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Analyse: Die Schatten der Vergangenheit

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Analyse: Die Schatten der Vergangenheit

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    Analyse: Die Schatten der Vergangenheit
    Analyse: Die Schatten der Vergangenheit Foto: DPA

    Die Staatsanwaltschaft in Augsburg wirft ihm vor, den Staat um mehrere Millionen an Steuergeldern betrogen und prominente Politiker und Manager bestochen zu haben. Der in Bayern geborene Schreiber sieht sich aber nicht als Täter, sondern als politisch Verfolgter.

    Zehn Jahre dauerte es, bis Schreiber von Kanada ausgeliefert wurde. Seit Montag sitzt er nun in der alten Fuggerstadt in Untersuchungshaft. Nach einem möglicherweise jahrelangen Prozess könnte ihm eine Höchststrafe von 15 Jahren drohen. Von großem Interesse ist dabei, ob sich in seinen Koffern, in denen er einst bündelweise Geld für Bestechungen durch die Republik transportierte, noch bisher unbekannte Notizbücher befinden.

    Minutiös aufgelistet sollen in diesen Kalendern Namen, Geldsummen und Daten sein, vor denen sich die Politik möglicherweise auch noch heute fürchten muss. Äußerlich gelassen reagierte wenige Stunden nach der Rückkehr Schreibers die Bundes-CDU. Schreiber sei jetzt eine Sache der Justiz und nicht der

    Wann Schreiber der Prozess gemacht wird, war zunächst unklar. In jedem Fall könne er nicht vor der Wahl am 27. September beginnen, sagte der als "Schreiber-Jäger" bekannt gewordene Augsburger Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. Aber lange warten wollen die Justizbehörden auch nicht, dafür spreche das "Beschleunigungsgebot". Dabei spiele das Datum der Bundestagswahl überhaupt keine Rolle.

    Schreiber meint, seine Ausweisung stehe im Zusammenhang mit der Wahl. Zitiert wurde ein Schreiben von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) an ihren kanadischen Kollegen. Darin eine Form von Einflussnahme zu sehen, wurde von dem Ministerium als absurd zurückgewiesen.

    Mit einiger Spannung wird nun Schreibers Prozess-Strategie erwartet. Theoretisch möglich ist, dass als Zeugen prominente Personen aufgerufen werden. In einem möglicherweise Millionen teuren Verfahren könnten unter anderem auch Alt-Kanzler Helmut Kohl und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) in den Zeugenstand gerufen werden.

    Im März 1999 war Schreiber der deutschen Justiz mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa entwischt. Von Kanada aus spielte er den "Racheengel". Wenn er "auspacke", würde die Politik in Deutschland erschüttert, ließ er sich mehrfach vernehmen.

    Die Kunde von Schreibers erzwungener Rückkehr aus dem kanadischen Refugium hat sich inzwischen bis zu Kohl herumgesprochen. Im Verlauf des Spendenskandals und des 1999 eingesetzten Spenden-Ausschusses widersetzte sich Kohl mit allem persönlichen und juristischen Nachdruck dem Vorwurf, Regierungshandeln könnte während seiner Kanzlerschaft käuflich gewesen sein. In die eigene Tasche hatte Kohl keinen Pfennig gesteckt.

    Mit der Existenz von schwarzen Kassen bei der CDU hatte sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestags knapp drei Jahre lang befasst. Auch Kohls Nachfolger im Parteivorsitz, Schäuble, steckte kein Geld in die eigene Tasche. Aber: Erst nach langem Zögern erinnerte er sich, schon 1994 von Schreiber 100 000 Mark erhalten zu haben. Regulär verbucht wurde diese Summe nie. Schäuble zog die Konsequenzen und trat zur Wiederwahl nicht mehr an.

    In 1800 Aktenordnern steht auf 4843 Seiten, welche Personen sich die Hände an nicht ordnungsgemäß verbuchten Spenden gewärmt oder schmutzig gemacht haben. Wie ein roter Faden zieht sich dabei der Name Schreiber durch die Protokolle. Denn er hatte indirekt den Spendenskandal ausgelöst: Schreiber hat nach den Ermittlungen 1991 auf einem Parkplatz dem damaligen CDU-Steuerberater Horst Weyrauch im Beisein des früheren Schatzmeisters Walter Leisler Kiep eine Million Mark in bar als Spende übergeben. Mit Schreiber sind die Schatten der Vergangenheit zurückgekehrt.

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