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Leitartikel: Letzte Bastion Karlsruhe

Leitartikel

Letzte Bastion Karlsruhe

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    Walter Roller
    Walter Roller

    In der deutschen Politik hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort. Jede Regierung beugt sich einem Urteil des obersten Gerichts, das zu den Verfassungsorganen zählt und als Hüter des Grundgesetzes fungiert. Fällt ein Gesetz in Karlsruhe durch, muss es nach Maßgabe der Richter verändert werden. Und wer immer Anstoß nimmt an einem Gesetz, kann

    Die rund 37000 Bürgerinnen und Bürger, über deren Verfassungsbeschwerden diese Woche öffentlich verhandelt wurde, betrachten das Verfassungsgericht nicht nur als letzte Instanz, sondern als letzte Bastion ihres Widerstands gegen die Euro-Rettungspolitik. Die Richter sollen der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Arm fallen und verhindern, dass der Ankauf von Staatsanleihen überschuldeter Länder Methode wird und die Haftungsrisiken, die damit für den deutschen Steuerzahler verbunden sind, ins Uferlose steigen.

    Karlsruhe ist, da die Regierungen der Euro-Zone (auch die deutsche!) die Dienste der EZB sehr schätzen, die letzte Hoffnung all jener, die den Rettungskurs für ein gefährliches, letztlich in die Inflation führendes Abenteuer halten. Das Problem ist nur, dass der Arm des Verfassungsgerichts in diesem europäischen Streitfall nicht weit genug reicht, um die Zentralbank an die Kandare zu nehmen.

    Die EZB ist unabhängig (übrigens auf deutschen Wunsch!) und unterliegt nur EU-Recht. Karlsruhe kann ihr also nichts vorschreiben. Schon deshalb ist die Hoffnung der Kläger, eine „historische Entscheidung“ gegen den drohenden Abmarsch in eine Schuldenunion zu erzwingen, unrealistisch. Wenn überhaupt, so verfügte der Europäische Gerichtshof über die nötige Kompetenz. Nur: Wenn der Fall dort landet, dann bekommt die EZB einen Freifahrtschein. Die Straßburger Richter halten es mit der von den meisten europäischen Staaten vertretenen Meinung, wonach Gelddrucken im Notfall ein probates Mittel der Krisenbewältigung ist.

    Tatsächlich spricht vieles dafür, dass die Währungsunion ohne die massive Interventionspolitik der EZB und die Ankündigung des Präsidenten Draghi, zur Rettung des Euro „alles“ zu tun, schon auseinandergefallen wäre. Die Rettungsschirme allein hätten nicht gereicht, um den Bankrott von Staaten abzuwenden und Zeit fürs Sparen und Reformieren zu kaufen. Der Haken daran ist, dass die auf Geldwertstabilität verpflichtete Zentralbank nun ungeniert Staatsfinanzierung betreibt und damit gegen Verträge verstößt. Das Anwerfen der Druckerpresse bürdet dem solventen Deutschland astronomisch hohe Verpflichtungen auf, ohne dass irgendeine demokratische Kontrolle stattfände.

    Deutschland haftet für riesige Beträge, und sein Parlament hat keinerlei Mitspracherecht. Genau darin liegt der Hebel, den das Gericht ansetzen könnte. Es hat nicht über Sinn oder Unsinn der Maßnahmen zu befinden. Aber es kann zumindest versuchen, das Ausmaß der EZB-Aktionen zu begrenzen. Das liefe dann auf eine Verpflichtung für Bundesregierung und Bundesbank hinaus, eine Beteiligung an das Limit überschreitenden Programmen zu verweigern.

    Mit einer solchen „Ja, aber“-Entscheidung bliebe das Gericht seiner Linie treu, europapolitische Richtungsentscheidungen durchzuwinken und zugleich darauf zu achten, dass die Demokratie und die Rechte des Parlaments nicht völlig unter die Räder kommen. Mehr ist von Karlsruhe nicht zu erwarten. Die Rettung des Euro zu für Deutschland und seine Steuerzahler akzeptablen Bedingungen: Darum muss sich schon die Politik kümmern, das kann ihr das in diesem Fall gar nicht so mächtige Verfassungsgericht nicht abnehmen.

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