Die Schäden sind immens und sie wachsen stetig: Unbekannte erbeuten Millionenbeträge durch Cyberkriminalität. Opfer dieser Online-Ganoven gibt es auch im Landkreis Günzburg. In Krumbach verlor ein Industriebetrieb fast eine Million Euro durch ein Betrugsmanöver aus Ungarn. Fast täglich werden Privatleute unter anderem durch gefälschte Servicedienste abgezockt. Über Schutzmöglichkeiten gegen Cyberkriminelle informierte Kriminalhauptkommissar Thomas Mayer bei einer CSU-Veranstaltung in Ichenhausen.
Und der Experte nahm kein Blatt vor den Mund: „Absolute Sicherheit ist absolute Illusion“ – jeder Computer sei ebenso zu knacken wie ein Haus. Internet-Ganoven schaffen es, auf allen möglichen Wegen in Firmen- oder Privatrechner einzudringen, um sich zu bereichern. Allein im Kreis Neu-Ulm sei ein Unternehmen in Sekunden lahm gelegt worden, erzählte Alfred Sauter. „Alle Daten waren weg“, sagte der CSU-Kreisvorsitzende als Initiator der Infoveranstaltung im Autenrieder Brauereigasthof. Die Firma hat Millionen an die Gangster im Ausland überwiesen, um weiterarbeiten zu können.
Eine „höchst lukrative Einnahmequelle“, bestätigte Cyberermittler Mayer von der Neu-Ulmer Kripo. Wie im Fall einer Krumbacher Firma. Der gingen per CEO-Fraud fast eine Million Euro flöten, die nach Ungarn transferiert wurden. Bei dieser Methode wird das Firmen-Netzwerk ausgespäht und durch den angeblichen Chef per E-Mail eine Überweisung veranlasst. Erst nach Monaten intensiver Ermittlungsarbeit gelang es, die Summe aus Ungarn wieder zurückzuholen. Durch diese Betrugsmasche sind laut Mayer schon immense Schäden entstanden – mit Folgen bis zur Firmenpleite.
Die Dunkelziffer der Cybercrime-Fälle dürfte deutlich höher sein
Die Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West weist allein von 2018 auf 2019 eine Zunahme der Cybercrime-Delikte von 851 auf 1005 durch Waren- und Kreditbetrug, Computerbetrug beziehungsweise Ausspähen/Abfangen von Daten auf. Die Dunkelziffer dürfte laut Polizei noch deutlich höher liegen, weil viele Opfer aus Eitelkeit, Scham oder Reputationsgründen keine Anzeige erstatten.
Es gibt verschiedene Phänomene der Cyberkriminalität – von solchen Angriffen können Einzelrechner genauso betroffen sein wie komplette Netzwerke. Emotet bezeichnete Mayer als „Speerspitze der Cyberkriminalität“. Es handelt sich um eine Schadstoff-Software, die das Computersystem eines Unternehmens ausspioniert und sich Zugang über Einfallstore wie E-Mail oder alte Firm- oder Hardware verschafft. Im Landkreis Günzburg wurde so eine rechnergesteuerte Produktion lahmgelegt, um damit Geldzahlungen zu erpressen.
So kann man sich vor den Betrügern schützen
Damit es nicht so weit kommt, empfahl Mayer verschiedene Präventionen. Dazu zählen beispielsweise virtuelle Rechner mit eigenem Netzwerk, Trennung von Firmenbereichen, Eingrenzung der Netzwerk-Berechtigungen, Ausführung von Makros verhindern, die wichtigsten Daten „Kronjuwelen“ stetig und zusätzlich offline sichern, ein Ernstfall-Konzept proben, regelmäßig Back-ups machen.
Außerdem empfahl Mayer „gesundes Misstrauen“ bei Online-Aktivitäten. Bei einem TV-Gerät, das ständig für 1500 Euro angeboten werde und dann bei einem Shop plötzlich nur die Hälfte koste, sei extreme Vorsicht geboten. Denn niemand habe im Internet etwas zu verschenken.
Auf keinen Fall Anhänge und Links in Mails unbekannter Herkunft öffnen
Anhänge oder Links in E-Mails unbekannter Herkunft sollten keinesfalls angeklickt und von unbekannten Datenträgern sollten die Finger gelassen werden. Einige Nachfragen aus dem Kreis der knapp 50 Besucher des Infoabends zeigten großes Interesse bis zur Verunsicherung. Bedenken wegen der kompletten Vernetzung von Krankendaten im Klinik- und Praxisbereich durch eine Telematik-Infrastruktur äußerte ein Arzt. Die Frage, ob vorab Cybercrime-Spezialisten hätten eingeschaltet werden sollen, konnte Kripomann Mayer nicht beantworten, da dies über seinen Zuständigkeitsbereich hinaus gehe.
Andere Fragen – auch von etwa 30 Personen, die die Veranstaltung virtuell in Netz verfolgten – betrafen die Erkennbarkeit der Kaperung des Rechners durch Internet-Ganoven oder die Sicherheit von Passwörtern. Als „unglaublich spannend“ bezeichnete CSU-Kreischef Sauter die Infos über Cyberkriminalität, vieles sei wohl nicht beherrschbar. Beunruhigend empfinde er es, dass die Polizei Täter selbst im EU-Ausland wie Malta oder Zypern nicht erwischen könne, andererseits aber Strafzettel aus Südtirol in Deutschland problemlos verfolgt würden.
Die Polizei hat eigene Kommissariate gebildet
Die Fallzahlen im Bereich Cyberkriminalität haben im Kreis Günzburg 2020 gegenüber dem Vorjahr deutlich – bisher um fast 20 Prozent – zugenommen, wie das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West (PP) auf Anfrage mitteilt. Das beginnt mit eher simplen Betrugsmanövern bei Internet-Käufen und reicht bis zur millionenschweren Abzocke.
Im Kampf gegen dieses Kriminalitätsphänomen wurden auch im Bereich des Polizeipräsidiums seit 2017 eigene Kommissariate (K 11) bei den Kriminalpolizeiinspektionen Kempten, Memmingen und Neu-Ulm gebildet. Dort sind neben den klassischen Ermittlern auch Informatiker im Einsatz, die als IuK-Kriminalisten (Information und Kommunikation) einen Quereinstieg bei der Polizei gemacht haben, die weiter solche Spezialisten sucht.
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