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Mindelheim: Flucht aus Afghanistan 2015: Mindelheim ist seine neue Heimat

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Flucht aus Afghanistan 2015: Mindelheim ist seine neue Heimat

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    Abdulmalek Saboori ist stolz, ein Mindelheimer zu sein. „Ich danke allen, die mir bei der Integration geholfen haben“, sagt der 22-jährige Afghane. In Kabul wurde er bei einem Angriff lebensgefährlich verletzt, seine Familie geriet immer wieder ins Visier von Islamisten. 2015 floh Saboori nach Deutschland.
    Abdulmalek Saboori ist stolz, ein Mindelheimer zu sein. „Ich danke allen, die mir bei der Integration geholfen haben“, sagt der 22-jährige Afghane. In Kabul wurde er bei einem Angriff lebensgefährlich verletzt, seine Familie geriet immer wieder ins Visier von Islamisten. 2015 floh Saboori nach Deutschland. Foto: Oliver Wolff

    Es sind kontroverse Worte, welche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Tag genau vor fünf Jahren in die laufenden Kameras sprach. Der Satz „Wir schaffen das!“ ist zum Symbol geworden – für Kritiker und Befürworter der Flüchtlingspolitik. Seitdem ist viel passiert. Viele Flüchtlinge sind in Deutschland nie richtig angekommen. Aber es gibt auch Erfolgsstorys, wie etwa die des Mindelheimers Abdulmalek Saboori. Wir haben uns mit dem 22-jährigen Afghanen getroffen, um mehr über seine Vita und seine Zukunftspläne zu erfahren. So viel vorab: Saboori hat es geschafft.

    Blutiger Messerangriff in Kabul bewegte Afghanen zur Flucht nach Deutschland

    Eigentlich spricht der junge Afghane nur ungern über seine Vergangenheit. Kein Wunder, denn Saboori hat in Kabul Schreckliches miterlebt. Da seine älteren Geschwister für westliche Organisationen arbeiteten, geriet seine Familie immer wieder ins Fadenkreuz von Extremisten. Zwei mal wurde er selbst Opfer eines Messerangriffs, einmal wäre er fast gestorben. Nicht nur die Narben im Gesicht und am Oberkörper zeichnen ihn ein Leben lang, die Todesangst verfolgt ihn in Albträumen noch immer. Saboori, damals noch ein Jugendlicher, musste weg. Er musste in Sicherheit, denn irgendwann, so sagt er, hätte es ihn erwischt.

    Flucht über Türkei und Balkanroute nach Bayern

    „Meine Eltern haben mir Geld gegeben, damit ich nach Deutschland gehen kann.“ Umgerechnet etwa 12.000 Dollar waren es – die ganzen Ersparnisse der Eltern. Zuerst buchte der junge Mann einen Flug nach Dubai, um von dort in die Türkei zu fliegen. Auf dem Landweg ging es dann in einer Gruppe von etwa 70 Flüchtlingen über Bulgarien, Serbien nach Ungarn. Und das alles zu Fuß mit schlechtem Schuhwerk. „Ich war oft verletzt und konnte nicht mehr.“ Aber er musste. Das habe ihm auch einer seiner Brüder am Telefon mitgeteilt. „Entweder Deutschland oder sterben“, sagt Saboori nachdenklich.

    Weiter ging die Flucht, nachts durch Wälder oder brusttief minutenlang durch eiskalte Flüsse. Es war April. Weil in der Gruppe das Gerücht umging, die Polizei könne sie orten, haben alle Flüchtlinge ihre Smartphones weggeworfen und waren von nun an auf sich alleine gestellt.

    32 Flüchtlinge von Budapest in kleinem Lieferwagen nach Rosenheim geschleust

    Saboori musste einige Male vor der Polizei davonrennen. Nicht mal die Hälfte der Gruppe ist in Budapest angekommen – Mütter mit ihren Kindern wurden von serbischen und ungarischen Grenzwächtern festgenommen.

    In Budapest hat Sabooris Gruppe einen Schleuser gefunden, der sie Richtung Rosenheim fährt: 32 Flüchtlinge eingepfercht in einem kleinen Lieferwagen. Hunger, Durst, Platzangst – Momente, mit denen der minderjährige, unbegleitete Flüchtling umgehen musste. „Ich hatte immer das Ziel vor Augen, aufgeben war keine Alternative.“

    Nächste Station Asylbewerberheim in Kirchheim im Unterallgäu

    Angekommen in Bayern hatte er den ersten Kontakt mit Beamten der Bundespolizei. „Wir wussten, dass sie uns nichts antun. Ich war so froh, endlich in Deutschland zu sein. “ Nach wenigen Tagen kam Saboori ins Kirchheimer Asylbewerberheim. Dort lebte bereits sein Bruder zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern. Er ist eineinhalb Jahre zuvor nach Deutschland geflohen und war bereits anerkannt.

    Weil sein Bruder eine Ausbildungsstelle am Landratsamt Unterallgäu gefunden hat, spornte es Saboori an, so schnell wie möglich einen Job zu finden. Der junge Afghane begann die neue Sprache zu lernen und bewarb sich. Doch immer schwebte ein Damoklesschwert über ihm: Er war nun volljährig. „Ich hätte eigentlich abgeschoben werden sollen, ich erhielt schon zwei Briefe.“ War also alles umsonst? Nein, denn Abdulmalek Saboori ist ein Kämpfertyp.

    Ausbildungsplatz in Mindelheim letzte Chance vor Abschiebung

    Die einzige Chance auf einen Verbleib sei ein Ausbildungsplatz gewesen, sagt er. Doch viele Bewerbungen verliefen im Sande. Welches Unternehmen plant mit einem Azubi, der möglicherweise abgeschoben wird? „Ich wendete mich an Landrat Weirather, er setzte sich für mich ein.“ Beim Mindelheimer Bauunternehmen Glass wurden die beiden fündig. Saboori fing eine dreijährige Ausbildung zum Betonfertigteilbauer an – und beendete sie kürzlich erfolgreich. „Ich habe einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten“, verkündet der Afghane stolz.

    Damit ist auch seine Asyl-Status geklärt, Saboori darf bleiben. „Ich habe viele Pläne im Kopf, möchte ein neue Wohnung, den Führerschein machen, ein Auto kaufen und irgendwann eine Familie gründen.“ Auch beruflich soll es weitergehen, der 22-Jährige will in ein paar Jahren den Meister machen.

    Neue Freiheit in Deutschland: Afghane integriert sich in Mindelheim

    Deutschland sei genau so, wie er es sich immer vorgestellt habe. „Hier ist Freiheit, hier bekommt jeder eine Chance.“ Saboori könne nicht verstehen, warum manche Flüchtlinge auf die schiefe Bahn geraten, schwarzfahren oder nicht arbeiten gehen. Ihr Fehlverhalten falle auf diejenigen zurück, die sich integrieren wollen. „Mit diesen Leuten möchte ich nichts zu tun haben.“ Saboori sagt, er könne verstehen, wenn Deutsche sich gegenüber Flüchtlingen kritisch äußern.

    Angefeindet wegen seiner Herkunft wurde Sabbori in Mindelheim nie. „Ich liebe Mindelheim, die Stadt ist zu meiner neuen Heimat geworden.“ Nur mit dem Wetter in den nass-kalten Jahreszeiten kann sich der Afghane noch nicht so recht anfreunden.

    Heimweh zu seinen Eltern hat der 22-Jährige hin und wieder. Wenn er wüsste, in Afghanistan in Sicherheit leben zu können, würde er eines Tages wieder zurück gehen. Aber viel Hoffnung hat Saboori nicht. „In Afghanistan gibt es in 100 Jahren noch Krieg“

    Lesen Sie zu diesem Thema unseren Kommentar: Fünf Jahre Merkel-Spruch: Integration ist keine Einbahnstraße

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