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Foto: Thomas Hilgendorf (Archivbild)
Foto: Thomas Hilgendorf (Archivbild)

Andrang bei der Donauwörther Tafel in der Zirgesheimer Straße. Ein Bild aus den Anfangsmonaten des Ukrainekrieges. Konflikte in der Nachbarschaft machen sich rasch auch vor der eigenen Haustüre bemerkbar.

Landkreis Donau-Ries
09.04.2023

Armut hat viele Gesichter – das spüren die Hilfsorganisationen der Region

Der Landkreis Donau-Ries steht wirtschaftlich gut und stabil da, trotz globaler Krisen. Trotzdem verzeichnen Hilfsorganisationen wie die Caritas mehr Zulauf.

Die Caritas ist als Sozialeinrichtung ebenso wie die Diakonie meist nah dran an dem, was bei vielen in der mit Wohlstand gesegneten Region weit weg erscheint. Armut, das sei kein Phänomen, das es hier nicht gebe, betont Branko Schäpers, Geschäftsführer der Caritas Donau-Ries. Ein Beispiel könnte eine beeindruckende Zahl liefern. Doch die allein reiche nicht aus, um Armut in Nordschwaben zu beschreiben.

Es seien zuletzt immer mehr Menschen zur Caritas gekommen, entweder um sich bei der Tafel für Lebensmittel zu melden, oder um sich bei den Allgemeinen Sozialen Beratungsstellen, den Insolvenz- und Schuldnerberatungsstellen, den Beratungsstellen der Suchtfachambulanzen und der Sozialpsychiatrischen Dienste oder Migrations- und Integrationsberatung Hilfe zu holen. Bei allen Frauen und Männern gebe es, so Schäpers, einen allgemeinen Grund: Sie sind mit unterschiedlichen Situationen in ihrem Leben belastet. Belastungen, die sie aus eigener Kraft nicht mehr schultern können. 

"Keine Krise kommt allein", so die Rückmeldungen der Beratungsstellen im Kreis Donau-Ries

"Keine Krise kommt allein", so laute derweil die Rückmeldung aus den verschiedenen Beratungsstellen der großen christlichen Sozialorganisation. „Armut ist oft der Ausgangsfaktor, aber auch die anderen Belastungen können ihrerseits zu Armut führen“, erklärt Sozialpädagoge Schäpers weiter. Er ruft nun, in der Zeit rund um Ostern, auch dazu auf, „auch an diese Menschen zu denken und ihnen etwas von dem abzugeben, was wir an Ostern feiern, das Leben, die Hoffnung auf ein besseres Leben“. Die Caritas bittet deshalb erneut um Hilfe für die Menschen in Not, die durch ihre Notlagen von so vielem im alltäglichen Leben ausgegrenzt werden und oft genug vereinsamen. 

„Armut“, so Schäpers „hat viele Gesichter.“ Sie sei aber durch gleiche Kennzeichen erkennbar. In Deutschland liegt laut Armutsbericht die Armutsgefährdungsschwelle bei etwas über 14.000 Euro Einkommen im Jahr. Wer weniger zur Verfügung hat, gilt als arm. „Eine Zahl. Doch dahinter verbirgt sich all das, was Armut bei uns so bitter macht. Eine schlecht isolierte Wohnung, eine ruinierte Gesundheit, billige Nahrungsmittel, Kleidung, die sofort erkennen lässt, dass man in einer sehr schwierigen Lebenssituation steckt und nicht dazu gehört – weil man sich eigentlich nichts außer dem alltäglichen Bedarf leisten kann, wie einen Kinobesuch für die Kinder oder einen Besuch im Eis-Café zum Beispiel.“ Zwar verhungere in Deutschland niemand, aber es sei Tatsache, dass Einkommensarmut zur gesellschaftlichen Exklusion führt, wie die katholische Organisation unterstreicht. 

Armut bedeutet auch ständige Unsicherheit

Wer in Armut lebe, „der lebt auch in einer ständigen Unsicherheit“. Für arme Menschen sei es in der Regel alles andere als einfach, sich jeden Tag neu aufzumachen, den Alltag mit all den vielen kleinen Einschränkungen und dem ständigen „Nein, dafür reicht mein Geld nicht“ zu bewältigen. Wenn dann noch ein Ereignis wie etwa die Insolvenz des Arbeitgebers, Krankheit, beim Kind in der Schule etwas schieflaufe oder ein Gerät wie eine Waschmaschine beschafft werden müsse, dann könne dies weitere Krisen bei den hilfsbedürftigen Menschen auslösen, sagt Caritas-Geschäftsführer Schäpers.

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Menschen in Armut lebten nicht nur in einer Krise, „sie leben in Stapelkrisen“. Dieser Begriff besagt, dass mehrere Krisen zusammenkommen und auf den Menschen einwirken. „Da einigermaßen heil durchzukommen, ist alles andere als einfach.“ Das erkläre auch oft, dass Betroffene auch andere Beratungen wie zum Beispiel den Sozialpsychiatrischen Dienst, die Suchtfachambulanz oder die Schuldner- und Insolvenzberatung aufsuchen. Bei Menschen mit Migrationshintergrund sind die entsprechenden Beratungsstellen die zentralen Anlaufstellen. „Hier wie bei allen anderen Dienststellen müssen wir leider beobachten, dass die Bitte nach Hilfe immer dringender wird.“

Die Zahl der Kunden bei den Tafeln hat sich fast verdoppelt

Ein Beispiel, an dem Armut im Landkreis Donau-Ries mess- und greifbar sei, das sei die Situation der hiesigen Tafeln. Allein im Raum Donauwörth gebe es 950 Menschen auf der Kundenliste der Tafel. Zum Vergleich: Vor der Zeit der Pandemie und allem voran vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine seien es zwischen 500 und 600 Kunden gewesen, wie Schäpers vorrechnet. Die Mehrheit der Neukunden seien Ukrainerinnen und Ukrainer – aber es gebe, erläutert Schäpers, auch Einheimische, die aufgrund eines niedrigen Lohns bei parallel gestiegenen Kosten inzwischen den Weg zur Tafel nehmen. Auch das Thema "Sucht" sei größer geworden. 824 Klienten berät die Caritas Donau-Ries in diesem Bereich. Neben Drogen- und Alkoholsucht (zusammen gut 80 Prozent der Beratungen) ist seit Corona eine exzessive Mediennutzung bei zahlreichen Menschen zum Problem geworden. (hilg, AZ)

Info: Wer die Caritas unterstützen möchte, kann dies auch online über den Spendenbutton unter www.caritas-donau-ries.de tun oder sich als Ehrenamtlicher bei Branko Schäpers melden (Telefon 0906/70920711). 

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