Spanien und Italien müssen sich für Hilfe aber eine internationale Kontrolle ihrer Politik gefallen lassen. EZB-Präsident Mario Draghi, der sich von der Bundesbank und der deutschen Politik harsche Kritik gefallen lassen muss, stellte klar, dass es keinen Automatismus, sondern klare Bedingungen für Hilfe gebe.
Die Pläne sorgten für gute Stimmung auf den internationalen Finanzmärkten und beflügelten die europäischen und amerikanischen Aktienmärkte. An den Anleihemärkten gingen die Risikoaufschläge für Staatspapiere der Krisenländer stark zurück. Besonders bei italienischen, spanischen und portugiesischen Staatsanleihen sorgten die Aussagen von EZB-Präsident Draghi für Entlastung.
Die EU-Kommission begrüßte die Entscheidung der EZB. "Dies sollte helfen, das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Zugleich werde das Funktionieren des Geldmarktes verbessert. Dies alles geschehe im Rahmen des Mandats der Notenbank und "unter Wahrung ihrer "vollen Unabhängigkeit".
Zentraler Punkt des EZB-Programms ist, dass ein Land einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds EFSF/ESM stellten muss. Die Folge eines solchen Schrittes - wie auch in den früheren Fällen Portugal und Irland - ist, dass eine Regierung ein Sanierungsprogramm auflegen muss und sich Kontrollen durch EZB, EU und gegebenenfalls auch durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) gefallen lassen muss.
Sowohl Italiens Premier Mario Monti als auch sein spanischer Kollege Mariano Rajoy wollten bisher tunlichst verhindern, ihre politische Unabhängigkeit opfern zu müssen und internationale Experten in die Bücher schauen zu lassen. Monti sagte nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Rom, die von seiner Regierung eingeleiteten Reformen könnten diese Hilfen der EZB für Italien überflüssig machen.
Andererseits haben die Finanzmärkte schon viel Vertrauen in den Sanierungswillen dieser Länder verloren und fordern deshalb vergleichsweise hohe Zinsen für frisches Kapital. Diesen Teufelskreis kann die EZB durchbrechen, wenn sie tatsächlich unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten kauft und gegen die Spekulation hält.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält auch nach der EZB-Entscheidung an seiner Ablehnung weiterer Anleihenkäufe fest. Das sei ein Vorgehen nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse, erklärte ein Sprecher der Bundesbank in Frankfurt auf Anfrage. Weidmann stimmte als einziger im EZB-Rat gegen das Programm.
"Es gibt keine italienische Verschwörung, der EZB-Rat hat die Maßnahmen fast einstimmig beschlossen. Wir sind sicher, dass wir innerhalb unseres Mandats tätig sind", entgegnete Draghi.
Die Euro-Schuldenkrise jagt den Deutschen die mit Abstand größte Angst seit 20 Jahren ein. Das geht aus der jährlichen repräsentativen Umfrage der R+V Versicherung zu den Ängsten der Deutschen hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Danach sorgen sich fast drei Viertel der Bundesbürger um die Kosten, die deutschen Steuerzahlern durch schwächelnde EU-Staaten entstehen.
Die Pläne von Draghi stießen in der schwarz-gelben Koalition und in der Opposition auf unterschiedliches Echo. Bundeskanzlerin in Angela Merkel (CDU) nahm zu den Plänen in Madrid nicht direkt Stellung und sieht vor allem die Politik in der Pflicht, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. "Die EZB reagiert unabhängig und im Rahmen ihres Mandates", sagte die Kanzlerin. Ähnlich äußerte sich FDP-Chef Philipp Rösler. Er forderte, so schnell wie möglich die Bedingungen für das Programm festzulegen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nannte eine "Staatsfinanzierung durch die Notenpresse falsch und brandgefährlich".
SPD und Grüne sehen in den angekündigten Maßnahmen der EZB eine Folge des Euro-Krisenmanagements Merkels. Als "Dokument des Scheiterns" für Bundeskanzlerin Angela Merkel bewertet SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier den Beschluss der EZB. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel vor, mit ihrer Blockadehaltung Draghi keine andere Wahl gelassen zu haben.
IWF-Chefin Christine Lagarde begrüßte die Beschlüsse der EZB. Der IWF seinerseits stehe zur Zusammenarbeit im Rahmen eigener Programme bereit, hieß es in einer schriftlichen Mitteilung. "Wir sehen in der EZB-Aktion einen wichtigen Schritt zur Stärkung von Stabilität und Wachstum in der Eurozone", erklärte Lagarde.
Allein schon die Erwartung der EZB-Entscheidung half Spanien: Am Donnerstag konnte sich das Land zu deutlich günstigeren Konditionen am Kapitalmarkt refinanzieren als in den vergangenen Monaten.
Den Leitzins im Euroraum beließ die EZB auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent. Wegen der schwächer werdenden Konjunktur hatten viele Volkswirte mit einer weiteren Absenkung gerechnet.
Aus Sicht der Währungshüter haben sich die Aussichten für Wirtschaft in den 17 Eurostaaten nochmals eingetrübt: Für dieses Jahr erwartet die EZB ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,4 Prozent (Spanne: minus 0,6 bis minus 0,2 Prozent). Vor drei Monaten war sie noch von einem kleineren Minus von 0,1 Prozent ausgegangen. 2013 wird das BIP in der Eurozone demnach um 0,5 Prozent (minus 0,4 Prozent bis plus 1,4) wachsen. Im Juni lag die Prognose bei 1,0 Prozent. (dpa)