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Bad Wörishofen: Bad Wörishofens letzter Meister der Kneipp-Sandale

Bad Wörishofen

Bad Wörishofens letzter Meister der Kneipp-Sandale

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    Jochen Scharpf mit einem fertige Paar Kneipp-Sandalen vor einem Regal mit Leisten durchaus berühmter Kunden.
    Jochen Scharpf mit einem fertige Paar Kneipp-Sandalen vor einem Regal mit Leisten durchaus berühmter Kunden.

    Gesundheit kommt aus Wörishofen, das lernt man hier schon als Kind. Mal kommt sie auf leisen Sohlen, mitunter auch auf ausgelatschten Schuhen. Gießkanne und Kneipp-Sandalen symbolisieren weltweit Lehre und Vermächtnis des Wasserdoktors. Im Jahr seines 200. Geburtstages erleben die Kneipp-

    Pfarrer Sebastian Kneipp hat die nach ihm benannten Schuhe einst zusammen mit Wörishofer Schuhmachern kreiert. Auf ganzheitliche Gesundheitslehre fixiert, machte er sich auch über die Füße seiner Mitmenschen Gedanken. Die waren damals in zu enges Schuhwerk eingeschnürt, was oft zu Deformationen führte. So propagierte der naturheilkundige Pfarrer Sandalen, die Füßen ausreichend Platz bieten und eine natürliche Luftzirkulation zulassen.

    Ein Maharadscha in Kneipp-Sandalen - und der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl trug die Schuhe ebenfalls

    Seine Schuhe verordnete Kneipp einst höchsten kirchlichen wie auch weltlichen Würdenträgern. So unter anderem Erzherzog Josef von Österreich/Ungarn und auch ein Maharadscha trug sie. In Kneipp-Sandalen schlüpften sowohl die früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Johannes Rau, wie auch Bundeskanzler Helmut Kohl, Ministerpräsident Edmund Stoiber und die früheren bayerischen Staatsminister Huber, Goppel und Miller.

    Auch ungezählte Wörishofer Bürger gehen ohne Kneipp-Sandalen nicht aus dem Haus. Überzeugte Kneippianer, wie Werner Büchele, tragen sie sogar im Winter. Der frühere Vizekurdirektor von Bad Wörishofen besitzt acht Paar Kneipp-Sandalen in mehreren Farben und passend zu verschiedenen Anzügen. Denn auch das ist klar: Ein richtiger Kneippianer zeigt das auch zum Businessanzug.

    Historisch wie die Kneipp-Sandale ist auch die Adler-Nähmaschine, mit der Jochen Scharpf die Schuhe fertigt.
    Historisch wie die Kneipp-Sandale ist auch die Adler-Nähmaschine, mit der Jochen Scharpf die Schuhe fertigt. Foto: Franz Issing

    Echte Kneipp-Sandalen zu kaufen, wird allerdings immer schwieriger. Während sich zu Zeiten des Wasserdoktors noch 13 Schuhmacher auf ihre spezielle Fertigung verstanden, gibt es in Bad Wörishofen mittlerweile nur noch einen einzigen Handwerker, der die Kunst mit dem goldenen Hämmerchen beherrscht. Die Rede ist von Orthopädie-Schuhmachermeister Jochen Scharpf, der in der Fußgängerzone einen Laden mit Werkstatt betreibt.

    Bei der Herstellung von Kneipp-Sandalen richtet sich der Meister nach Kneipps Originalanleitung. Das bedeutet auch, dass nur Naturmaterial zum Einsatz kommen darf. Kork aus Portugal landet auf Scharpfs Werkbank, Holz aus dem Erzgebirge und Leder aus Italien. Seine nach historischem Vorbild geschusterten Schuhe erkennt man an den doppelten Kreuzriemen.

    Handarbeit ist gefragt, wenn es um die original Kneipp-Sandalen geht. Zum Einsatz kommen ausschließlich Naturmaterialien, so wie Kneipp es einst festgelegt hat.
    Handarbeit ist gefragt, wenn es um die original Kneipp-Sandalen geht. Zum Einsatz kommen ausschließlich Naturmaterialien, so wie Kneipp es einst festgelegt hat. Foto: Franz Issing

    Kunden aus aller Welt haben in der Werkstatt von Jochen Scharpf ihren Leisten stehen. „Einen Abnehmer habe ich auch in Indien“, verrät er und hängt dabei ein wenig längst vergangenen Zeiten nach. „Früher trugen die Kurgäste in Wörishofen kurze Hose, Kneipp-Sandalen, ein weißes Kneipp-Käpple und stützten sich auf einen Gehstock“, sagt Scharpf. „Heute sind sie in Sportklamotten und mit Rucksack unterwegs.“ Aber natürlich gibt es sie weiterhin, die Kneipp-Sandalen-Fans.

    Gerne hätte Joachim Scharpf auch Kanzlerin Angela Merkel in Bad Wörishofen ein paar Kneipp-Sandalen verpasst

    Scharpf berichtet, dass manche Kurgäste ihre Kneipp-Sandalen zehn Jahre lang tragen und sie dann auch noch reparieren lassen. Das Handwerk hat allerdings auch seinen Preis. Wer in die Fußstapfen des Wasserdoktors treten und sich die von ihm empfohlenen Schuhe anziehen will, muss für ein Paar zwischen 190 und 210 Euro hinblättern. Maßarbeit ist aufwendig und teuer. Gerne hätte Scharpf auch einmal bei Bundeskanzlerin Angela Merkel Maß genommen. „Aber die hat ja leider die Einladung der Kurdirektion zum 200. Kneipp-Jubiläum wegen Corona ausgeschlagen“, bedauert er.

    Etwa drei Wochen muss der Kunde auf seine Sandalen warten. Scharpf fertigt pro Wochen nur bis zu fünf Paar in den Größen 35 bis 46. Zur Auswahl stehen fünf Modelle für Männer sowie zehn für Frauen. Der Meister ist zwar technisch wie eine kleine Schuhfabrik und mit allem was dazu gehört ausgerüstet, doch die meisten Arbeitsschritte wie schleifen, nähen, kleben und pressen sind Handarbeit. Stolz verweist Scharpf hier auf eine alte Adler-Nähmaschine, die noch täglich ihren Dienst tut und die er wie einen Schatz hütet. „Wenn sie einmal kaputt geht, muss ich erst einmal jemand finden, der so ein Gerät noch reparieren kann“, bemerkt er.

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