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Kommentar: Organspende: Eine unerträgliche Situation

Kommentar

Organspende: Eine unerträgliche Situation

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    Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am Eingang eines OP-Saales vorbeigetragen. 
    Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am Eingang eines OP-Saales vorbeigetragen.  Foto: Soeren Stache/dpa

    Sein ungutes Gefühl hat Georg Nüßlein nicht getrogen. Die Mehrheit des Bundestags hat sich am Donnerstag gegen eine Widerspruchslösung bei der Organspende ausgesprochen. Der CSU-Politiker aus Münsterhausen hatte genau das beantragt – ebenso wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und weitere Abgeordnete.

    Diese radikale Lösung wäre einem Paradigmenwechsel gleichgekommen. Denn so wäre jeder zum potenziellen Organspender in Deutschland geworden, der sich nicht dagegen ausgesprochen hätte. Jetzt werden mit der sogenannten Entscheidungsregelung in etwas abgewandelter Form weiterhin die bekannten Pfade beschritten.

    Was hat das bislang gebracht? Nichts. Deutschland ist, was die Bereitschaft zur Organspende anbelangt, ein Entwicklungsland. Im Fall des Falles hätte wohl jeder gerne eine neue Niere. Aber die Rolle als Spender kommt nach dem Tod für die meisten nicht in Frage.

    Ist Nehmen seliger als Geben? Wohl kaum. Es ist enttäuschend, dass – so das einhellige Bild aktueller und auch früherer Umfragen – die Menschen der Organspende mit breiter Mehrheit positiv gegenüberstehen. Wenn es aber konkret wird, dies in einem Spenderausweis zu dokumentieren, wird aus der Mehr- schnell eine Minderheit. Dass es 2019 faktisch weniger als 1000 Spender in der Bundesrepublik gegeben hat, ist eine sehr deutliche Sprache.

    Ein Günzburger kann einen zweiten Geburtstag feiern

    Deutschland profitiert auch von dem Zusammenschluss acht europäischer Länder in der Stiftung Eurotransplant, die in diesem Gebiet als Vermittlungsstelle für Organspenden fungiert. Solidarisch dürften es Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und die Benelux-Länder nicht finden, wenn Deutschland unter dem Strich dauerhaft weniger einbringt als die Transplantationszentren hierzulande an Organen einsetzen.

    Der Günzburger Michael Wagner weiß, warum er vom 6. Mai als seinem zweiten Geburtstag spricht. Denn 2019 wurde ihm an diesem Datum eine fremde Leber eingepflanzt. Ohne die Organgabe eines Spenders, der noch im Tod einem anderen Menschen eine Lebenschance schenkte, gäbe es Wagner heute höchstwahrscheinlich nicht mehr. Ihm wäre es so ergangen wie gut 1000 Menschen pro Jahr in Deutschland. Sie sterben, während sie auf den Wartelisten stehen. Sie hoffen auf Hilfe, die nicht kommt.

    Eine Spende bedingt die Freiwilligkeit

    Es ist schon richtig: Das Kennzeichen einer Spende ist der Charakter der Freiwilligkeit. Eine Widerspruchslösung verwässert dieses Prinzip. Aber es ist kein zu hoher Preis und nicht zu viel verlangt, wenn man sich ein einziges Mal dagegen aussprechen muss, sofern man Organe im Todesfall nicht spenden will. Eine Begründung wird gar nicht erwartet.

    Die Widerspruchslösung wird vermutlich in einigen Jahren kommen, weil sich der schon jetzt untragbare Zustand noch verschlimmern wird. Übel ist dabei, dass Jahre ins Land ziehen. Fünf Jahre heißt ungefähr 5000 Tote. Mehr Menschen als der Markt Offingen Einwohner hat, müssen in diesem Zeitraum wohl sterben. Das ist unerträglich. Was jenseits aller Regelungen getan werden kann: Füllen Sie einen Organspendeausweis aus!

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