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Foto: Felix Kästle, dpa (Symbolbild)
Foto: Felix Kästle, dpa (Symbolbild)

Die Tafeln in ganz Bayern sind am Limit. Vielerorts fehlt es entweder an Lebensmittelspenden oder am Personal.

Versorgung
24.05.2022

Lebensmittel und Personal fehlen: Tafeln in Bayern sind überlastet

Von Dominik Schätzle, Daniela Hungbaur

Die Tafeln in Bayern versorgen bedürftige Menschen mit Lebensmitteln. Viele stoßen inzwischen an ihre Grenzen. Die Gründe dafür sind so unterschiedlich wie die Konsequenzen.

In ganz Bayern ist die Situation gerade ähnlich: Hunderte Menschen stehen Schlange, wenn die Tafeln für sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen die Lebensmittelausgabe öffnen. Nicht nur in den großen Städten, auch in kleineren Gemeinden sei der Ansturm gewaltig, berichten Anbieter. In den vergangenen Wochen so groß wie nie. Die meisten der neuen Kundinnen und Kunden sind demnach Geflüchtete aus der Ukraine. Viele Tafeln sind in Folge der hohen Nachfrage am Limit.

Peter Zilles ist Vorsitzender der Tafel Bayern. Er erklärt, dass es bereits vor Wochen damit begonnen habe, dass Lebensmittelspenden aus dem regionalen Umfeld stark zurückgegangen seien. Das habe unterschiedliche Ursachen, etwa weiterhin gestörte Lieferketten, aber auch, weil viele Einrichtungen Hilfspakete in die Ukraine geschickt haben und die Nachfrage beim Handel deshalb groß war. Dann kamen bei vielen Tafeln hunderte Geflüchtete auf einmal hinzu. Das habe vielerorts die Ehrenamtlichen überfordert, sagt Zilles.

München: Rund 1000 Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Tafel versorgt

Die Lage in den insgesamt 170 Tafeln in Bayern ist aber teilweise sehr unterschiedlich. Es gibt einige wenige Tafeln, die gar keine neuen Kunden mehr aufnehmen können. So etwa in Augsburg, wo vor ein paar Monaten noch 2800 Menschen mit Lebensmitteln versorgt wurden – nun sind es etwa 1000 Personen mehr. Doch so viele Menschen mehr, führe dazu, dass die Ehrenamtlichen vor Ort an ihre Grenzen stießen und die Waren zur Neige gingen. Andere Tafeln mussten die Ausgaben begrenzen, sodass Bedürftige statt zweimal nur noch einmal pro Woche kommen können. Es gebe jedoch auch Tafeln, bei denen noch ausreichend Kapazitäten und Lebensmittelspenden vorhanden seien, sagt Peter Zilles.

Bei der Tafel in München wurden bereits vor dem Ukrainekrieg etwa 22.000 Menschen versorgt. Nun sind rund 1000 Ukrainerinnen und Ukrainer hinzugekommen. Fünf bis sechs Tonnen an Lebensmitteln würden nun pro Woche mehr gebraucht, sagt Steffen Horak, Pressesprecher der Münchner Tafel. Man sei gut mit Spenden versorgt. Dennoch könne die Tafel keine Bedürftigen mehr aufnehmen. Es seien bereits eine neue Schicht und eine neue Ausgabestelle geschaffen worden – es sind jetzt 29 Ausgabestellen in der Landeshauptstadt. Für mehr Kapazitäten bräuchte es aber mehr Ehrenamtliche sowie mehr Lastwagen, so Horak. 500 bis 800 Einzelpersonen und Familien stehen derzeit auf der Warteliste in München.

Verdoppelung der Kunden im Donau-Ries, Aufnahmestopp in Aichach

Auch in Schwaben ist die Lage vielerorts angespannt. In Donauwörth und Nördlingen kämen zusätzlich zu den Ukraine-Geflüchteten nun auch mehr Menschen, die bislang mit ihrem Geld noch über die Runden gekommen seien, aufgrund gestiegener Lebensmittel- und Energiepreise nun aber an ihre Grenzen stoßen, berichtet Branko Schäpers von der Caritas Donau-Ries: „An manchen Ausgabetagen haben wir mehr als eine Verdoppelung von Kunden.“

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Bei der Aichacher Tafel besteht seit Wochen ein Aufnahmestopp, bestätigt Leiterin Susanne Steger. Das Personal sei bereits um zwei Leute aufgestockt worden, die sich nur um die Ukrainerinnen und Ukrainer kümmern.

Andreas Claus ist Vorsitzender des Caritasverbands Schwabmünchen und Umgebung, zu dem die Fischacher, Lechfelder und Schwabmünchener Tafeln gehören. Die gespendete Warenmenge sei nahezu stabil geblieben, nur beim Obst und Gemüse sei es weniger geworden. Diesem Angebot stehe nun aber eine deutlich größere Gruppe an Kunden gegenüber. Bei den drei Tafeln seien es insgesamt etwa 200 Menschen mehr als vor dem Krieg.

Vorsitzender der Tafel Bayern appelliert an die Politik

Eine Verbesserung der Lage könnte auch durch politische Maßnahmen erreicht werden. Der Tafel-Vorsitzende Peter Zilles wünscht sich von der Politik, dass Spenden von Lebensmittelmärkten vereinfacht werden. Sowohl steuerlich als auch in Haftungsfragen müsse es dem Handel attraktiver gemacht werden, Waren zu spenden. Zudem „laufen uns die Kosten weg“, sagt Zilles. Hier könne der Staat etwa finanzielle Unterstützung leisten, indem er – wie in der Landwirtschaft – die Tafel-Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreie.

Vielerorts arbeiten die Freiwilligen nun häufiger und länger als vor dem Ukraine-Krieg. „Was die Ehrenamtlichen leisten, ist sensationell“, betont Zilles. Er erinnert daran, dass auch weiterhin helfende Hände sowie Lebensmittel- und Sachspenden gebraucht werden, auch Fahrerinnen und Fahrer sind bei vielen Tafeln gesucht.

Hilfe für die Tafeln über die Kartei der Not

Die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, wiederum hilft seit Jahren Tafeln in unserem Verbreitungsgebiet bei ihrer Arbeit. Die Initiativen können sich jederzeit an die Stiftung wenden. Sie versucht die Einrichtungen auch bei der Infrastruktur zu stärken, indem sie beispielsweise die Beschaffung von Tafel-Fahrzeugen bezuschusst. „Die Kartei der Not greift nicht nur einzelnen Menschen in unserer Region, die unverschuldet in schwierige Lebenslagen geraten sind, schnell und unbürokratisch unter die Arme, sondern fördert vor allem auch sozial aktive Projekte, zu denen selbstverständlich gerade auch die Tafeln zählen“, sagt Arnd Hansen, Geschäftsführer der Kartei der Not, und ergänzt: „Wir wissen, wie wichtig die Tafeln vor Ort für viele bedürftige Menschen sind.“

Tafeln im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung, die Unterstützung benötigen, können sich an die Kartei der Not wenden: Telefon 0821/7772121; E-Mail: info@karteidernot.de; weitere Informationen zu unserem Leserhilfswerk unter www.kartei-der-not.de

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