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Interview: Rotarier-Weltpräsident Knaack: „Wir sind offener, weiblicher, diverser“

Interview

Rotarier-Weltpräsident Knaack: „Wir sind offener, weiblicher, diverser“

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    Präsident eines weltweiten Verbunds von Menschen, „die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“: Holger Knaack beim Besuch in Augsburg.
    Präsident eines weltweiten Verbunds von Menschen, „die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“: Holger Knaack beim Besuch in Augsburg. Foto: Michael Hochgemuth

    Herr Knaack, was macht ein Rotary-Weltpräsident?

    Holger Knaack: Unser Headquarter ist in der Nähe von Chicago. Ohne Corona wäre dort jetzt mein Arbeitsplatz. Die meiste Zeit würde ich durch die Welt reisen, um unsere internationalen Projekte, vor allem unser Impfprogramm gegen Polio, zu begleiten. Ein Rotary-Präsident ist in seinem Amtsjahr höchstens 20 Tage zu Hause. (lacht) Im Moment läuft aber alles – Konferenzen mit den Clubs, die die Projekte vor Ort durchführen oder mit organisieren, Treffen mit der WHO – bei mir zu Hause in Ratzeburg über Videokonferenz. Und, ehrlich, ich glaube, wir sind so noch effektiver geworden.

    Welche Idee steckt hinter Rotary?

    Knaack: Unsere Clubs sind Orte, in denen sich Gleichgesinnte treffen, Freundschaften schließen. Sie tragen meist beruflich Verantwortung und verpflichten sich, sich sozial zu engagieren. Das Ziel ist, anderen Türen zu öffnen. Wenn wir zum Beispiel jemandem einen Rollstuhl besorgen, geben wir diesem einen Menschen neue Möglichkeiten für sein Leben. Grob gesagt, ist das die Idee.

    In Deutschland gilt, anders als in den USA, die Vorschlagsregel: Wer keine Empfehlung hat, wird nicht in den Club aufgenommen. Ist Rotary ein elitärer, abgeschlossener Zirkel?

    Knaack: Als Herrenclub wie früher haben wir keine Zukunft. Noch vor 30 Jahren waren Frauen zum Beispiel unerwünscht. Aber inzwischen ist auch eine Krankenschwester bei uns Mitglied oder ein Assistenzarzt. In Augsburg werden drei der vier Clubs von Frauen geführt. Wir sind in den letzten Jahren offener, weiblicher, diverser geworden. Die Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA hat eine intensive Rassismusdebatte in Gesellschaften weltweit ausgelöst, die ich als Weltpräsident auch bei Rotary führen werde.

    Nach welchen Kriterien wird jemand zur Aufnahme vorgeschlagen?

    Knaack: Das kommt darauf an. Wer eben passt.

    Ein Schweißer?

    Knaack: Gute Frage. Wichtig ist: Es müssen Menschen sein, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Meistens sind es Führungskräfte, die die gesellschaftliche Struktur vor Ort abbilden. Ein Club entscheidet zum Beispiel, noch Ingenieursberufe aufzunehmen oder eine Künstlerin. Krankenschwestern haben ja in letzter Zeit eine höhere Wertigkeit erfahren, die waren früher nicht bei uns vertreten.

    Die Rotary Foundation gibt pro Jahr 400 Millionen Euro in Projekte, vor allem in den ärmeren Ländern der Welt. Wäre es nicht besser, das Geld direkt der WHO oder der Unesco zu überweisen, damit die Weltgemeinschaft demokratisch entscheiden kann, was dringlich ist?

    Knaack: Wir sind ja bei der UN als Nichtregierungsorganisation gelistet und arbeiten mit denen zusammen. Der Vorteil unseres Netzwerkes ist, dass wir – bis auf Saudi Arabien, Iran und eine Handvoll anderer Staaten – in jedem Staat Clubs haben, die den Bedarf vor Ort kennen, Charity-Events veranstalten oder mit ihren Plänen direkt auf die Rotary Foundation zukommen. So können wir relativ unbürokratisch libanesische Wasserprojekte, indische Schulprojekte oder Solarlampen für ein Navajo-Gebiet in Colorado realisieren.

    Hat Corona für neue Projekte gesorgt?

    Knaack: Ja. Die Rotary Foundation hat einen eigenen Topf für Corona-Hilfen aufgelegt. So konnten wir in afrikanische Länder und nach Indien medizinische Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte liefern. Pandemiebekämpfung ist ja eines unserer Kerngeschäfte. Seit 40 Jahren organisieren wir mit der WHO weltweit Kampagnen gegen Polio. Einen Meilenstein haben wir gerade erreicht: Mit Nigeria haben wir jetzt auch in dem letzten afrikanischen Land die Kinderlähmung ausgerottet. Auch auf die Brandkatastrophe in Beirut konnten wir effektiv reagieren. Unsere libanesischen Clubmitglieder haben sofort Material und Hilfe angefragt, und andere Clubs konnten liefern.

    Was treibt Sie persönlich an, Rotary zu dienen, wie es intern heißt?

    Knaack: Rotary eröffnet Horizonte. Für mich ist die Jugend wichtig. Mit unseren Schüleraustauschprogrammen können Jugendliche aus unseren Clubs in aller Welt fremde Länder erkunden, einen internationalen Freundeskreis aufbauen. Meine Frau und ich haben über die Jahre 43 Schülerinnen und Schüler für mehrere Wochen oder auch Monate bei uns aufgenommen. Das war eine unglaublich bereichernde Zeit.

    Sie verfügen über neun Gästezimmer.

    Knaack: Die sind auf unser und das Nachbarhaus meiner Schwägerin und Schwester verteilt. Ja, wir haben gerne Gäste und unsere große Familie um uns herum. Aber die Austauschprogramme hat Corona jetzt erst einmal lahmgelegt. Wir sind froh, dass wir für fast alle Rotary-Jugendlichen im Frühjahr die Heimreisen organisieren konnten.

    Für die Finanzierung der staatlichen Corona-Hilfsprogramme hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine einmalige Abgabe für Bürger mit einem Vermögen ab 2,3 Millionen Euro vorgeschlagen. Würden Sie dem zustimmen?

    Knaack: Durch die Nullzinspolitik werden die großen Vermögen ja bereits angegriffen. Ein besserer Ansatz zur Bewältigung dieser Krise ist unser soziales Miteinander. Wir sollten aufeinander achten, die Funktionsfähigkeit des Sozialstaats erhalten und die soziale Marktwirtschaft als Grundlage ausbauen.

    Zur Person: Holger Knaack wurde 1952 in Lübeck geboren. Er ist Inhaber einer Immobiliengesellschaft. In Ratzeburg wurde er 1992 in den örtlichen Rotary Club aufgenommen. Bis Juli 2021 leitet Knaack jetzt als Präsident von Rotary International das Netzwerk mit 1,2 Millionen Mitgliedern weltweit. Das Gespräch mit Knaack entstand anlässlich seines Besuchs des Augsburger Rotary Clubs.

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