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Leitartikel: Der griechische Patient

Leitartikel

Der griechische Patient

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Griechenland ist wieder mal gerettet, der drohende Staatsbankrott abgewendet. Die Euro-Retter erhöhen die Dosis, weil ihre Therapie bisher nicht angeschlagen und das Befinden des Patienten sich seit dem Ausbruch der Schuldenkrise im Mai 2010 sogar weiter verschlechtert hat.

    Im ersten sogenannten „Rettungspaket“ steckten 110 Milliarden Euro. Jetzt sind es 130 Milliarden Euro. Ohne das frische Geld aus der Notenpresse der Europäischen Zentralbank (EZB) müssten die Griechen Ende März, wenn 15 Milliarden an Zins- und Tilgungsverpflichtungen fällig werden, offiziell Konkurs anmelden. Und weil das alles nicht annähernd reicht, gibt’s diesmal noch einen Teil- Schuldenerlass durch die privaten Gläubiger oben- drauf. Der gigantische Schuldenberg schmilzt so um mehr als 100 Milliarden. Auch diese komplizierte Operation wird für die Steuerzahler der Geberländer teuer, weil die Banken, Versicherungen und Finanzfonds ihre Verluste abschreiben und einen beträchtlichen Teil der einst eingegangenen Risiken nach sattsam bekanntem Muster auf die Staaten abwälzen.

    Euro-Krise: Diese Finanzbegriffe sollten Sie kennen

    Staatsanleihen: Sie sind für Staaten die wichtigsten Instrumente, um ihre Finanzierung langfristig sicherzustellen. Der ausgebende Staat sichert in der Regel die Rückzahlung der Summe plus einen festen Zinssatz zu einem festgelegten Zeitpunkt zu. Die Laufzeiten liegen bei bis zu 30 Jahren.

    Auktion: Dies ist der bevorzugte Weg für Staaten, um ihre Schuldpapiere zu verkaufen. Einige Tage vor dem Verkauf werden Summe und Laufzeiten der Anleihen bekannt gemacht. An einem festgelegten Tag können dazu berechtigte Investoren ihre Gebote abgeben. Die Bieter mit den günstigsten Geboten erhalten den Zuschlag. In der Euro-Krise haben einige Staaten, darunter auch Deutschland, bei Auktionen auch schon nicht genug Käufer gefunden. Andere Staaten mussten höhere Zinsen als geplant bieten, um ihre Papiere loszuwerden.

    Primär- und Sekundärmarkt: Die Neuausgabe von Staatsanleihen wird als Primärmarkt bezeichnet. Danach werden sie wie gewöhnliche Wertpapiere weitergehandelt, am sogenannten Sekundärmarkt. Er funktioniert wie ein Gebrauchtwarenmarkt - bereits ausgegebene Staatsanleihen werden während ihrer Laufzeit weiterverkauft. Dabei können sie im Laufe der Zeit an Wert zunehmen oder verlieren. Ein Verkauf vor Ablauf der Laufzeit kann also Gewinn bringen - oder Verlust.

    Zins: Dies ist die Summe, die ein Schuldner - bei Staatsanleihen also der Staat - pro Jahr zusätzlich zahlen muss, damit er für eine bestimmte Zeit Geld geliehen bekommt. Bei den Staatspapieren haben die Zinsen für kriselnde Länder wie Italien in den vergangenen Wochen ständig neue Höchstwerte erreicht. Bei einer Neuausgabe zehnjähriger Staatsanleihen musste das Land zuletzt mehr als sieben Prozent Zinsen bieten - schon sechs Prozent Zinsen gelten als kritischer Wert, ab dem Länder wie Irland oder Griechenland um internationale Hilfe bitten mussten.

    Rating: Rating ist das englische Wort für Bewertung. Es wird für die Noten benutzt, die Prüfunternehmen - die Ratingagenturen - vergeben, um die Kreditwürdigkeit von Staaten zu beurteilen. Verschlechtern diese Unternehmen etwa wegen hoher Schulden die Note eines Landes, ist von einer Herabstufung die Rede. Das betroffene Land muss dann höhere Zinsen zahlen, um sich Geld zu leihen.

    Rendite: Damit wird im Prinzip der tatsächliche Gewinn bezeichnet, den ein Käufer von Schuldpapieren am Ende eines Jahres macht. Depotgebühren werden dabei eingerechnet genauso wie Kursgewinne oder -verluste. Die Rendite liegt derzeit in der Regel höher als der Zinssatz, der bei der Erstausgabe für die Staatsanleihen festgelegt wurde. Denn aufgrund der krisenhaften Entwicklung verlangen die Investoren am Sekundärmarkt Risikoaufschläge, wenn sie Staatspapiere kaufen. Unterm Strich zahlen sie damit für eine Anleihe also einfach weniger - und machen am Ende einen größeren Gewinn. An der aktuellen Rendite orientiert sich der künftige Zinssatz, der für neue Staatsschuldtitel bezahlt werden muss.

    Spread: Damit wird der Unterschied am Markt bei der Rendite von zwei Staatsanleihen angegeben. Dieser Wert, der in Basispunkten oder Prozentpunkten angegeben wird, ist umso höher, je größer das Risiko eines Zahlungsausfalls eines Landes ist. In der Euro-Krise sind die zehnjährigen Staatsanleihen Deutschlands ein Referenzwert, weil diese als besonders sicher gelten: Wenn also der «Spread» für Frankreich auf zwei Prozentpunkte steigt, dann bedeutet dies, dass das Land einen um diesen Wert höheren Zinssatz als Deutschland bei einer Neuausgabe von Schuldpapieren zahlen muss.

    Die Rettungsaktion für Hellas ist eben, wie sich immer wieder zeigt, auch und vor allem eine

    Es war ein Fehler, eine Rettungsaktion nach der anderen zu starten und Plan B – das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone – nicht wenigstens ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Man hat immer wieder Zeit gekauft und zu lange darüber hinweggesehen, dass Griechenland in einer „Todesspirale aus Sparexzessen, Reformunfähigkeit und inkompetenter Verwaltung“ (Ifo-Chef Prof. Sinn) steckt und die diversen Reformpakete aus Luftbuchungen bestanden. Es ist richtig, den Griechen harte Bedingungen für die Hilfe aufzuerlegen, die Haushaltskontrolle zu verschärfen und die Gelder künftig nur auszuzahlen, wenn die Reformversprechen eingehalten werden. Und warum sollte Europa auf Dauer ein Land alimentieren, das sich nicht um eine funktionierende Verwaltung bemüht und von seiner reichen Oberschicht keine Steuern eintreibt?

    Die Frage ist nur, ob Griechenland überhaupt in der Lage ist, die Anforderungen zu erfüllen und unter Euro-Bedingungen die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen. Mit Sparen allein, das ja insbesondere den kleinen Mann trifft, ist kein Wachstum zu erzielen. In der rauen Welt des Euro, die keine auf die Probleme eines Landes zugeschnittene Wechselkurskorrektur kennt, kommt Griechenland womöglich nicht mehr auf die Beine. Es braucht und verdient die Solidarität Europas bei dem Versuch, die Wirtschaft in Gang zu bringen. Das wird teuer, so oder so. Doch es ist höchste Zeit, die Rettung nach Plan B ins Auge zu fassen.

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