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Friedberg: Stadtpfarrei in Friedberg: Keine Chance dem Missbrauch

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Stadtpfarrei in Friedberg: Keine Chance dem Missbrauch

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    Der Arbeitskreis "Prävention" der Friedberger Kirchengemeinde St. Jakob soll ein Schutzkonzept gegen Missbrauch erarbeiten.
    Der Arbeitskreis "Prävention" der Friedberger Kirchengemeinde St. Jakob soll ein Schutzkonzept gegen Missbrauch erarbeiten. Foto: Friso Gentsch, dpa

    „Die Idee zu diesem Arbeitskreis fällt natürlich nicht vom Himmel“, sagt Pater Steffen Brühl gleich zu Beginn. Spätestens seit der jüngsten Missbrauchskonferenz im Vatikan im Februar sei das Thema wieder in aller Munde.

    Im Gespräch mit dem Theologen wird aber schnell klar: Die Friedberger Pfarrei Sankt Jakob möchte sich konsequent mit Missbrauch auseinandersetzen und tut mehr, als auf Druck von außen zu reagieren.

    Arbeitskreis der Kirche gegen Missbrauch in Friedberg

    Am 19. Februar traf sich erstmals der Arbeitskreis „Prävention“. Dort sitzen unter anderem Ärzte, Psychologen, Erzieher, Juristen und natürlich auch Jugendliche. „Es soll im Arbeitskreis um alle Schutzbefohlenen der Gemeinde gehen.

    In erster Linie sind das freilich junge Menschen. Aber auch Behinderte, Kranke und Alte müssten besonders berücksichtigt werden“, so Pater Brühl. Bis Ende des Jahres soll ein umfassendes Schutzkonzept fertig sein, das dann in Papierform und im Internet veröffentlicht wird.

    Missbrauch beginnt mit kleinen Grenzüberschreitungen

    „Alles beginnt meist mit einer kleinen Grenzüberschreitung“, sagt Pater Brühl. Das könne oft unbewusst passieren. Beispielsweise, wenn man einem Kranken gegen seinen Willen Essen verabreicht.

    Selbst die Tante, die ihrem Neffen immer zur Begrüßung in die Wange kneift, übertrete unter Umständen bereits eine Grenze. „Wichtig ist zunächst, dass jeder für sich seine Rolle und sein Verhalten kritisch hinterfragt“, so Brühl.

    Missbrauch passiert überall

    Zwei Hauptziele hat sich der Arbeitskreis „Prävention“ gesetzt: Neben Richtlinien zum persönlichen Umgang mit Schutzbefohlenen soll es auch um den Umgang mit Verdachtsfällen gehen. Zwar habe die Kirche ein großes Problem mit Missbrauchsfällen, dennoch geschehen rund 75 Prozent der Fälle im engeren Umfeld der Betroffenen.

    „Wir wollen Ansprechpartner sein, wenn Menschen etwas auffällt und gleichzeitig selbst sensibel dafür sein, mögliche Probleme von Menschen in der Gemeinde zu erkennen“, sagt Pater Brühl.

    Eine Million Kinder und Jugendliche Opfer von Missbrauch

    Die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind erschreckend: Eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland sind schätzungsweise Opfer von sexueller Gewalt geworden.

    „Statistisch sitzen in jeder Schulklasse ein bis zwei Betroffene. Das ist kaum zu glauben und beschämend. Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein: Missbrauch findet überall statt. Das haben wir jahrzehntelang kleingeredet, Kirche und Gesellschaft“, sagt Brühl.

    Seit Jahren Prävention gegen Missbrauch in Friedberger Gemeinde

    In der Vergangenheit habe sich die Pfarrei Sankt Jakob bereits mit der Missbrauchsproblematik auseinandergesetzt und Präventionsarbeit geleistet, so Pater Brühl.

    „Bei uns wird zum Beispiel niemand Jugendgruppenleiter ohne eine entsprechende Schulung. Das machen wir seit Jahren. Wir verlangen auch von jedem Ehrenamtler ein polizeiliches Führungszeugnis.“

    Glücklicherweise sei ihm aus der eigenen Pfarrei bislang auch kein Fall von Missbrauch bekannt, sagt Brühl. „Ausschließen kann man das trotzdem nirgendwo.“

    Schutz vor Missbrauch in Kirche: "Nein" muss in Ordnung sein

    Selbstkritisch fügt Brühl an: „Das reicht nicht mehr aus, wir wollen mehr tun und im Arbeitskreis gute Ansätze systematisch zusammenführen. Lange Zeit hat man sich über viele Dinge einfach keine großen Gedanken gemacht.“

    Wichtig sei es vor allem, Kinder und Jugendliche zu bestärken, dass „Nein“-Sagen in Ordnung ist. „Die Eltern sollen darauf vertrauen können, dass ihre Kinder sicher und geborgen bei uns sind.“

    Brühl wünscht sich eine „Kultur der Achtsamkeit und Konsequenz, aber nicht der Verdächtigung“. Dazu sei es nötig, in Verdachtsfällen ruhig zu bleiben und überlegt zu handeln. Er habe aus der Gemeinde bisher ausschließlich Zuspruch für die Idee erhalten. „Viele haben mir sogar sofort ihre Mithilfe angeboten.“

    Arbeitskreis gegen Missbrauch tagt im April wieder

    Als nächstes beschäftigt sich der Arbeitskreis „Prävention“ mit potenziellen Gefahrenräumen, also mit Situationen, die anfällig für Grenzüberschreitungen oder gar Missbrauch sein könnten.

    Am 4. April tagt der Arbeitskreis das nächste Mal. „Der Zeitplan bis Ende des Jahres ist sportlich. Aber man muss sich einfach selbst fragen, wie wichtig einem so ein Thema ist. Mir persönlich liegt sehr viel daran“, bekräftigt Pater Brühl.

    Er begrüßt die Initiative, die die katholischen Kirche beim Thema Missbrauch mittlerweile zeigt. Ihm geht es aber noch nicht schnell und nicht weit genug. „Täter müssen konsequent aus dem Kirchendienst, das darf gar keine Frage sein.“

    Lesen Sie dazu auch unseren Bericht: Anti-Missbrauchsgipfel erntet Kritik an der Kirchenbasis

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