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Würzburg: Blinde Frau arbeitet als Sanitäterin

Würzburg

Blinde Frau arbeitet als Sanitäterin

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    Die blinde Rettungssanitäterin Bettina Wirth.
    Die blinde Rettungssanitäterin Bettina Wirth. Foto: David Ebener/dpa

    Ohne zu zögern läuft Bettina Wirth durch den Korridor. "Sechs Stufen, dann eine Stufe", sagt sie, und geht die Treppe hinunter. Wer die resolute Frau in der leuchtenden Rot-Kreuz-Jacke hier beobachtet, käme nicht auf die Idee, dass sie blind ist - zumal, wenn sie sich einen der großen Sanitätsrucksäcke über die Schulter wirft. Die 45-jährige Sehbehinderte ist seit Kurzem ehrenamtlich Sanitäterin des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Würzburg. Künftig wird sie zum Beispiel bei Großveranstaltungen kleine Verletzungen versorgen. "Das ist für uns auch ein bisschen Neuland", sagt Kreisbereitschaftsleiter Stefan Schwarz.

    Behinderte nicht nur Empfänger

    "Lange Zeit wurden Menschen mit Behinderung vor allem als Empfänger von ehrenamtlichen Hilfeleistungen gesehen", sagt der Sozialpädagoge Philipp Stemmer-Zorn vom Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung in Hamburg, der zum Engagement von Behinderten forscht. "Das ändert sich langsam."

    Bettina Wirth kam nicht blind zur Welt. Vermutlich war ein nicht erkannter Scharlach im Alter von sechs Jahren der Grund dafür, dass ihr Augenlicht sich nach und nach eintrübte. Entdeckt wurde die Sehbehinderung erst fünf Jahre später. "Ich habe das anscheinend sehr gut kompensiert. Kaschiert", sagt sie. Heute hat Wirth eine Restsehkraft von weniger als zwei Prozent. "Das ist wie ein Puzzle, wo man nur den Rand sieht."

    "Zum Glück geben die Verletzten ja meist laut." Solche humorvollen Sätze sagt sie oft: Ein anderes Mal erklärte sie Kollegen, einen Druckverband könne sie nach all den Übungen inzwischen sogar blind anlegen. Das ist nicht nur so dahingesagt - Ausbildungsleiter Timo Hofmann erzählt, ihre Prüfer hätten nicht glauben wollen, dass sie kaum noch etwas sieht.

    Stärke liegt in der Betreuung

    Ihre Kameraden berichten, wie schnell Bettina Wirth sich im BRK-Haus zurechtfand und die Wege verinnerlichte, um bei Blutspendeterminen zu helfen. Auch bei Basketballspielen war sie schon im Einsatz. Im Sommer steht das Würzburger Volksfest Kiliani an. Die Sanitäter arbeiteten stets im Team, erläutert Michael Schwarz. "Da ergänzt man sich gegenseitig. Bettinas absolute Stärke liegt in der Betreuung, wie sie auf die Menschen zugeht."

    Beim Druckverband würde Bettina Wirth also eher den Arm halten und die Arterie abdrücken. "Ich kann ihn aber auch selbst anbringen. Ich seh' Gott sei Dank noch, wo's raussabbert. Und die Schlagader ist normalerweise ja immer an derselben Stelle." Auch einen Bruch könnte sie schienen. "Das ist eine tolle Herausforderung für uns", sagt Stefan Schwarz. "Da überlegt man auch erstmal, wie geht sowas und wie managt man das im Alltag?"

    "Man muss einfach immer gucken, welche Aufgaben man als blinder Mensch übernehmen kann", sagt Elke Runte, Sprecherin des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbunds. Vereine und Organisationen seien bei diesem Thema meist offen.

    Viele Organisationen noch zurückhaltend

    Die von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention garantiert Teilhabe - auch in der Freizeit. "Das Bild von Menschen mit Behinderung hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt", sagt Forscher Stemmer-Zorn. Er glaubt jedoch, dass viele Organisationen nach wie vor zurückhaltend sind, wenn Behinderte sich engagieren wollen. "Das hat auch mit der Unsicherheit zu tun, man könnte etwas falsch machen oder die Leute überlasten."

    Wirth sagt, beim BRK fühle sie sich sehr gut aufgehoben - "und ich versuche, mit meinen Fähigkeiten beizutragen". Und sie scherzt: Sorgen, dass sie künftig einen Rettungswagen fährt, müsse sich niemand machen. dpa

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