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Albert Ostermaier: Abrechnung eines Klosterschülers

Albert Ostermaier

Abrechnung eines Klosterschülers

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    A. Ostermaier
    A. Ostermaier

    Der vor allem als Dramatiker und Lyriker bekannte Münchner Schriftsteller Albert Ostermaier hat einen zweiten Roman vorgelegt – nach „Zephyr“ nun das Buch „Schwarze Sonne scheine“. Nach der erzählerischen Rekonstruktion eines Eifersuchtsdramas nun die sehr persönliche Geschichte eines jungen Mannes, der Schriftsteller werden will, der sich schwer tut mit diesem Plan und dabei die Hilfe eines Freundes sucht, der schließlich von diesem Freund furchtbar enttäuscht wird.

    Wieder geht Ostermaier, der Augsburger Brecht-Preisträger, von der Realität aus. War es bei „Zephir“ der grausige Vorfall, dass der Sänger Bertrand Cantat die Schauspielerin Marie Trintignant umbrachte, so ist es jetzt augenfällig Ostermaiers eigene Geschichte, die den Stoff zum Roman liefert. Er macht sich kenntlich in diesem Text – als der Bub aus gutem Hause, der am Ammersee aufwächst und im Kloster St. Ottilien aufs Gymnasium geht, der in München studiert (oder eben nicht studiert, weil er ja nur schreiben will) und der sich in seiner gut gepolsterten Existenz immer weniger wohlfühlt. Der Ich-Erzähler, der darum ringt, wie er es seinen wohlmeinenden Eltern denn nur sagen soll, dass er den väterlichen Betrieb nicht übernehmen will, stürzt unversehens in ein tiefes Loch. Sein väterlicher Freund, der „Vater Abt“ aus jenem Kloster, wo er zur Schule ging, erklärt ihm, er, der Junge, sei sterbenskrank, infiziert von einem bösartigen Virus, den er sich vielleicht von einer Reise in den Jemen mitgebracht hat, und nur eine ganz bestimmte Ärztin könne ihm helfen.

    Es beginnt eine wilde Jagd durch Ängste und Ungewissheiten, Drohungen und Hoffnungen, Aufbegehren und Niederstürzen. Am Ende erweist sich, dass der Krankheitsverdacht unbegründet war und die Ärztin eine Betrügerin ist, aber der junge Mann ist monatelang durch die Hölle gegangen, ist dauerhaft beschädigt, und er hat das Vertrauen in den priesterlichen Freund gründlich verloren. Warum der seinen ehemaligen Schüler so manipuliert hat, wird nicht ganz klar – ist der Abt selber ein Opfer oder einer, der gern hinterrücks Macht ausübt?

    Das ist streckenweise so atemlos geschrieben, dass man als Leser unwillkürlich tief hineingezogen wird in den Ostermaierschen Sprachstrudel aus hochdramatischen Zuspitzungen, bildhaften Höhenflügen, romantischer Wortmacht. Ostermaier bleibt auch hier wieder Lyriker und Dramatiker, wenn ihm etwa das Stoßgebet durch den Rücken in die Brust dringt, wenn ihm mit der Faust aufs Herz geschlagen wird.

    Zwischendrin darf man sich ein bisschen erholen bei sprachlichen Scherzen, aber insgesamt ist es doch nichts weniger als eine Passion, die der Autor da beschreibt, seine eigene Passion (in die der erste Golfkrieg, die deutsch-deutsche Wende sowie Thomas Manns „Zauberberg“ verwoben ist), der dann zum Glück die Auferstehung folgt.

    Die religiöse Anmutung kommt nicht von ungefähr. Denn neben dem Krimi um Krankheit und Tod geht es um des Erzählers Verhältnis zur Kirche, um Glauben und missbrauchtes Vertrauen. Es scheint fast, als habe Ostermaier die Geschichte des Klosterschülers, der aus der Geborgenheit der klösterlichen Welt hinausgeworfen wird in tiefe Enttäuschung, nur auf der Folie der kirchlichen Missbrauchsskandale im vergangenen Jahr schreiben können. Wie eine Abrechnung will es erscheinen, wenn der Autor beschreibt, wie berechnend die Mönche ihre spirituelle Würde zum monetären Gewinn des Klosters einsetzen, wie sie sich ihrer Unangreifbarkeit im katholischen Bayern sind, wie die pädagogische Nähe Gefahr läuft, zum Übergriff zu werden. Und auch hier wird Ostermaier deutlich: Den Abt, der ein so böses Spiel mit dem jungen Mann spielt, macht er kenntlich als coolen Typen, der in China oder Indien Klöster gründet, der Querflöte in einer Rockband spielt – so wie Notker Wolf, ab 1977 Erzabt von St. Ottilien.

    So bleibt am Schluss ein ambivalenter Eindruck: Fiktion oder Autobiografie? Auf jeden Fall ein stark autobiografisch gefärbter (Schlüssel-)Roman mit einigem Zündstoff.

    Alber Ostermaier: Schwarze Sonne scheine. Suhrkamp-Verlag, 288 Seiten, 22,90 Euro

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