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Foto: Paulus
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Hubert Aiwanger zählt zu den aktivsten Politikern in sozialen Netzwerken – und zu den pointiertesten.

Freie Wähler
10.02.2024

Was macht Hubert Aiwanger da eigentlich im Internet?

Von Christof Paulus

"Grunz" und "Lügenbolde" sind Ausdrücke, die Aiwanger auf Twitter nutzt. Sein Auftreten ist für einen Minister mehr als ungewöhnlich. Ändern wird er es aber wohl nicht.

Hubert Aiwanger ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands – und zugleich einer der meistkritisierten. Er polarisiert, was zum einen an seinem Erfolg in den vergangenen Jahren liegt. Aber auch an seinem Auftreten: Besonders seine Äußerungen auf X (oder Twitter, wie das soziale Netzwerk lange hieß) geben Rätsel auf.

Denn nicht nur, dass Aiwanger dort regelmäßig mit Provokationen und Scharmützeln auffällt, die für einen Politiker seiner Kragenweite mindestens untypisch sind: Auch die Frage, was er auf X überhaupt erreichen will, stellt sich. Denn Aiwanger passt auf den ersten Blick gar nicht zu der Plattform: Sie gilt als Blase, geprägt von Linken, Liberalen und Progressiven, deutlich kleiner als Facebook oder Instagram und beliebt vor allem im Medien- und Politikbetrieb. Zu letzterem zählt Aiwanger zwar selbst auch, doch sein Publikum und seine Wähler sieht er vor allem außerhalb dieser Gruppe. "Normal" ist ein Wort, das er gerne benutzt, "genau in der Mitte" sei er, "der Mensch im Mittelpunkt" ist sein politischer Grundsatz – man tritt ihm wohl nicht zu nahe, wenn man sagt: Aiwanger will der Vertreter des kleinen Mannes sein.

Wie Hubert Aiwanger auf Twitter agiert

Sein Gegner: die da oben. Dazu zählen natürlich auch Vertreter der Medien – denen er wegen der Berichterstattung über ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Schulzeit eine "Hexenverbrennung" vorwarf. Oder seine Kolleginnen und Kollegen in der Politik – zum Beispiel die "Taugenichtse" der Bundesregierung, wie Aiwanger die Ampel nannte. Was will Aiwanger also in einer Blase, die zu großen Teilen aus seinen erklärten Gegnern besteht?

"X hat sich radikalisiert", sagt Klaus Meier, Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Seit im Oktober 2022 der Milliardär und Unternehmer Elon Musk die Plattform aufgekauft hat, verändern sich Klima und Diskurs dort zunehmend. "Es gibt viele gemäßigte Nutzer, die sich zurückziehen", hat Meier beobachtet. Früher hätten Diskurse Twitter mitgeprägt, an denen sich auch Fachleute beteiligen konnten. Dazu komme es heute kaum noch: Stattdessen stehen im neuen X Provokationen im Vordergrund – die viele Reaktionen hervorrufen und Aufmerksamkeit generieren.

Genau darin ist Aiwanger ein Meister. Dessen Äußerungen nennt Meier "teils populistisch"; viele erinnert das Auftreten des Freie-Wähler-Chefs an Donald Trumps Social-Media-Strategie. "Er stellt Zusammenhänge her, die nicht gegeben sind", sagt Meier über Aiwanger. Etwa, dass für Bauern Geld im Bundeshaushalt fehle, weil die Bund und Ländern gehörende Förderbank KfW Kredite für Radwege in Peru gewährt, wie Aiwanger im Januar twitterte. Die Konfrontation sucht Aiwanger in den sozialen Netzwerken offenbar bewusst.

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Provokationen und Shitstorms für Hubert Aiwanger in sozialen Medien

2022 warf er etwa einigen "Woken" vor, wie er sie nannte, Winnetou abschaffen zu wollen. "Natürlich wolltet ihr das, ihr Lügenbeutel!", twitterte Aiwanger damals. In einer Diskussion um erneuerbare Energien antwortete er einem Nutzer mit "Grunz". Kultstatus erlangte ein Kommentar Aiwangers, den er später als von ihm zitierte Zuschrift eines Bürgers bezeichnete. Damals schrieb er unter einen Tweet, in dem ein Video von ihm geteilt wurde: "Herr Aiwanger, wir bräuchten mehr Politiker wie Sie, mit Verstand und Pragmatik. Sie sind ein Kämpfer und haben sich Ihren Posten als bayerischer Wirtschaftsminister hart erarbeitet!" Einige Nutzer vermuteten, dass Aiwanger dies eigentlich mit einem anonymen Zweitaccount kommentieren wollte. Jüngst nannte er außerdem in seiner einzigen Äußerung zu dem Thema die von vielen Zehntausend Menschen besuchten Demonstrationen gegen rechts "von Linksextremisten unterwandert".

"Aiwanger ist ein Bauchpolitiker", sagt der Eichstätter Professor Meier über die Tweets. "Er gibt nie den seriösen Landesvater." Ihm gelinge es, sich erfolgreich als Anwalt der einfachen Leute darzustellen – obwohl er selbst zu "denen da oben" gehört, gegen die er gerne austeilt, erklärt Meier. Dass das offenbar bei vielen verfängt, nennt er den "Aiwanger-Effekt": "Das Bild muss stimmig sein, und das ist es bei Aiwanger", sagt Meier. Deshalb geht er davon aus, dass der an seinem Auftreten wenig ändern, sondern eher noch polarisierender werden könnte: "Ausschließen kann man aber nie, dass es sich irgendwann abnutzt, wenn er auf jeden Zug aufspringt – oder auch Traktor."

Hubert Aiwanger auf Twitter und die "normale Welt"

Dass er auf X in seiner heutigen Form Erfolg hat, lässt sich also erklären: Zur auf Provokation ausgelegten Plattform passt Aiwangers Auftreten. Wohl auch deshalb erreichen seine Beiträge in der Regel mindestens so viele Nutzerinnen und Nutzer wie die von Markus Söder, teils sogar deutlich mehr. Doch schon im diskursiver geprägten Twitter war Aiwanger sehr aktiv, pflegt seinen Account seit 2016. Wen er damals erreichen wollte, ist auch für Meier schwerer zu identifizieren. Eine mögliche Erklärung: Journalistinnen und Journalisten sowie der Politikbetrieb nehmen schon seit Langem genau wahr, wer was in den sozialen Medien mitzuteilen hat. Sie sind Multiplikatoren, und auch wenn Twitter deutlich weniger Nutzerinnen und Nutzer hat als etwa Facebook, konnten die Botschaften dort schon immer ein großes Publikum erreichen.

Eine Anfrage unserer Redaktion zu seiner Strategie in den sozialen Medien ließ Aiwanger unbeantwortet. Dem Münchner Merkur verriet er einst, dass er auf Twitter "die normale Welt gegen die in meinen Augen verrückte Welt" verteidige. Und wenn er auf den Putz haue, sei das sorgsam kalkuliert.

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