Es ist ein schöner Moment, ein druckfrisches Buch in der Hand zu halten, weil es für die Lesenden etwas Neues ist, für den Autor jedoch das Ende eines intensiven Lebensabschnitts. Der Scheuringer Ortschronist Josef Neumair hat nun seine 488 Seiten umfassende neue Chronik herausgebracht, an der er drei Jahre gearbeitet hat. „Da verspürte ich doch eine gewisse innere Leere, als das Buch zum Druck nach St. Ottilien ging“, so beschreibt er seine Gefühle. Mit unserer Redaktion spricht er über den Inhalt, die aufwendige Recherche und interessante Funde.
Neumairs Werk trägt den Namen „Scheuring – Gemeinde und Vereine“. Es beinhaltet die Geschichte von Scheurings Anfängen bis in die Gegenwart. Schriftstellerische Erfahrung hatte der Autor bereits, mit seiner 1995 herausgegebenen „Scheuringer Schulgeschichte“. 1997 erschien ein zweites umfassendes Heimatbuch von Franz Haas: „Scheuringer Häuser und Höfe“. Doch dem Chronisten ging noch vieles durch den Kopf, was an Berichtenswertem fehlte. Also entschloss er sich 26 Jahre nach Erscheinen seines ersten Buchs, ein weiteres über seine geliebte Heimatgemeinde in Angriff zu nehmen. Drei Jahre ehrenamtliche Arbeit, die ihm, wie er betont, stets eine Freude gewesen sei, stecken in dem Buch, für das er auch das Layout gestaltete, das ihm oft mehr zu schaffen gemacht habe , als der Inhalt. Herausgeber ist die Gemeinde Scheuring.
Material hätte für zwei Bücher über Scheuring gereicht
„Meine Materialsammlungen wurden immer umfangreicher, der Stoff hätte für zwei Bücher gereicht“, so Neumair. Der erste Teil, „Gemeinde Scheuring“, beschäftigt sich in 21 Kapiteln mit der wechselvollen Geschichte des Ortes, wobei sich der Autor im Bemühen um eine möglichst übersichtliche Darstellungsform an keine chronologische Aufarbeitung der Historie hielt, sondern eine nach Sachgebieten gegliederte Variante wählte. Der zweite Teil, „Vereine, Gruppen und Organisationen“, widmet sich sowohl den aktuellen als auch den ehemaligen. Ausführlich beschrieben wird der FC Scheuring mit seiner 100-jährigen Geschichte, dessen Abteilungen circa 800 Mitglieder angehören.
Nachdem er alle Dokumente zusammen hatte, erstellte Josef Neumair eine Gliederung, die er des Öfteren änderte. Manchmal ging es nur langsam voran. „Um den Namen eines früheren Theaterspielers herauszufinden, fuhr ich oft tagelang mit dem Fahrrad durch Scheuring“ erzählt Neumair. Mehr als 100 vor allem ältere Bürger habe er um Informationen gebeten. Dankenswerterweise seien auch die Vereine zur Mithilfe bereit gewesen. Von Vorteil sei gewesen, dass er als langjähriger Zweiter Bürgermeister fast alle Jahresversammlungen besucht habe, so Neumair.
Umfassende Sammlung über Scheuringer Vereinsleben
In beiden Buchteilen werden die geschichtlichen Fakten durch kleine Anekdoten über Feste und Unternehmungen wie den ersten Vereinsausflug des Scheuringer Stopselclub ergänzt. Frühere Blas- und Tanzkapellen hat der Autor aufgespürt, Gespräche mit Zeitzeugen geführt, vergangene Berufsbilder wie das Störnähen, Nacht- und Kirchenwächter beschrieben, ambitionierte Schüleraufsätze ausgewählt, alte Ansichtskarten und Sterbebilder gesammelt und alles mit zahlreichen Fotos illustriert, die zum großen Teil aus seinem Fundus sowie von Karin Schüßler stammen.
Bürgermeister, Pfarrer sowie Persönlichkeiten, die im Ort etwas bewegten, sind genannt. Die Kirchengeschichte wird ebenso ausführlich behandelt wie viele baulichen Veränderungen und 130 besondere Ereignisse nach 1945 sind aufgelistet. Im Kapitel „Scheuring in den Weltkriegen“ greift Chronist Josef Neumair auf interessante Tagebuchaufzeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg von Anton Reiser, der von 1912 bis 1937 als Pfarrer in Scheuring tätig war, zurück. Aus dem Zweiten Weltkrieg standen ihm die gebundenen Kriegserlebnisse eines Scheuringers zur Verfügung. Im Mai 1946 musste Scheuring, das damals 703 Einwohner zählte, 441 Vertriebene, die meist aus dem Sudetenland stammten, aufnehmen. Für die Einheimischen bedeutete dies, Wohnraum, Waschgelegenheit und Küche zu teilen, was für beide Seiten nicht immer einfach, aber doch zu schaffen war.
Geschichte beginnt weit vor der Römerzeit
Das Buch beginnt mit der historisch bedeutsamen Vergangenheit der Ortsteile Lichtenberg und Haltenberg, die bis weit vor die Römerzeit zurückreicht. Seit dem späten Mittelalter gehörte die Veste Lichtenberg im äußersten Westen des damaligen Bayern zum Besitzstand der bayerischen Herzöge. Neumair entdeckte im Hauptstaatsarchiv in München ein Bild vom alten Schloss Lichtenberg, das um das Jahr 1600 entstanden ist und das er auf CD kaufen konnte. Kurfürst Max Emanuel (1679-1726) ließ das im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Gebäude zu einem Prunkschloss mit über 300 Fenstern, vielen Nebengebäuden, Spielhäusern, einer Kegelbahn, Schießhütten, einer Gemäldegalerie und einer prächtigen Gartenanlage von seinen Hofbaumeistern Viscardi und später Zucalli wieder aufbauen.
Der Fortgang der Geschichte ist in der Neuerscheinung nachzulesen, deren Umschlag von Michaela Filgertshofer gestaltet wurde. Verkauft wird das Werk in Scheuring in Mayr’s Dorfladen, der Raiffeisenbank und dem Rathaus. In Prittriching gibt es das Buch im Rathaus und im Edeka-Markt. Auch die Buchhandlung Platzbecker in Mering, Schreibwaren Lie-Rie in Klosterlechfeld (ab Januar 2022) und Buch & Bürobedarf Hansa in Landsberg verkaufen die Chronik. Auch bei Josef Neumair, Poststraße 20 in Scheuring, ist das Buch, das in einer Auflage von 800 Stück gedruckt wurde, für 20 Euro zu erwerben.
Josef Neumair ist 18 Jahre Zweiter Bürgermeister in Scheuring
Josef Neumair ist 1953 in Scheuring geboren, besuchte das Gymnasium in Landsberg und war als Studienrat fast 40 Jahre an der Grund- und Hauptschule Merching tätig. Seit einigen Jahren studiert er an der LMU München deutsche und bayerische Geschichte. 30 Jahre war er Mitglied des Gemeinderats, davon 18 Jahre als Zweiter Bürgermeister. Er engagierte sich zudem in vielen Vereinen seiner Heimatgemeinde. 2021 wurde er von der Gemeinde Scheuring mit der Bürgermedaille in Gold ausgezeichnet.