Deutschland lässt es zum 200. Geburtstag des Pfarrers und Heilers Sebastian Kneipp krachen. Mehr Sonderbriefmarken als Kneipp haben jetzt nur noch Adenauer und Luther, eine Gedenkmünze erscheint in Kürze und jetzt ist Kneipp auch noch als Playmobilfigur erhältlich. Bei der virtuellen Geburtstagsparty des Kneipp-Bundes gratulierten Prominente wie Fußball-Weltmeister Philipp Lahm oder Sänger Joey Kelly, der Bundestag will noch vor dem Kneipp-Geburtstag am 17. Mai die Kur wieder zur Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen machen. Es war nicht die einzige Überraschung bei der Feier im Kursaal von Bad Wörishofen.
Bühne frei für Kneipp hieß es am Sonntagnachmittag in Bad Wörishofen, wo Kneipp seine Therapie zu Weltruhm führte. In 40 Ländern der Welt wird mittlerweile regelmäßig gekneippt, berichtete Ingeborg Pongratz, die Präsidentin von Kneipp-Worldwide. Dass der Kneipp-Bund das Erbe des Pfarrers auch zum kulturellen Erbe der Menschheit machen will, verwundert deshalb nicht. Ein erster Schritt ist getan, die Kneipp–Therapie ist bereits immaterielles Unesco-Kulturerbe Deutschlands.
Die Jubiläumsveranstaltung musste coronabedingt ohne Zuschauer im Kursaal auskommen. TV-Moderator Dennis Wilms, der selbst Mitglied im Kneipp-Verein Kiel ist, führte durch den Nachmittag und begrüßte illustre Gäste. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der einen Tag vor Kneipp Geburtstag feiert, zeigte sich offen für staatliche Forschungsförderung in Sachen Kneipp. Zuvor hatte Professor Benno Brinkhaus von der Charité in Berlin berichtet, dass gerade in ihrem Zentrum, den Wasseranwendungen, Forschungsbedarf bestehe. Andere Bereiche der Kneipp-Methode seien mit Studien gut belegt, etwa die Bereiche Ernährung, Bewegung oder die Ordnungstherapie für die Psyche. Mit Hilfe des Bundes habe man nun im Jubiläumsjahr wertvolle Erkenntnisse zur Studienlage gewinnen können. Dass es gerade bei der Wassertherapie solchen Nachholbedarf gibt, habe ihn selbst gewundert, sagte Brinkhaus. „Man kann sich Wasser aber auch nicht patentieren lassen“, sagte der Professor. Der Antrieb von Unternehmen für Forschung sei deshalb wohl eher gering.
Wichtig sei die Forschung aber auf jeden Fall, auch das machte Brinkhaus klar. 60 bis 80 Prozent der Deutschen würden naturheilkundliche Verfahren in ihrem Alltag einsetzen.
Der Gesundheitsminister signalisierte Unterstützung. „Ich finde es sehr wichtig, dass es in diesem Bereich Forschung gibt“, sagte Spahn.
Die Frage von Moderator Dennis Wilms, warum Krankenkassen in Deutschland an einem einzigen Tag mehr Geld für die Behandlungen von Krankheiten ausgeben als für Vorsorgemaßnahmen in einem ganzen Jahr, relativierte der Bundesgesundheitsminister.
In den „Krankheitskosten“ sei vor allem bei chronisch Kranken bereits Vorsorge enthalten, die so genannte Sekundärprävention. Sie soll dafür sorgen, dass sich der Gesundheitszustand nicht verschlechtere. Im Bereich der Primärprävention, der klassischen Gesundheitsvorsorge, seien Bewegung und Ernährung schon länger Leitmotiv. Durch das Präventionsgesetz würden die Kassen nun auch in die Pflicht genommen, Gesundheitsförderung beispielsweise in Schulen und Kitas zu bringen. „Da sind wir wieder bei Sebastian Kneipp und seinen Ideen.“ An dessen Lebenswerk erinnern heuer eine bereits erhältliche Sonderbriefmarke, zudem eine 20-Euro-Münze in der Auflage von 850.000 Stück. Deutschlands Finanz-Staatssekretärin Bettina Hagedorn ließ die Kneippianer wissen, dass die Münze am 20. Mai erhältlich ist.
Was Gesundheitsminister Jens Spahn für die eigene Gesundheit tut
Gesundheitsminister Spahn selbst setzt beim Thema Gesundheit und Bewegung auf Spaziergänge und Wanderungen mit seinem Ehemann. Spahn nannte die Kneipp-Initiative einen „Impulsgeber“ auf dem Weg aus der Corona-Pandemie. In „zwei bis vier Wochen“ könne man im Land eine Situation haben, wo mehr, auch mehr Sport, für Getestete und Geimpfte möglich sei, sagte Spahn. Das sei aber abhängig davon, wie gut es gelinge, die dritte Corona-Welle zu brechen. „Ich bin sehr dafür, dass wir testgestützt viel öffnen, wo wir unter eine Inzidenz von 100 kommen“, sagte Spahn.
Auf Lockerungen hofft auch Bad Wörishofens Bürgermeister Stefan Welzel. „Ich hoffe, dass die Politik weise Schritte findet“, sagte Welzel. „Das Öffnen der Außengastronomie wäre ein wichtiger Schritt.“ Welzel ist Vorsitzender des Stamm-Kneipp-Vereins, des ursprünglichen Kneipp-Vereins, noch unter der Ägide Kneipps. In der zweistündigen Feier schalteten sich zahlreiche Vertreter von Kneipp-Vereinen aus ganz Deutschland zu, dazu der Kneipp-Bewegung verbundene Unternehmer und Prominente. „Ein aktiver, gesunder Lebensstil ist enorm wichtig, um ein zufriedenes Leben zu führen“, sagte dabei der Fußball-Weltmeister Philipp Lahm. Dass man die Kneipp-Therapie erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe, sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Mit einem Geschenk wartete der Allgäuer Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke auf. Der Bundestag wolle noch vor Kneipps Geburtstag am 17. Mai die Kur wieder zur Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen machen, berichtete Stracke, der gesundheitspolitische Sprecher der CSU im Bundestag. „Dafür haben wir lange gekämpft.“ Gestrichen hatte diese Pflichtleistung einst der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer.
"Kneipp hat Bad Wörishofen weltbekannt gemacht", sagt der Allgäuer Abgeordnete Stephan Stracke
„Kneipp hat Bad Wörishofen weltbekannt gemacht“, sagte Stracke. Auf seiner Lehre gründete sich mit dem Kneipp-Bund die heute größte nicht-kommerzielle Gesundheitsorganisation Deutschlands, wie der Vorsitzende Joachim K. Rudolph sagte.
Es gibt rund 500 Kneipp-Vereine, dazu rund 700 nach Kneipp zertifizierte Einrichtungen, Kitas ebenso wie Schulen oder Senioreneinrichtungen. Dass Kneipp im gesamten „Kneippland Unterallgäu“ gewirkt habe, betonte Landrat Alex Eder.
Am 2. Mai vor 166 Jahren kam der in Stephansried im Unterallgäu geborene Kneipp nach Bad Wörishofen ins Dominikanerinnenkloster – nicht ganz freiwillig, eher als eine Art Strafversetzung für den umtriebigen Heilkundigen.
„Kneipp war ein Visionär der Prävention“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der ebenfalls auf dem Podium im Kursaal saß. Holetschek war viele Jahre lang Bürgermeister von Bad Wörishofen und lange auch Vorsitzender des Kneipp-Bundes.
„Gesundheit gibt es nicht im Handel sondern nur als Lebenswandel“, gab er als Leitmotiv aus. „Das könnte man über jedes Präventionsgesetz schreiben.“
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