Um eine erste hitzige Diskussion gleich abzuwenden: Ja, es heißt der Chili und nicht das Chili. Dafür aber das Chili con carne oder auch sin carne, und nicht der. Wie viel Chili sprich, Schärfe ins Chili kommt, auch darüber lässt sich prima streiten, debattieren oder im Härtefall auch einfach mal die Nahrungsaufnahme verweigern. Unbestritten ist aber: Chili ist ein heißer Trend, ob gehackt, kandiert, als Pulver oder in Öl eingelegt, auf der Schokolade oder in der Soße.
Für Alexander Hicks aus Göppingen sind Chilis sein Lebensinhalt. „Chilis haben hunderte von verschiedenen Aromen und rund dreißig verschiedene Schärfestoffe“, sagt er. Gerade wegen dieser Vielseitigkeit sei er vom Teller nicht mehr wegzudenken. „Für jeden gibt es den passenden Chili, genauso wie für jedes Gericht“, sagt der gebürtige Texaner, der mit Anfang 20 den Schritt in den Chilianbau gewagt hat. Los ging es mit 13 Chilisorten. Mittlerweile wachsen auf seiner Bio-Plantage rund 2000 Sorten Chilis. Von kleinen Sträuchern bis hin zu meterhohen Bäumen reihen sich die Gewächse aneinander. Bei seinen Verkostungen bietet Hicks zuckersüße und gleichzeitig beißend scharfe kandierte Chilis an oder fruchtigen Chilifruchtaufstrich.
Cayenne-Pfeffer, Habaneros, Jalapenos, alles schon mal gehört, manches schon als Salsadip zu Nachos oder in einer mit Käse gefüllten Tortillavariante, der Quesadilla probiert. Auch die indische Küche kommt kaum um die Anwendung von Chilis herum, darunter die sehr scharfe Bhut Jolokia, die in Öl eingelegt und als Chutney verarbeitet wird. Bei der Verwendung ist große Vorsicht geboten. Nicht umsonst galt dieser Chili lange Zeit, als der schärfste der Welt. Hicks sagt dazu: „Ich halte nichts von diesem Trend nach immer noch schärferen Chilis.“ Statt auf atemraubende Rachenkiller setzt Genießer Hicks auf würzige Aromen.
Die reichen von erdigem Aroma wie bei dem Piment d‘espelette aus Frankreich bis hin zu fruchtig scharfen Rocotos aus Peru. „Ich habe neulich ein Chili probiert, die schmeckte nach Lukuma“, sagt Hicks. Diese aromatische goldgelbe Frucht ähnelt im Geschmack einer karamellisierten Mango. Klingt exotisch, ist es auch. Peruaner essen die fruchtig scharfen Rocotos am liebsten gefüllt mit Hackfleisch, Erdnüssen, Oliven und Rosinen veredelt. Da prallen auf dem Gaumen Geschmackswelten aufeinander: süß, salzig und scharf. „Das ist ein absoluter Hochgenuss“ schwärmt Hicks. Allerdings gilt Rocoto als „Gringo Killer“ wegen ihrer Schärfe, dabei ist sie offiziell nicht der schärfste Chili von allen.
Schärfe ist relativ und jeder kann sich daran gewöhnen wie an Kälte
Als schärfstes Früchtchen gilt aktuell die Carolina Reaper aus Nordamerika, mit weit über einer Million Scoville Heat Units. Der Einheit, in der Schärfe angegeben wird. Aber Vorsicht: Vor wenigen Jahren ist ein junger Mann bei einem Chiliwettessen in den USA verstorben. Eine absolute Seltenheit, denn normalerweise gilt: Wer oft scharf isst, gewöhnt sich langsam daran, weiß Hicks. In den meisten Chilis ist der dominante scharfe Stoff Capsaicin, aber nicht in allen. Genau das macht den Genuss von Rocotos für manch ausprobierfreudigen Esser weit schärfer. So scharf, bis es einem die Tränen in die Augen treibt, die Nase läuft und Mund und Magen gut durchgewärmt sind. Denn der Körper spürt Schärfe als wohltuende Wärme, bisweilen als atemraubende Hitze bis hin zum Schweißausbruch. Dass es manchmal nur noch brennt, kennt Chiliexperte Hicks sogar nach vielen Jahren noch.
Bei der Aussaat der Chilis auf dem Feld benutzt er zwar Handschuhe, aber so mancher Samen bahnt sich trotzdem seinen Weg durch die Kleidung und sorgt für intensiv brennende Haut. Am Anfang war in einem solchen Zustand an Schlafen kaum mehr zu denken. Hicks rät jedem, der Chilis schneidet, zur Vorsichtsmaßnahmen wie Handschuhen, um solch unangenehme Erlebnisse zu vermeiden. Er verrät, warum er trotzdem nicht die Finger von Chilis lassen kann:
Nach dem Schmerz kommt das Glück. Wer genug geschnieft und geweint hat, bekommt schlagartig gute Laune. Glückshormone überschwemmen den Körper und sorgen für gute Laune. Scharf gewürzte Gerichte garantieren eine lustige Tafelrunde. Und wer es gar nicht mehr vor Schmerzen aushält: Bloß kein Wasser trinken, das verteilt die Schärfe noch mehr im Mund. Gegen entflammte Rachen hilft ein Joghurt oder eine Milch viel besser. Hicks Tipp: Mascarpone mit Weißbrot. Aber was hat das Chili außer Hochgefühlen noch zu bieten?
Chiliexperte Hicks schwört auf Kidneybohnen in Rinderfett frittiert und mit Rocotomarmelade karamellisiert. Eine knackige Alternative zu gebrannten Mandeln. Der Vorteil, die gezuckerten Bohnen sind nicht so hart zu zerbeißen wie Nüsse oder Kerne und zerschmelzen auf der Zunge zu einer Kombination aus fruchtiger Süße mit einem Spritzer ins Scharfe.
Chili Fruchtaufstrich überzeugt auch bei deftigen Gerichten. Wenn Pulled Pork auf dem Grill röstet, zieht schon nach kurzer Zeit der typische, rauchige Geruch in die Nase. Kurz bevor das Fleisch durchgegart ist, ist genau der passende Moment, um Chiliaufstrich auf das Fleisch zu streichen. Zurück auf dem Rost gewinnt das Grillfleisch eine einzigartige Note aus Räucheraromen mit einer karamellisierten Note dazu. Garniert mit einem Hauch von Schärfe. Auch zu Käse-Häppchen gereicht schmeckt Chilisalsa hervorragend. Besonders französische Edelschimmelvarianten wie Brie und Camembert schmecken vorzüglich mit Chilidip. Der weiche, fast weiße Käse in das rote Chili-Gelee getunkt, besticht nicht nur das Auge, sondern auch den Magen.
Chili, überall auf der Welt essen sie Chili
In Europa wissen die Franzosen mit am längsten darum, wie sehr Chili die Küche bereichert. Die Piment d‘espelette fand ihren Weg ins Baskenland im 16. Jahrhundert. Seitdem bauen die Basken diese rauchig schmeckende Chilisorte an. Ursprünglich entdeckt hat Christoph Columbus den Chili, er bezeichnete ihn jedoch als Pfeffer oder Piment. Eine Verwechslung, die sich beim Cayenne-Pfeffer bis heute im Namen erhält. Tatsächlich handelt es sich auch dabei um einen Chili. Der ist übrigens keine Schote, sondern gehört zu den Beerengewächsen und kam mit den portugiesischen und spanischen Seefahrern nach Europa.
Kurz darauf gelangte Chili über die Türkei nach Ungarn und darf bis heute in keinem Gulasch fehlen. Sogar Mythen ranken sich um seine Verbreitung. Angeblich war eine türkische Prinzessin in einen Ungarn so unsterblich verliebt, dass sie bei ihrer Flucht nur ihre Lieblingsfrucht mitnahm: den Chili, erzählt Hicks. Erst später gelangte der Paprika nach Ungarn, der wie der Chili ein Nachtschattengewächs ist. Ursprünglich stammt die Chili-Pflanze wahrscheinlich aus dem Amazonasgebiet. Bis heute wachsen dort die meisten und verschiedensten Arten von Chilis weltweit. Die älteste Pflanze soll rund 25 Millionen Jahre alt sein. Chilis sind nicht nur eine alte Kulturpflanze, manche Sorten sind ein wahres Luxusgut.
Den Rekord für den teuersten Chili hält die Aji Charapita aus Peru. Aji bedeutet in der indigenen Sprache Chili. Edelgastronomen bestreuen ihre auserlesenen Gerichte mit wenigen Mikrogramm Pulver der Aji Charapita. Die Frucht ist sogar teurer als Safran. Das Kilogramm kostete zeitweise rund 20.000 Euro. Investoren versuchten mit dem Chilikaviar ein Vermögen zu machen. Billige Ware kam auf den Markt, der bald übersättigt war. Die Freude am Geschmack kann das freilich nicht trüben, denn Chilis haben einfach so viel zu bieten. Frisch schmeckt die Aji Charapita gut als Salsa zu einem Obstsalat und dämpft dort die Süße etwas ab. Chilis sind aber nicht nur etwas für den Geschmack, sondern auch für die Gesundheit.
Wie gesund sind Chilis eigentlich?
Schon die alten Samurai schmierten sich Chili auf die Füße, bevor sie in eine kalte Schlacht zogen. Bis heute steckt Chili als Grundstoff in vielen Wärmepflastern und Cremes, weiß Hicks. Eine Studie aus China beweist, wer scharf isst, hat weniger Kreislaufprobleme. Und wegen des Endorphinkicks durch die Schärfe kommt Chili sogar im Drogenentzug zum Einsatz als begleitendes Mittel zur Entwöhnung.
Wer einfach seinem Immunsystem im Winter etwas Gutes tun will, macht auch nicht viel falsch. Denn Schwitzen entschlackt und auch die enthaltenen Vitamine A, B, E und eine ordentliche Menge Vitamin c, sorgen für einen ordentlichen Immunschub im Winter.
Rezept für Gefüllte Rocotos nach Clarisa Bravo
Die Zutaten: 8 große Rocotos, 300 Gramm Zucker und 300 Milliliter Essig zum Blanchieren, 150 Milliliter Öl, 4 Esslöffel Ají Panca, 500 Gramm Rindfleisch geschnitten oder gehackt, 2 Lorbeerblätter, 500 Gramm Zwiebeln fein geschnitten, Salz, Pfeffer, Kümmel, 80 Gramm geröstete und gemahlene Erdnüsse, 1/2 Teelöffel Oregano, 50 Gramm Kalamata Oliven entsteint, 2 gekochte Eier würfeln, 1 Esslöffel gehackte Petersilie, 50 Gramm Rosinen oder Korinthen, 8 Scheiben Käse wie Edamer, 2 Eier, 1 Liter Milch.
Zubereitung: Rocotos säubern, dann oben einen geraden Schnitt machen und den Deckel aufheben. Anschließend die Rocoto mit einem Löffel aushöhlen und gründlich die Samen und die Plazenta, also das weißliche, faserige Fleisch, an dem die Samen hängen, entfernen. Dann die Rocotos in einen Topf mit gezuckertem Wasser und etwas Essig legen. Das Ganze zum Kochen bringen und diese Prozedur dreimal wiederholen. Alternativ ist es auch möglich Rocotos dreimal zu blanchieren, also heiß zu überbrühen und danach kalt abzuspülen. Danach das Öl in einer Kasserolle erhitzen und Fleisch mit dem Chili Aji Panca kurz anbraten. Lorbeer und später Knoblauch, Zwiebeln, Salz, Pfeffer, Kümmel und einen Teelöffel Zucker hinzugeben. Fleisch, fein gehackte Erdnüsse, Oregano, Oliven, gekochte Eier, Petersilie, Rosinen und gequirlte Eier zusammenmischen. Den Backofen auf 160 Grad anheizen. Die Rocotos füllen und in eine Keramikform legen und mit einer halben Scheibe Käse bedecken. Dann den Deckel obendrauf legen. Milch in die Keramikform hinzugeben und das Ganze für rund 30 Minuten gut durchbacken. Das Ganze mit einer halben Scheibe Käse überbacken. Mit Kartoffelgratin oder Reis servieren.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden