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Mundschutz: Wie in der Corona-Krise ein bisschen Stoff zum Politikum wurde

Mundschutz

Wie in der Corona-Krise ein bisschen Stoff zum Politikum wurde

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    Obwohl viele Experten das Tragen von Masken lange Zeit als wenig hilfreich beurteilten, gehören sie heute zum Alltag.
    Obwohl viele Experten das Tragen von Masken lange Zeit als wenig hilfreich beurteilten, gehören sie heute zum Alltag. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Am 27. April kam sie dann doch: die Maskenpflicht. Wochenlang wurde öffentlich debattiert, ob in Bayern das Tragen von Masken zur Pflicht werden soll. Während die Bundesländer noch zögerten, handelte die thüringische Stadt Jena: Am 6. April führte sie die Maskenpflicht ein. Grund für das mehrheitliche Zögern war die Haltung des Robert-Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation.

    Diese bezweifelten lange die Schutzwirkung von Stoffmasken und wollten den weltweit knappen medizinischen Mundschutz lediglich infizierten Menschen und medizinischem Personal vorbehalten. Am 2. April folgte dann die Kehrtwende: RKI-Chef Lothar Wieler verkündete, der Fremdschutz durch Alltagsmasken sei doch plausibel, wenn auch nicht wissenschaftlich belegt. Im Mai lenkte auch die WHO ein.

    Es gab schon zuvor wissenschaftliche Belege für den Schutz von Masken

    Der Entscheidung vorangegangen waren internationale Forschungsergebnisse und ein öffentlicher Aufruf führender Hygieniker um Peter Walger, Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Sie sprachen sich für das Tragen von Masken aus. Walger sagte unserer Zeitung: „Besser eine selbst genähte Mund-Nasen-Bedeckung als gar keine.“ Erfahrungen mit dem SARS-1 oder MERS-Virus hätten gezeigt, dass nicht nur der medizinische Mund-Nasen-Schutz, sondern auch jener aus Stoff vor einer Tröpfchenübertragung schützen können. Und zwar sowohl den Träger als auch das Umfeld.

    Diese Ansicht stützen auch mehrere Studien, die für einen Gebrauch von Masken in der Bevölkerung sprechen, wie das Wissenschaftsmagazin spektrum jüngst darstellte. Beispielsweise eine aus dem Jahr 2003: Sie stammt aus der Zeit der Sars-Epidemie im selben Jahr. Deren Erreger sind zu 80 Prozent genetisch identisch mit dem Covid-19-Virus. Schon damals hatte sich gezeigt, dass durch einfache Chirurgen-Masken das Ansteckungsrisiko um 70 Prozent sank. Wenige Jahre später wurde diese Annahme bestätigt. Und auch die Erfahrungen aus Jena haben gezeigt, dass (Stoff-)Masken die Infektionszahlen abgeschwächt haben.

    Es fehlten für eine weltweite Versorgung der Menschen ausreichend Masken

    Die trotz der wissenschaftlichen Daten ablehnende Haltung der WHO und des RKI zu Beginn der Pandemie erklärt Hygieneexperte Peter Walger mit dem allgemeinen Mangel an medizinischem Mundschutz. Man sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen auf den massiven Bedarf infolge der Pandemie, sagt er. Aber auch der gesellschaftliche Hintergrund in der westlichen Welt dürfte seiner Ansicht nach eine Rolle gespielt haben. Denn während in asiatischen Ländern wie Taiwan, Japan oder Südkorea das Tragen von Masken für die Bevölkerung völlig normal war, sei es für die meisten westlich geprägten Menschen eher befremdlich, ist sich Walger sicher. Trotz der positiven Erfahrungen mit Masken in der Vergangenheit aber warnte die WHO, „ein falsches Gefühl der Sicherheit“ zu vermitteln. Darüber hinaus fehlten für eine weltweite Versorgung ausreichend Masken. Und selbst genähte gab es damals noch nicht.

    Wissenschaftler haben den Schutz von Stoffmasken nachgewiesen

    Eben diese Stoffmasken spielten letztlich die entscheidende Rolle. „Anfangs glaubte man, dass der Träger durch eine Maske nicht geschützt wird“, erklärt Walger. „Das hat sich nun geändert.“ Inzwischen haben auch Materialwissenschaftler kürzlich diesen Schutz nachgewiesen.

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    Damit dieser auch wirklich gewährleistet wird, muss die Maske aber richtig sitzen. Denn so zögerlich die Maskenpflicht auch eingeführt wurde, umso länger würde der Mund-Nasen-Schutz Menschen in ihrem Alltag begleiten, versichert Verena Hoch, Fachärztin im Deutschen Beratungszentrum für Hygiene. Nach rund zwei Monaten zieht sie ein erstes Fazit und benennt die häufigsten Fehler: „Menschen tragen die Maske nur über den Mund, während die Nase aber nicht bedeckt ist.“ Beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln habe sie dies beobachtet. An der frischen Luft hingegen sei es nicht notwendig, eine Maske zu tragen.

    Bei der falschen Passform schwindet der Schutz der Masken

    Aber auch die falsche Passform vermindert den Schutz. Denn liegt die Maske am Kinn nicht richtig an, sagt Hoch, könne die Luft ungehindert zirkulieren. Außerdem warnt sie davor, mit der Hand in die Maske zu fassen – auch wenn die Nase juckt. Dadurch könnten sich Keime schneller verbreiten, sagt sie: „Dabei geht es nicht nur um Corona-Viren, sondern um eine Vielzahl anderer potenziell infektiöser Mikroorganismen, die jeder von uns im Nasen-Rachen-Raum trägt und die möglichst nicht weiter getragen werden sollten.“ Aus dem gleichen Grund sollte die Maske besser in luftdurchlässigen Beuteln oder Boxen als in der Hosentasche transportiert werden.

    Aber auch in der Pflege der Masken gibt es Einiges zu beachten: So sind nur Stoffmasken wiederverwendbar, bei den medizinischen Varianten handelt es sich um Einmalprodukte.

    • Community-Masken Nach drei bis vier Stunden sollte man sie wechseln. Ist der Baumwollstoff aber vorher feucht, dann sogar schon früher. Bei 60 Grad gewaschen oder auf dem Herd fünf Minuten aufgekocht, können Masken anschließend wieder getragen werden.
    • OP-Masken Der sogenannte dreilagige Mund-Nasen-Schutz, wie er etwa in Krankenhäusern verwendet wird, dient wie die Stoffmaske mehr dem Fremdschutz. Er schützt aber auch den Träger selbst, insbesondere vor großen Tröpfchen. Auch hier gilt: Ist die Maske feucht, sollte sie gewechselt werden.
       
    • Filtrierende Masken Diese Art der Maske schützt sowohl den Träger als auch das Umfeld. Allerdings wird durch die Filterleistung die Atmung erschwert. Solche Masken eignen sich daher nicht für Menschen mit Lungenerkrankungen. Es gibt zwar Ventile, die das Atmen erleichtern. Allerdings sollten Erkrankte diese nicht tragen, da die Umwelt vor einer Ansteckung nicht geschützt wird.

    Der Schutz durch Masken beschäftigt nicht nur Forscher weltweit, sondern auch in Deutschland. So nutzten diese die komfortable Ausgangslage, dass Jena drei Wochen früher als der Rest Deutschlands die Maskenpflicht eingeführt hatte. Ihre Ergebnisse zeigen: Die Zahl der Neuinfektionen ist deutlich geringer ausgefallen als in Vergleichskommunen. Anders als in vorherigen Studien, die in Kliniken durchgeführt wurden, forschten die Wissenschaftler in Jena unter realen Bedingungen und konnten Verhaltensänderungen der Menschen durch die Maskenpflicht mit abbilden. Hygieneexperte Walger fühlt sich durch die Studie bestätigt. Infektionsausbrüche habe es nur dort gegeben, wo die Hygienemaßnahmen nicht eingehalten wurden.

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