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Landkreis Landsberg: Sagen im Kreis Landsberg: Wenn das Wilde Gjäg auszieht

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Sagen im Kreis Landsberg: Wenn das Wilde Gjäg auszieht

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    Auf dieser Ebene zwischen Lengenfeld und Stoffen soll das Wilde Gjäg am wütendsten und längsten sein Unwesen getrieben haben. Das schreibt Karl Freiherr von Leoprechting in seiner Sagensammlung „Aus dem Lechrain“.
    Auf dieser Ebene zwischen Lengenfeld und Stoffen soll das Wilde Gjäg am wütendsten und längsten sein Unwesen getrieben haben. Das schreibt Karl Freiherr von Leoprechting in seiner Sagensammlung „Aus dem Lechrain“. Foto: Christian Rudnik

    In den „Rauhnächten“ zwischen Weihnachten und Dreikönig sollen es die Unholde in Landsberg und Umgebung früher besonders wild getrieben haben. Bis in die 1950er-Jahre hielt sich am Lechrain die Angst vor unliebsamen Geistern. Der 2020 verstorbene Stadtheimatpfleger Anton Lichtenstern erinnerte sich noch an die Erzählungen des Wirts von Pitzling, Leonhard Leitensdorfer, über dessen Erlebnisse während dieser Zeit.

    „Das wilde Gejäg fährt in der Adventzeit alle Nacht aus, sonderlich aber in den zwölf Nächten vom heiligen Weihnachtsabend bis heilig drei König, inner deren Zeit wüthet es am ärgsten.“ (Karl Freiherr von Leoprechting „Aus dem Lechrain“)

    Ganz bleich und ängstlich sei der Wirt geworden, wenn er von seiner Begegnung mit dem Wilden Gjäg berichtete. Oberhalb vom Pitzlinger Schloss habe ihn das Wilde Gjäg, also die wilden Jäger, heimgesucht. Nur mit einem Sprung in ein Gebüsch habe er sich retten können. Lichtenstern war überzeugt, dass Leitensdorfer sein Erlebnis glaubte. Und Leitensdorfer war nicht der Einzige, der auf der Ebene zwischen Pitzling und Stoffen dem Wilden Gjäg begegnet war.

    Wo das Wilde Gjäg verweilen soll

    Bereits 1855 schreibt Karl Freiherr von Leoprechting in seinem Buch „Aus dem Lechrain“ über das Wilde Gjäg. An sonderbaren Orten soll es verweilen – in verwunschenen Hölzern, dem Teufel verschriebenen Gräben und Schluchten, Wegscheiden, die kreuzweis gehen, weit gedehnten einsamen Moosen und Filzen. „In solchen Nächten, wo das wilde Gjäg auszieht, werden auch alle Geister, so in Hunde verwandelt worden, und deren es eine bedeutende Anzahl gibt, wach, und laufen auf den ihnen begränzten Orten wild hin und her...“

    Über die Ebene zwischen Lengenfeld und Stoffen ziehe das Wilde Gjäg am wütendsten und längsten. „Darüber ging vor geraumer Zeit ein Mann aus Hofstetten, es dunkelte bereits, da vernahm er aus der Weite ein Heulen und Sausen, als wollte sich ein furchtbarer Sturm erheben“, ist bei Leoprechting zu lesen. Das Wilde Gjäg, das „aus den Lüften daher“ kam, „hob ihn leicht auf ob der Erden und riß ihn im Zuge dahin.“ Sechs Wochen lang soll der Mann verschwunden gewesen sein, ehe er zurück kam. „Es schwindelte ihm allweg,...er verhält sich aber stets geruhig und still, hat zu nichts mehr weder Freud noch Leid...“

    Der 2020 verstorbene Anton Lichtenstern hat sich mit den Sagen am Lechrain beschäftigt.
    Der 2020 verstorbene Anton Lichtenstern hat sich mit den Sagen am Lechrain beschäftigt. Foto: Julian Leitenstorfer (Archivfoto)

    Die Vorstellung vom Totenheer, das durch die Luft zieht, ist uralt. So wird in der Antike berichtet, dass über dem Schlachtfeld von Marathon in der Nacht wiehernde Pferde und kämpfende Männer zu hören sind. Wer sie wahrnimmt, dem drohe ebenso Gefahr wie dem Wanderer auf der Ebene zwischen Lengenfeld und Stoffen. Auch in der germanischen Heldensage kämpfen die Geister gefallener Krieger über der Erde weiter, schrieb Anton Lichtenstern in den Landsberger Geschichtsblättern. Möglicherweise hat auch auf der Ebene bei Stoffen eine Schlacht stattgefunden. Laut Lichtenstern im Jahre 743 zwischen dem bayerischen Herzog Odilo und den Franken.

    Ein uraltes heidnisches Ritual?

    Die Sagen und auch die Erzählung des Wirts von Pitzling scheinen also uralte, religiös bestimmte Vorstellungen zu enthalten. Bei der Deutung der Sagen gilt es mit Vorsicht vorzugehen. Zu oft werden alte heidnische und vorchristliche Bräuche herangezogen, was zu vielen Verfälschungen und Fehlinterpretationen führte. Auch die Rauhnächte werden an vielen Stellen als uraltes heidnisches Ritual bezeichnet. Anton Lichtenstern sah in seinem Beitrag in den Geschichtsblättern dagegen deutliche Parallelen zu christlichen Bräuchen: „Vielfach handelt es sich um Umdeutungen des christlichen Teufelsglaubens.“

    Im Kapitel über das Bauernjahr berichtete Leoprechting in seinem Buch „Aus dem Lechrain“ vor allem von vier Rauhnächten: die Thomas-Nacht (21. Dezember), die längste Nacht des Jahres, Weihnachten, Neujahr und Dreikönig. Die Rauhnacht beginnt demnach jeweils am Vorabend. Die erste und die letzte Nacht seien die Haupt-Rauhnächte, in denen nach dem Abendläuten Haus und Stall tüchtig ausgeräuchert werden sollen. Altem Volksglauben nach sind die Rauhnächte auch für das Durchführen von Orakeln sehr geeignet. Heute wird dieser „Glaube“ an Silvester – wenngleich in erster Linie aus Geselligkeit – in Form des Bleigießens weiter gepflegt.

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