Im Prozess gegen einen katholischen Priester haben am Montag weitere Zeugen vor dem Amtsgericht Pfaffenhofen an der Ilm über sexuelle Übergriffe berichtet. Entscheidend für eine Verurteilung des 56-Jährigen, der zuletzt in einer Gemeinde im Norden des Landkreises Neu-Ulm tätig war, könnten jedoch Ministrantenlisten sein.
Angeklagt ist der suspendierte Priester, weil er vor 15 Jahren in seiner damaligen Gemeinde im Landkreis Pfaffenhofen einen Ministranten missbraucht haben soll. Der heute 30-Jährige hatte zum Prozessauftakt vor vier Wochen ausgesagt, der Pfarrer habe ihn bei Fesselspielen im Bereich der Unterhose angefasst und mehrfach seine Muskeln vermessen. Dazu habe er sich im Pfarrhaus bis auf die Unterhose ausziehen müssen.
Früherer Oberministrant berichtet von Übergriffen durch Priester
Auch ihm gegenüber sei der Angeklagte "übergriffig geworden", erinnerte sich ein heute 45-Jähriger am Montag an seine Zeit als Ministrant in einer Gemeinde im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen vor über 30 Jahren. Als Oberministrant habe der Angeklagte ihn zu "Gesundheitstests" zu sich nach Hause eingeladen. Er habe sich bis auf die Unterhose ausziehen und auf ein Sofa legen müssen. Mit einem Maßband habe der Angeklagte dann seinen Körper vermessen, ihn aber nicht im Genitalbereich angefasst.
Der Angeklagte sei "streng und autoritär" gewesen, allerdings "nicht natürlich autoritär", sondern "amtsautoritär". Als Kind habe er sich damals nicht getraut, Nein zu sagen, und nach Ausreden gesucht. "Ist dir Fußball wichtiger als Gott?", habe ihn der damalige Oberministrant unter Druck gesetzt.
Missbrauchsprozess vor dem Amtsgericht Pfaffenhofen an der Ilm
Im Jahr 2010 habe er in einer Mail ans Bistum Augsburg über die Übergriffe berichtet, so der 45-Jährige weiter. Die Missbrauchsbeauftragte habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass der Angeklagte "aus der Jugendarbeit und dem Religionsunterricht entfernt" worden sei und Therapiestunden absolvieren müsse. Außerdem habe der Angeklagte selbst in einem "Entschuldigungsbrief" versichert, dass es zu keinen weiteren Übergriffen gekommen sei. "Extrem wütend" sei er deshalb gewesen, als er 2016 von weiteren Ermittlungen erfahren habe.
In dem Brief hat der Pfarrer auch einen Grund für die Vermessungen angegeben: Er habe schon immer "Interesse an Medizin und an der Anatomie des menschlichen Körpers" gehabt. Das deckt sich mit den Angaben eines 38-Jährigen: Er habe Arzt werden wollen, habe der Priester zu ihm gesagt und ihn gebeten, seinen Oberarm und seinen Brustkorb vermessen zu dürfen – ähnlich der Musterung bei der Bundeswehr. Bestraft werden kann der Angeklagte dafür sicher nicht: Der Zeuge war nämlich zu dem Zeitpunkt bereits 29 Jahre alt und hat nach eigenen Angaben eingewilligt.
Priester war im Kreis Pfaffenhofen und im Kreis Neu-Ulm tätig
Eine Bestrafung wegen der angeklagten Übergriffe wird dafür immer wahrscheinlicher. Verteidiger Florian Zenger hatte im letzten Termin noch argumentiert, die Vorfälle "an einer Zeitleiste festzumachen", sei "nicht ansatzweise" möglich. In der Tat war sich der 30-Jährige bei der zeitlichen Einordnung der Übergriffe nicht sicher. Sicher war er sich allerdings, dass sie sich während seiner Ministrantenzeit ereignet haben. Nach den von dem Kirchenpfleger der Gemeinde vorgelegten Ministrantenlisten hat das mutmaßliche Opfer seine Ministrantentätigkeit kurz nach seinem 15. Geburtstag beendet. Straffrei wäre der Angeklagte nach der hier maßgeblichen früheren Rechtslage nur, wenn der Ministrant bereits 16 Jahre alt gewesen wäre.
Im nächsten Termin am Freitag, 24. März, soll eine Polizistin über die Ermittlungen im Jahr 2016 aussagen. Außerdem sollen Videos mit offenbar pornografischem Inhalt angeschaut werden, die im Haus des Angeklagten gefunden worden sind. Anschließend soll das Urteil verkündet werden.