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Autocross: Wie Vettel – nur im Dreck

Autocross

Wie Vettel – nur im Dreck

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    Zuerst noch als Beifahrer neben Reinhard Zolda durfte DZ-Mitarbeiter Leonhard Müllner auf dem Kesseltalring schnell auch selbst hinters Lenkrad.
    Zuerst noch als Beifahrer neben Reinhard Zolda durfte DZ-Mitarbeiter Leonhard Müllner auf dem Kesseltalring schnell auch selbst hinters Lenkrad.

    Brachstadt Wie oft träumte ich davon, allein jedes Mal, wenn ich einen Bergpass fuhr, wie Sebastian Vettel im Rennwagen mit hoher Geschwindigkeit und Geschick Autorennen zu fahren. Und nun wird der Traum wahr: Ich werde Rennfahrer – zumindest für ein paar Stunden und auch nicht auf einer asphaltierten Strecke, sondern auf losem Belag. Dafür fahre ich an einem verregneten Samstag nach Brachstadt bei Tapfheim. Lange muss ich nicht nach der Rennstrecke suchen, da die Autos relativ laut sind und man das Dröhnen der Motoren schon von Weitem hört. Dort ist also der Platz, an dem der dreckige Motorsport Autocross stattfindet. Meine Kollegen hatten mich schon vorgewarnt, dass die Autos keine Scheiben haben, also habe ich extra meinen alten Helm mitgenommen. Einen Rennanzug wollte mir Reinhard Zolda, Jugendleiter des Motor-Club Kesseltal im ADAC (kurz MCK), organisieren. Er ist auch der Mann, bei dem ich mitfahren und in dessen Auto ich später sogar selber ein paar Runden fahren darf.

    Angekommen am Fahrerlager stehen sie schon überall herum: kleine und große zerbeulte Autos, ohne Scheibe und Beifahrersitz, mit und ohne Allradantrieb. Ich schaue mich ein wenig um und spreche mit den Fahrern, da meinen Rennanzug aus nicht brennbarem Material eine Familie aus Ansbach mitbringt, die sich etwas verspätet. Die Fahrer sind sehr freundlich und zeigen mir bereitwillig, was unter der Motorhaube steckt. Als Laie erkenne ich keinen großen Unterschied zu einem normalen Auto, bis auf den Sportluftfilter. Doch es sind größere Motoren aus anderen Autos verbaut. Der Innenraum hat gar nichts mehr mit einem normalen Auto zu tun. Es ist fast alles anders, vom Beifahrersitz, bis hin zum Originaltank, der sich nicht unter dem Innenraum befindet, sondern mittendrin befindet. Dieser ist zudem kleiner, um Gewicht zu sparen. In Zoldas Auto gibt es einen Beifahrersitz, damit ich mitfahren kann. Meine Anfangsaufregung legt sich schnell, nachdem ich erfahre, dass dieser Sport nicht gefährlicher ist als Skifahren. Auch, die Tatsache, dass das Auto die gleiche Motorisierung hat wie mein eigener Wagen, obwohl ich von einer höheren begeistert gewesen wäre, senkt meinen Adrenalinspiegel. Ich hoffe, dass das geringe Gewicht einen Leistungsunterschied herbeiführt.

    Das ist das Auto, mit dem ich fahren werde, ist ein weißer VW Polo, ohne Allradantrieb – der findet sich nämlich nur in den größeren Fahrzeugklassen wieder. Ich bin gespannt, denn die Fahrer, die schon eine Runde auf der rutschigen Strecke absolviert haben, fluchen und schimpfen über die seifige Fahrbahn. Ich hoffe, ich demoliere das Auto nicht, das braucht Zolda nämlich spätestens an diesem Wochenende.

    Wie man zu dem Sport kommt? Diese Frage hört der Jugendleiter oft. „Meistens durch den Job, wenn man KFZ-Mechatroniker ist, viel mit Autos zu tun hat oder durch Freunde“, sagt Zolda. Obwohl Autocross zum günstigeren Motorsport gehört, heiße das nicht, dass es ab 5000 Euro für ein umgebautes Fahrzeug keine Grenzen nach oben gebe. Der Zeitaufwand sei enorm. „Man sitzt fast jeden Abend in der Werkstatt und schraubt an seinem Auto, um es immer weiter zu optimieren“, sagt Zolda. Rennen finden meistens am Wochenende statt und das quer verteilt in Deutschland und Europa. „Da muss man sich notgedrungen Montag und vielleicht noch den Dienstag freinehmen. Doch dabei spielt nicht jeder Arbeitgeber mit“, so der Jugendleiter. Dabei fallen wieder Kosten an, für die Hinfahrt, Übernachtungen und für alles was noch dazu gehört.

    Endlich ist es soweit, mein Anzug aus Ansbach ist gekommen und nun geht alles ziemlich schnell. In Zoldas Wohnwagen ziehe ich mich um und fühle mich wie ein zweiter Vettel. Helm aufgesetzt und schon werde ich in Richtung Beifahrersitz, der nur für mich montiert wurde, gedrängt. Ob Vettel wohl auch jemanden braucht, der die vielen Schlaufen des Gurts in einen kreisrunden Schließmechanismus steckt? Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich endlich sicher angeschnallt. Das Auto ist zusätzlich mit einem Überrollkäfig verstärkt. Zudem hat Zolda eine sehr beruhigende Art. Die Federung ist sehr straff, man spürt also jedes Schlagloch. Noch nicht einmal die Geschwindigkeitsanzeige funktioniert. Nun steigt auch der erfahrene Autocrossfahrer ein und ist viel schneller angeschnallt als ich.

    Auf gehts zur Startposition. Wir müssen etwas warten, währendessen bekomme ich ein kleine Sicherheitseinweisung vom Jugendleiter: „Wenn das Auto auf dem Dach liegt, nicht gleich abschnallen, sondern erst mal abchecken, wo man sich befindet und wie man sich am besten abstützt. Aussteigen durch die Tür oder wenn diese verklemmt ist, durch das Fenster. Aber wir werden uns schon nicht auf das Dach legen.“ Kurz ist mir mulmig zu Mute, aber nachdem die Bahn frei ist und wir losfahren, beruhigt sich mein Puls ganz schnell wieder. Einen großen Unterschied zur Beschleunigung meines Wagens meine ich nicht feststellen zu können, das liegt aber vielleicht am defekten Tacho. Es geht zunächst einen Hügel hinauf, dessen Oberfläche schon ganz zerfurcht ist. Haftung haben wir nicht, durch geschicktes Hin- und Herlenken bleiben wir aber auf Kurs. Dann geht es bergab in die erste Kurve. Da es schon seit einer Stunde regnet, hat sich eine Art seifige Oberfläche gebildet. Darum können wir nur im zweiten Gang nach unten fahren und dürfen dabei nicht bremsen, da wir sonst in die Bande rauschen würden.

    Ich schaue genau zu, wie der Profi das macht, wann er in welcher Kurve wie schaltet und wann er Gas gibt. Zolda ist sehr gesprächig während des Fahrens und gibt mir Tipps, wie ich später fahren soll und kann. Es dröhnt im Fahrzeuginneren. Ab und zu überholt uns ein Auto und bespritzt uns mit Schlamm. Und da ist es auch schon passiert: Ein Buggy überholt uns in der Kurve, kommt ins Schleudern und dreht sich. Zolda drückt auf die Bremse und wir kommen kurz vor dem Buggy zum Stehen. Nach ein paar weiteren Runden bin ich gebrieft und habe die Strecke im Kopf, auch wann ich schalten muss. Wir wechseln, dieses Mal geht das Anschnallen schneller. „Am besten ganz festzurren, damit man nicht hin und her geschleudert wird“, gibt mir der Profi als Tipp mit. Wir müssen eine Weile warten, da ich die Strecke alleine benutzen darf, damit ich nicht so sehr auf den „Verkehr“ achten muss. Ich nutze die Zeit, um mich mit Zolda zu unterhalten.

    Das letzte Auto fährt von der Strecke und los geht es. Ich bin motiviert, gebe Vollgas und mache alles so, wie ich es mir vorher abgeschaut habe. Den Berg hoch manövrieren, in die S-Kurve im zweiten Gang und wieder Vollgas. Nach meiner dritten Runde frage ich Zolda, ob alles in Ordnung ist, da er stumm neben mir sitzt. „Wenn ich nichts sage, dann passt alles“, sagt der Motorsportler. Gut. Ich fahre weiter und bin vom Ehrgeiz gepackt – wie mein Vorbild Vettel – und versuche, jede Runde besser und schneller zu werden. In einer Kurve übernehme ich mich etwas und habe Angst, in die Bande zu fahren, doch das Auto spielt mit und ich kann weiter fahren. Es ist echt schwierig einzuschätzen, wie das Auto auf der schlammigen Strecke reagiert, doch meine jahrelange Erfahrung auf verschneiten Fahrbahnen im Allgäu, ebenfalls mit Frontantrieb, helfen mir dabei. Ich merke gar nicht, dass ich schon sechs Runden gefahren bin und ich eigentlich runter von der Strecke müsste, also fahre ich noch eine zusätzliche, meine beste, wie ich finde und fahre dann runter.

    Stolz und etwas traurig, dass es schon vorbei ist, steigen wir aus dem Auto aus, der Helm schlammverspritzt. Auch Zolda, der sichtlich erleichtert ist, scheint stolz auf mich zu sein und sagt „Für das erste Mal haben Sie es echt gut gemacht“. Es gibt eine schnelle Verabschiedung, da alle ganz heiß darauf sind, zu fahren. Ich ziehe meinen Rennanzug aus und gebe ihn Zoldas Sohn, der schon ganz aufgeregt ist, gleich selber zu fahren.

    Auf der Fahrt nach Hause ertappe ich mich dabei, wie ich Gas geben und genauso in die Kurven preschen möchte, wie auf der Rennstrecke. Doch als die ersten aufgewirbelten Steinchen vom Schotterweg gegen die Karosserie meines Wagens knallen, höre ich doch lieber schnell damit auf. Auf dem Beschleunigungsstreifen merkt man dann doch einen Leistungsunterschied zum Rennwagen.

    Um mich zu beruhigen und um Sprit zu sparen, komme ich bei einer Puddingschnecke beim Bäcker wieder runter und träume weiter von einer Zukunft bei der Formel 1.

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