Die Vorrunde ist beendet bei der Fußball-Europameisterschaft, jede Mannschaft hat dreimal gespielt. Ein guter Zeitpunkt, um ein Zwischenfazit zu ziehen, um das wir Fachleute aus der Region gebeten haben. Auffallend dabei: Mit einer Einschätzung der deutschen Mannschaft hat beinahe jeder Probleme, mit der Benennung eines eindeutigen Titelfavoriten auch.
Auch Dieter Simon tut sich schwer mit einer Bewertung der bisherigen Leistung der deutschen Nationalmannschaft: „Pauschal kann man da gar nichts sagen.“ Im Spiel gegen Frankreich hat der frühere Ulmer Profi und neue Trainer des Bezirksligisten SV Thalfingen wenige Torchancen gesehen, gegen Portugal hat ihm die Mannschaft wie den meisten anderen Fußballfreunden sehr gut gefallen, mit den tief stehenden Ungarn hatte sie dann seiner Einschätzung nach wieder Probleme und Simon befürchtet, dass sich so etwas gegen andere und eher defensiv orientierte Gegner wiederholen könnte. Aber im Achtelfinale wartet ja mit England ein richtiges Kaliber. Dieter Simon ist zuversichtlich: „Es wird auch darum gehen, bei langen Bällen in die Spitze die schnellen Leute der Engländer zu stoppen. Wenn das gelingt, dann bin ich zuversichtlich, dass wir sie packen und dann ist im weiteren Turnierverlauf wahrscheinlich alles möglich.“ Mit der Antwort auf die Frage nach einem Titelfavoriten rückt Dieter Simon ebenfalls nur zögerlich raus. Ohne Wackler und ohne ein schwächeres Spiel ist seiner Beobachtung nach bisher eigentlich nur Italien durch das Turnier gekommen.
Als Deutscher mit türkischer Abstammung hat Ünal Demirkiran beide Mannschaften ganz genau beobachtet. Von der türkischen war der Trainer von Türkspor Neu-Ulm maßlos enttäuscht: „Die schlechteste Mannschaft der EM. Sogar Franzosen oder Belgier, die über viel mehr spielerische Mittel verfügen, haben mehr gekämpft.“ Im Falle von Jogis Jungs ist Demirkiran sich noch ein bisschen unsicher: „Deutschland hat immer einen sehr hohen Anspruch, die Mannschaft will und kann gegen jeden Gegner gewinnen.“ Gegen Frankreich hat das bekanntlich nicht geklappt und nicht einmal gegen Ungarn. Demirkiran gibt zu bedenken: „Hätte Deutschland gegen Ungarn so gespielt wie gegen Portugal, dann wäre alles gut und niemand würde Kritik äußern.“ Abgeschrieben hat der Trainer von Türkspor Deutschland noch lange nicht, aber er gibt generell zu bedenken: „Ab dem Achtelfinale wird es für jede Mannschaft gefährlich, da kann ein kleiner Fehler das Aus bedeuten.“ Am meisten beeindruckt haben ihn bisher die Italiener, die er unter anderem bei ihrem 3:0-Auftaktsieg gegen die Türkei genau unter die Lupe genommen hat: „Wirklich sehr beeindruckend. Die machen Druck und spielen Pressing, die lassen über 90 Minuten keinen Gegner in Ruhe. Italien wird sehr weit kommen.“
Der FV Illertissen hat am Dienstag sein Halbfinale im bayerischen Totopokal gewonnen und steht somit im Endspiel am Sonntag gegen Türkgücü München. Trainer Marco Konrad war deswegen ganz gut mit seiner eigenen Mannschaft beschäftigt, aber natürlich hat der Fußballlehrer auch die EM-Partien verfolgt: „Das Spiel gegen Portugal war das bisher beste bei der gesamten EM. Man merkt, die Mannschaft will Jogi Löw zum Abschied ein Geschenk machen.“ Nach seiner Einschätzung könnte das ein sehr wertvolles Geschenk sein: „Wenn sie die nötige Leichtigkeit bewahren, nicht nur nach Schema agieren, sondern intuitiv vorgehen, dann traue ich der Mannschaft sehr viel zu. Es ist Qualität vorhanden und wir sind schwer auszurechnen, wenn wir das Schema auch mal verlassen.“ Beeindruckt war Marco Konrad in der Vorrunde zudem von Belgien, die Franzosen und Spanier hat er aufgrund der Qualität in der Mannschaft sowieso auf der Rechnung: „Und nicht zu vergessen: auch Deutschland rechne ich zu den Favoriten.“
Andreas Spann war selbst Profi, unter anderem bei Borussia Mönchengladbach, jetzt arbeitet er als Trainer bei der SGM Aufheim/Holzschwang. Bei Turnieren gilt für ihn auch für die deutsche Mannschaft: „Hauptsache weiter, egal wie. Anders als noch vor einigen Jahren sind jetzt alle Mannschaften physisch und taktisch stark.“ Zu denken gibt ihm allerdings, dass vor allem Ilkay Gündogan und Timo Werner in der Nationalmannschaft nicht die Leistungen abrufen wie in der englischen Premier League, zudem hat Spann den Eindruck, dass viele Fußballfans in Deutschland den Wechsel auf der Position des Bundestrainers herbeisehnen. Der wird nach der Europameisterschaft definitiv vollzogen, Spann würde sich aber nicht wundern, wenn Joachim Löw noch viermal an der Seitenlinie steht. Deutschland traut er nämlich den Einzug ins Finale zu. Als Europameister tippt Spann allerdings auf Frankreich. (mit hs)