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Wolfgang Schäuble: Der Unverzichtbare

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Wolfgang Schäuble: Der Unverzichtbare

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    Wolfgang Schäuble: Der Unverzichtbare
    Wolfgang Schäuble: Der Unverzichtbare Foto: DPA

    Umso erstaunlicher allerdings ist die Nachricht, die gestern aus Unionskreisen durchsickerte: Schäuble soll neuer Finanzminister werden, also nach Angela Merkel und Guido Westerwelle der mächtigste Mann im Kabinett. Ein an politischen wie persönlichen Schicksalsschlägen reiches Leben nimmt so unverhofft, aber nicht unverdient noch einmal eine Wende. Selbst der SPD-Experte Joachim Poß lobt: "Eine seriöse Lösung für eine unseriöse Politik".

    Dass Schäuble dem Amt gewachsen ist, bezweifelt niemand in Berlin. Der promovierte Jurist war Fraktionsvorsitzender und Kanzleramtsminister, CDU-Chef, zweimal schon Innenminister, beinahe Kanzler und beinahe Bundespräsident. Keiner von denen, die noch als Nachfolger von Peer Steinbrück gehandelt wurden, hat mehr Erfahrung, im Guten wie im Schlechten.

    Keiner allerdings polarisiert auch so. "Eine Bastion des Eigensinns" hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihn einmal genannt, und vermutlich schmeichelt Wolfgang Schäuble das mehr, als es ihn ärgert. Er selbst sagt ja: "Ich muss den Leuten nicht nach dem Mund reden."

    Für einen Finanzminister, in Krisenzeiten zumal, ist das nicht die schlechteste Einstellung. Er muss Konflikte austragen und aushalten können, er braucht eine natürliche Autorität über die eigene Partei hinaus und keine aus Umfragen abgeleitete, weil sein Erfolg nicht in Guttenberg-Faktoren gemessen wird, sondern ganz handfest in Bundeszuschüssen, in Steuermindereinnahmen und Nettokreditaufnahmen. Er ist kein Liebling der Medien, sondern der Herr der Haushaltslöcher.

    So gesehen hat es vergleichsweise lange gedauert, bis die ersten Spekulationen über Schäubles Wechsel aus dem Innen- ins Finanzressort die Runde machten. Das liegt, nicht zuletzt, an seinem unverändert schwierigen Verhältnis zu Angela Merkel, die nach der CDU-Spendenaffäre seine Nachfolgerin als Parteivorsitzende wurde und auch später noch zweimal jäh seine Karrierepläne zerstört hat.

    Bundespräsident durfte Helmut Kohls langjähriger Kronprinz im Frühjahr 2004 nicht werden, weil sie ihn der FDP nicht vermitteln konnte oder wollte. Fraktionschef im Bundestag wurde ein gutes Jahr später der weniger erfahrene, aber umso pflegeleichtere Volker Kauder. Andere hätten nach solchen Demütigungen aus Frust ihr Mandat hingeworfen oder wenigstens ihrem Zorn freien Lauf gelassen. Schäuble aber schwieg.

    Über sein Verhältnis zur Kanzlerin redet er selbst im kleinen Kreis nicht gerne. Öffentlich sagt er lediglich: "Ich bin unabhängig, frei und loyal." Beide sind klug und professionell genug, um trotz ihrer komplizierten Beziehungsgeschichte gut zusammenzuarbeiten - und misstrauisch genug, um dennoch auf der Hut zu sein. Auch deshalb hatten selbst enge Merkel-Vertraute vor kurzem noch erzählt, sie werde Schäuble vermutlich nach Brüssel wegloben und den zwölf Jahre jüngeren Kanzleramtsminister Thomas de Maizière zum Innenminister machen. Weniger wohlmeinende Parteifreunde sahen den erfahrensten Politiker der CDU gar schon als einfachen Abgeordneten eine vierjährige Abschiedsrunde in den hinteren Reihen des Bundestages drehen.

    In der Krise allerdings vertraut die Kanzlerin mehr denn je auf seine Kompetenz. 19 Jahre nach dem Attentat, das ihn in den Rollstuhl zwang, steht der Name Schäuble noch immer für eiserne Disziplin, für Durchhaltewillen und enorme Belastbarkeit. Gegen die Kritik, die er als Finanzminister schon kraft Amtes einstecken muss, schützt ihn ein unsichtbarer Panzer, der ihn häufig kälter und härter wirken lässt, als enge Vertraute oder Angehörige ihn erleben. Vor größeren Fehlern schützen ihn sein scharfer Verstand und die Erfahrung eines politischen Dinosauriers, den keine schnelle Schlagzeile und kein überraschendes Defizit mehr aus der Ruhe bringt. Schäuble als Finanzminister: Das ist, wenn man so will, unter mehreren möglichen die sicherste Lösung.

    Für die Beamten in seinem künftigen Ressort wird sich unter dem neuen Minister nicht allzu viel ändern. Wie Steinbrück ist auch Schäuble ein politischer Vollprofi, der von anderen nicht weniger verlangt als von sich selbst. Wie Steinbrück spitzt auch Schäuble die Dinge gerne zu - und wie bei Steinbrück geht auch bei Schäuble sein Sarkasmus immer wieder mit ihm durch.

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