Doch die Methoden des ehemaligen Chefs der italienischen Notenbank sind umstritten - vor allem in Deutschland. Kritiker, zu denen auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zählt, fürchten um die Unabhängigkeit der EZB und die Preisstabilität im Euro-Raum.
Vergangenen November übernahm Draghi die Führung der Europäischen Zentralbank - eine Herkulesaufgabe angesichts der lodernden Schuldenkrise. Beobachter erleben den 65-Jährigen, der sich als Vizepräsident der Investmentbank Goldman Sachs in London den Spitznamen "Super Mario" erwarb, bei öffentlichen Auftritten verbindlich aber bestimmt. Draghi outete Weidmann als einzigen Gegner seiner Pläne im EZB-Rat, weitere Milliarden für Bonds von Krisenstaaten wie Spanien und Italien in die Hand zu nehmen.
Unter Draghis Ägide senkten die Währungshüter den Leitzins im Euro-Raum in mehreren Schritten auf das Rekordtief von 0,75 Prozent, pumpten Milliarden in den Bankensektor und wollen das noch unter Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet gestartete Kaufprogramm für Anleihen aus Krisenländern wieder aufnehmen. Kritiker befürchten, dass das Anwerfen der Notenpresse zum Kauf von Bonds langfristig die Inflation anheizen könnte.
Als Draghi zum Nachfolger Trichets gekürt wurde, schlug vor allem in Deutschland mancher die Hände über dem Kopf zusammen: Ausgerechnet ein Italiener soll verlässliche Geldpolitik garantieren? Doch die Kritiker verstummten - zunächst. Draghi selbst lobte kurz nach seinem Amtsantritt die stabilitätsorientierte Tradition der Bundesbank und warnte vor einer Aushöhlung der Geldpolitik.
Zunächst sah Draghi die Politik am Zug und mahnte als Lehre aus der Schuldenkrise eine Vision für Europa an. "Wir müssen einen Pfad für den Euro festlegen: Wo wollen wir in zehn Jahren stehen?", sagte Europas oberster Währungshüter im Mai. Doch allmählich verliert der passionierte Bergsteiger offensichtlich die Geduld und will das Heft des Handels selbst in die Hand nehmen.
"Wenn an Kapitalmärkten Angst und Irrationalität vorherrscht, wenn sich der gemeinsame Finanzmarkt wieder entlang der Ländergrenzen aufspaltet, dann erreicht das geldpolitische Signal der EZB nicht alle Bürger der Euro-Zone gleichermaßen." Deshalb müsse die Notenbank eingreifen, um Preisstabilität zu gewährleisten, schrieb Draghi jüngst in einem Gastbeitrag für die "Zeit". Und er bekräftigte diese Aussagen bei den jüngsten Entscheidungen der EZB. Die Wirkung der herkömmlichen EZB-Geldpolitik sei wegen des Misstrauens in den Euro gestört. (dpa)
Gastbeitrag Draghi in der "Zeit"