihrer Arbeit für das Museum pflegt sie ein weites Netzwerk, im Kontakt mit zehn Nationen – bis Rumänien und Bulgarien. Das Internationale Donaufest 2020 in Ulm fällt zwar coronabedingt aus, auch der Jugendaustausch mit den Donauländern. Doch im Museum tut sich was: „Wir haben die Corona-Zeit genutzt. Rund 1,65 Millionen Euro werden jetzt verplant und bald erbaut“, sagt Museumsdirektor Christian Glass. Am Ende des Jahres schließt das Museum – für eine Umbaupause bis November 2021. Eine neue, interaktive Ausstellung ist geplant: 24 Geschichten vom Fluss und seinen Menschen. „Das Museum soll spannend werden auch für Menschen, die mit dem Thema noch nicht in Berührung gekommen sind“, sagt Iris Mann.
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