Trotz großer Meinungsverschiedenheiten bei den Menschenrechten wollen Deutschland und China die Zusammenarbeit der Wirtschaft, beim Klimaschutz und im Gesundheitsbereich vertiefen.
Bei den erstmals online organisierten deutsch-chinesischen Regierungsberatungen rief Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Peking am Mittwoch zur Zusammenarbeit bei der Eindämmung der Corona-Pandemie sowie zum Dialog über die Impfstoffproduktion und die gegenseitige Anerkennung von Impfstoffen auf. Im Wirtschaftsteil forderte die deutsche Seite von Peking mehr Marktöffnung.
Merkel sprach die Meinungsunterschiede im Menschenrechtsbereich in ihrer Eingangserklärung gemeinsam mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang offen an. Auch Li räumte Differenzen in den deutsch-chinesischen Beziehungen ein.
Die deutsch-chinesischen Beratungen sind die sechste Auflage der seit 2011 alle zwei Jahre in diesem großen Format stattfindenden Gespräche Deutschlands mit China, in deren Rahmen auch die Mitglieder der Kabinette zu Beratungen zusammenkommen. Merkel zog eine positive Bilanz der in ihrer Amtszeit ins Leben gerufenen Konsultationen. Durch diese "gute Tradition" habe sich die Breite der Zusammenarbeit vergrößert. Sie hoffe, "dass es nicht die letzten Regierungskonsultationen zwischen China und Deutschland sein werden".
Merkel: Können Pandemie nur gemeinsam eindämmen
Die Kanzlerin sagte, die Pandemie habe viele Opfer gefordert und stelle "Gesellschaften und Volkswirtschaften auf eine wirklich harte Probe". An Li gewandt ergänzte sie: "Wir können diese Pandemie nur gemeinsam eindämmen. China und Deutschland können dabei eine wichtige Rolle spielen." Dies bedeute auch, offen und transparent über die Impfstoffproduktion und darüber zu sprechen, Impfstoffe gegenseitig anzuerkennen, "zumindest bei der Weltgesundheitsorganisation, um so den Kampf gegen das Virus zu gewinnen", sagte Merkel.
Zur Partnerschaft gehöre auch, "dass wir schwierige Themen ansprechen und alles auf den Tisch legen können", sagte Merkel. Sie nannte die Situation in Hongkong, wo Peking per Sicherheitsgesetz politische Freiheiten einschränkt. Sie wünsche sich eine rasche Rückkehr zum Menschenrechtsdialog mit China. "Es reicht ja nicht, dass wir beide über diese Themen sprechen, sondern es sollte auch in der Tiefe gerade auch mit den Justizministern wieder auf den Tisch kommen", sagte sie zu Li. Grundsätzlich verteidigte Merkel den Dialog mit Peking: Konflikte könne man nur lösen, wenn man im Gespräch bleibe.
Kanzlerin und Li sprechen Meinungsverschiedenheiten an
Li sagte: "China und Deutschland haben verschiedene Ansichten in einigen Fragen. Das ist eine objektive Tatsache." Solange beide Seiten aber die jeweiligen "Kerninteressen respektieren" und "auf der Basis der Gleichbehandlung und Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten" kommunizierten, könnten sie günstige Bedingungen für eine weitere reibungslose Entwicklung der Kooperation schaffen.
Die gegenwärtige internationale Lage durchlaufe komplizierte und weitgehende Veränderungen, sagte Li. Die Pandemie sei noch lange nicht vorbei. Es gebe auch weiterhin noch Protektionismus. Als große Wirtschaftsnationen und einflussreiche Länder unterstützten China und Deutschland den Multilateralismus und den freien Handel. "Beide Seiten sollten ein Beispiel setzen für Offenheit, gegenseitigen Nutzen und Kooperation zum gegenseitigen Vorteil."
Unter "Kerninteressen" versteht Peking unter anderem seinen Anspruch auf Taiwan, das als Teil der Volksrepublik angesehen wird, und seine umstrittenen Territorialansprüche im Südchinesischen Meer. Kritik an seinem harten Kurs gegen die Demokratiebewegung in Hongkong oder an seinem Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren weist Peking auch immer als Einmischung zurück.
Merkel dringt auf Umsetzung des Investitionsabkommens
Die Kanzlerin sprach das Investitionsabkommen zwischen China und der Europäischen Union (EU) an. Dies könne auch ein Grundstein für transparente Wirtschaftsbeziehungen, gegenseitigen Marktzugang und Reziprozität sein. Mit dem Abkommen würden mehr Rechtssicherheit und Transparenz geschaffen. Vernünftige Arbeitsbedingungen überall und für alle Menschen in Deutschland und in China seien von großer Bedeutung, sagte Merkel.
Ende 2020 hatten sich China und die EU auf ein Investitionsabkommen geeinigt, das unter deutscher Führung vorangetrieben worden war. Es soll den Zugang zum chinesischen Markt verbessern. China verspricht nur vage "nachhaltige Anstrengungen" zur Ratifizierung von zwei Konventionen gegen Zwangsarbeit. Noch ist das Abkommen nicht fertig ausgehandelt. Es muss auch vom Europaparlament gebilligt werden.
Auf einem Wirtschaftsforum rief Wirtschafts-Staatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) China zu Marktoffenheit und einer raschen Angleichung der Wettbewerbsbedingungen auf. Er zeigte sich besorgt über die neue chinesische Strategie der "zwei Kreisläufe", mit der die Binnennachfrage gefördert und China unabhängiger gemacht werden soll. Das Konzept sorge für "zusätzliche Verunsicherung", es dürfe sich nicht zum Nachteil deutscher Unternehmen entwickeln.
Obwohl die strengen chinesischen Einreisebeschränkungen wegen der Pandemie laut Umfragen eine der Hauptsorgen deutscher Unternehmen sind, wurde das Thema im presseöffentlichen Teil des Forums nicht angesprochen. Wie die Deutsche Presse-Agentur aber erfuhr, stand es auf der Tagesordnung der Gespräche von Merkel und Li, die sich mit ausgesuchten Wirtschaftsvertretern hinter verschlossenen Türen zu Beginn kurz zusammengeschaltet hatten.
Im Rahmen der Konsultationen wurden unter anderem Absichtserklärungen zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Klimaforschung mit dem Ziel von Klimaneutralität, zur Lebensmittelsicherheit und in den Bereichen Umwelt, Klimawandel und Nachhaltige Entwicklung sowie ein Aktionsplan Gesundheit unterzeichnet.
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