Das Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn enthält einige gute Aspekte (wie die grundsätzliche Stärkung der Versorgung im ländlichen Raum), bietet jedoch auch zu erheblicher Kritik Anlass.
Keine Wirkung der Initiative im ländlichen Raum
Der durchschnittliche Kassenarzt arbeitet bereits 52,5 Stunden pro Woche. Von dieser Zeit nehmen Privatpatienten im ländlichen Raum im Schnitt zehn Prozent ein, sodass der weit überwiegende Teil dieser Zeit der Versorgung von gesetzlich Versicherten zur Verfügung steht. Wir empfinden es als nicht zielführend, dass hier vermittelt wird, Kassenärzte würden 20 Stunden pro Woche arbeiten, und nun werde durch die gesetzliche Vorgabe diese „Arbeitszeit“ auf 25 Stunden pro Woche erhöht und damit die Versorgung verbessert. Im ländlichen Raum wird diese Initiative wegen der ohnehin schon deutlich höheren Arbeitszeiten keinerlei Wirkung erzielen. Die fach- und hausärztlichen Mitglieder von Pradix sehen in diesem Teil der Gesetzesinitiative nur den Versuch, die zunehmenden Engpässe in der ambulanten Versorgung per politischem Schwarze-Peter-Spiel den niedergelassenen Ärzten in die Schuhe zu schieben.
Der Mangel an Haus- und Fachärzten auf dem Land ist das zentrale, aber weiterhin geleugnete Problem. Durch „geschickte“ Anpassung der Bedarfsplanung wird aber weiterhin suggeriert, dass es praktisch kein Versorgungsproblem gibt und dass wir Ärzte nur mehr arbeiten müssten und nicht unsere gesamte Zeit mit der Versorgung von Privatpatienten verbringen müssten, dann wäre alles gut.
Staatsmedizin führt nicht zu verbesserter Patientenversorgung
So wird im Rahmen der aktualisierten Bedarfsplanung derart verfahren, dass bei Ärzteneuzulassungen davon ausgegangen wird, dass Patienten Wege zum Facharzt von 60 Kilometern einfach zuzumuten sind. Wie soll dies einem schwer kranken Lungenpatienten vermittelt werden, der keine zehn Meter ohne Pause gehen kann?
Die steigenden Wartezeiten sind durch zunehmende Bürokratisierung und Reglementierung und eine schon lange verfehlte Bedarfsplanung bei gestiegener Morbidität der immer älter werdenden Bevölkerung, die vom Gesetzgeber gewollte Budgetierung medizinischer Leistungen unter den Bedingungen des SGB-V und durch weitere zahlreiche Verschlimmbesserungsgesetze bedingt. Stichworte sind hier Telematik-Infrastruktur-Gesetz, elektronische Gesundheitskarte, elektronische Patientenakte etc.
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind Freiberufler, haben ihre Praxen aus Eigenmitteln mit viel Mühe nach langer Ausbildung und Erreichen des Facharztstandards aufgebaut, nur diese Freiberuflichkeit mit ihrer impliziten erhöhten Leistungsbereitschaft garantiert den Patienten eine gute Versorgung, die durchschnittliche Arbeitszeit von 52,5 Stunden pro Woche beweist diese Leistungsbereitschaft. Die durch das neue Gesetz eingeführten Regelungen sind weitere Einschnitte in die Freiberuflichkeit und der Weg in die Staatsmedizin, wie etwa in England praktiziert, was bekanntermaßen nicht zu einer Besserung der Patientenversorgung führt.
Niedergelassene Ärzte werden fortlaufend reglementiert
Wir fürchten, dass ambulant tätige Ärzte letztendlich „Angestellte“ von Kassen oder Konzernen werden. Wenn das das Ziel der Gesundheitspolitik sein sollte, muss das endlich den Patienten auch so kommuniziert werden. Wir möchten unsere Patienten weiter darauf hinweisen, dass die ambulante Medizin dem Diktat der Beitragsstabilität der Kassenbeiträge unterliegt, wir aber trotzdem wie bisher bemüht sind, nach medizinischen Kriterien auch unter diesen Bedingungen die für den Patienten uns bestmögliche Versorgung anzubieten.
Weder Kassen noch Gesundheitspolitiker behandeln Patienten, sondern wir. Unsere Möglichkeiten hierzu werden jedoch fortlaufend weiter reglementiert.
Gestiegener Morbidität, verbesserten Behandlungsmethoden und auch der bestehenden Erwartungshaltung an die medizinische Versorgung im Zeitalter von Dr. Google kann dieses System aktuell nicht immer gerecht werden. Die anstehende Digitalisierung ist dabei nur ein Teil der Lösung, in der bisher zur Verfügung gestellten Form jedoch sicher auch ein Teil des Problems.
Ferner möchten wir unseren Patienten empfehlen, sich genau zu überlegen, bei welchen Strukturen ihre sensiblen Gesundheitsdaten in Zukunft am besten aufgehoben sind.
Gezeichnet für die Pradixmitglieder: Dr. med. Wolfgang Hübner, Dr. med. Alexander König, Dr. med. Alexander Zaune.