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Porträt: Manuela Schwesig: Die Düpierte

Porträt

Manuela Schwesig: Die Düpierte

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    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will die 32-Stunden-Woche für Eltern aus Steuern finanzierenn.
    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will die 32-Stunden-Woche für Eltern aus Steuern finanzierenn. Foto: Kay Nietfeld (dpa)

    Für eine Politikerin hat Manuela Schwesig eine ungewöhnliche berufliche Vergangenheit: Sie war Finanzbeamtin. 16 Jahre lang übte die aus Frankfurt (Oder) stammende Diplom-Finanzwirtin (FH) diesen Beruf aus. Das prägt. Der Politikerin aus den neuen Bundesländern geht es vor allem und fast immer um die Sache. Manche nennen sie humorlos.

    88 Prozent der Stimmen waren ihr auf Anhieb sicher

    Aber sie kann auch überzeugen. Sonst wäre sie nicht mit 34 Jahren Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern geworden, nachdem sie sich zuvor nur in der Kommunalpolitik engagiert hatte. Und ein Jahr später stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Das war 2009. Auf dem Parteitag in Dresden wollte der neue Vorsitzende Sigmar Gabriel die zuvor mit 23 Prozent abgewatschte Traditionspartei auch personell neu aufstellen.

    Eine seiner Überraschungen war die junge blonde Ostdeutsche Manuela Schwesig. Sie stellte sich in ihrer sachlichen, unprätentiösen Art kurz und bündig den Delegierten vor – und kam damit sympathisch rüber. Die Newcomerin erhielt auf Anhieb 88 Prozent der Stimmen.

    Ist sie die Antwort der SPD auf von der Leyen?

    Sie fand schnell ihr Arbeitsgebiet: „Das Thema, für das ich stehe, ist die Familie – mit all ihren Facetten“, stellte die verheiratete Mutter eines Sohnes fest. Rasch galt sie als „Antwort der SPD auf Ursula von der Leyen“. Die 16 Jahre ältere CDU-Politikerin hatte in der ersten Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel das Bundesfamilienministerium geführt und mit der Einführung des Elterngeldes und dem Ausbau der Kinderbetreuung große Spuren hinterlassen.

    Jetzt hat es die Jüngere mit nur 39 Jahren geschafft, in diese Fußstapfen zu treten. Manuela Schwesig hat die Erwartungen ihrer Partei so gut erfüllt, dass an ihr als neuer Bundesfamilienministerin in der zweiten Großen Koalition unter Merkel kein Weg vorbeiführte.

    Schwesig geht es immer um die Sache

    Dass dieser Weg nicht einfach wird, hat sie jetzt aber schnell feststellen müssen. Einmal raus aus ihrer zurückhaltenden, sachlichen Art, einmal über Visionen geplaudert – und schon im Fettnäpfchen gelandet. Für ihren Vorschlag, eine 32-Stunden-Woche für junge Eltern einzuführen und den Verdienstausfall teilweise aus der Staatskasse zu erstatten, musste sie sich vom Regierungssprecher regelrecht düpieren lassen. Das sei nur ein „persönlicher Debattenbeitrag“ der Ministerin, kanzelte sie Merkels Sprachrohr Steffen Seibert ab.

    Die SPD-Minister in der neuen großen Koalition

    WIRTSCHAFTS- UND ENERGIEMINISTERIUM, VIZEKANZLER: SIGMAR GABRIEL: 2009 wurde er jüngster Parteichef seit Willy Brandt. Der gelernte Lehrer war zudem mit 40 Jahren in Niedersachsen jüngster deutscher Ministerpräsident (1999-2003). Von 2005 bis 2009 erwarb er sich als Bundesumweltminister Ansehen und Expertise im Bereich erneuerbare Energien. Ein politisches Naturtalent und begabter Redner, der aber auch als launisch gilt. Kommt aus sogenannten schwierigen Verhältnissen, das hat ihn tief geprägt. Der Vater war überzeugter Nazi, Gabriel musste gegen seinen Willen nach der Trennung der Eltern zeitweise beim Vater leben. Lebt mit seiner zweiten Frau, einen Zahnärztin, und seiner kleinen Tochter in Goslar.

    AUSSENMINISTERIUM: FRANK-WALTER STEINMEIER: Kanzleramtschef zu rot-grünen Zeiten, strickte für Gerhard Schröder an der «Agenda 2010» mit. Dann wurde der Jurist geachteter Außenminister (2005 bis 2009). Er ist stets exzellent vorbereitet, bürgernah, humorvoll. Seitdem der Westfale und Schalke-04-Fan in Brandenburg seinen Wahlkreis hat, ist die Region seine zweite Heimat geworden. Bei der Bundestagswahl gewann er das einzige Direktmandat der SPD im Osten. Steinmeier ist verheiratet mit einer Verwaltungsrichterin, der er eine Niere spendete, beide haben eine Tochter.

    JUSTIZMINISTERIUM: HEIKO MAASS: Der ehemalige Zögling des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine ist die größte Überraschung bei der Neuverteilung der Posten auf SPD-Seite. Bislang war der Marathonläufer und Triathlet in der Landespolitik aktiv - seit anderthalb Jahren auch mit Erfahrung in einer großen Koalition. Seit Mai 2012 ist er Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister. Zuvor war er an der Saar schon einmal Umweltminister - damals als jüngster Minister Deutschlands überhaupt. Für sein neues Amt kann Maaß ein abgeschlossenes Jurastudium vorweisen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    UMWELTMINISTERIUM: BARBARA HENDRICKS: Wacht seit 2007 über die Finanzen der Sozialdemokraten, oft unterschätzt. Sie sitzt seit 1994 im Bundestag und war Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium von 1998 bis 2007. Mit 20 Jahren in die SPD eingetreten, studierte Hendricks Geschichte und Sozialwissenschaften, mit Staatsexamen für das Lehramt. Sie liebt ihre Heimat, den Niederrhein, promovierte über «Die Entwicklung der Margarine-Industrie am unteren Niederrhein». Hendricks würde die NRW-SPD im Kabinett vertreten.

    ARBEITS- UND SOZIALMINISTERIUM: ANDREA NAHLES: Die Literaturwissenschaftlerin ist seit 2009 Generalsekretärin. Sie hat erst den Wahlkampf organisiert, dann die Koalitionsverhandlungen, schließlich den Mitgliederentscheid über die große Koalition. Zeit für ihre kleine Tochter Ella Maria und ihren Mann daheim auf einem Hof in der Eifel hat sie zurzeit wenig. «Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zufrieden», sagte sie nach ihrer Elternzeit. Die frühere Juso-Chefin zählt längst nicht mehr zu den Parteilinken. Intern ist sie nicht unumstritten, wurde zuletzt mit schlechtem Ergebnis wiedergewählt. Hat vehement für den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gekämpft.

    FAMILIENMINISTERIUM: MANUELA SCHWESIG: Sie ist das «Gesicht» der ostdeutschen SPD mit einer Blitzkarriere seit ihrem Parteieintritt 2003. Die gebürtige Brandenburgerin studierte Steuerrecht und folgte ihrem Mann, mit dem sie einen Sohn hat, nach Schwerin. 2002 bis 2008 arbeitete sie dort im Finanzministerium. 2008 übertrug Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) der damals 34-Jährigen Diplom-Finanzwirtin das Sozialressort. Seit 2009 ist sie auch SPD-Vize. Als Ministerin könnte Schwesig auch für das von der SPD heftig bekämpfte Betreuungsgeld zuständig sein.

    Manuela Schwesig wird das wegstecken. Schließlich geht es ihr um die Sache. Um die Familie, in all ihren Facetten. Zudem bietet ihr Job durchaus Karrierechancen, wie man an Ursula von der Leyen sieht. Winfried Züfle

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