Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Streit um Ausbau der A99, A96, A8: Mehr Autobahn oder mehr Stau?

Verkehr

Streit um Ausbaupläne: Mehr Autobahn oder mehr Stau?

    • |
    Auf der A8 von München bis zum Inntaldreieck stauen sich täglich die Autos. Die Strecke soll nun „beschleunigt“ ausgebaut werden.
    Auf der A8 von München bis zum Inntaldreieck stauen sich täglich die Autos. Die Strecke soll nun „beschleunigt“ ausgebaut werden. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Wer öfter mal an München mit dem Auto vorbeifährt, weiß das: Irgendwo auf der A99, der A96 und dann im Süden auf der A8 von München bis zum Inntaldreieck stauen sich täglich die Autos. Um Abhilfe zu schaffen, plant das Bundesverkehrsministerium den beschleunigten Ausbau vom Münchner Süden bis zum Inntaldreieck. Das ist auch im Verkehrswegeplan 2030 so vorgesehen.

    Dort, wo sie es noch nicht ist, soll die Autobahn auf vier Spuren erweitert werden. Da, wo es noch nicht einmal Standstreifen gibt, sollen welche gebaut werden. Der Plan ist nicht neu, er besteht seit 2016. Neu ist nur: Das Ganze soll schneller geschehen als ursprünglich vorgesehen.

    In der Ampel-Koalition gibt es Streit um den Autobahn-Ausbau

    Bekannt geworden ist dies aus dem Streit in der Berliner Ampel-Koalition zwischen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Insgesamt will Wissing 144 Autobahn-Projekte in ganz Deutschland beschleunigt ausbauen, Lemke will dies verhindern.

    Um die politische Debatte zu versachlichen, sollte man bedenken: Bundesweit wurden insgesamt im vergangenen Jahr 685.000 Staus gezählt. Die Dauer der Verkehrsstörungen summierte sich auf 346.500 Stunden, und die Gesamtlänge betrug 850.000 Kilometer. So berichtete es der ADAC.

    158.788 Kilometer Stau gab es 2021 in Bayern

    Allein in Bayern gab es 2021 Staus mit einer Gesamtlänge von 158.788 Kilometern. Das sind (wegen Corona gab es im Jahr zuvor weniger Verkehr) sage und schreibe 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Betroffen davon waren vor allem die Grenzautobahnen und der Großraum München. Und noch ein Fakt: Nirgendwo in Deutschland nahmen die Verkehrsbehinderungen mehr zu als in Bayern.

    Man könnte daraus folgern, es bestünde Handlungsbedarf. Denn die Bahn ist nach Meinung von Verkehrsforschern wie dem Duisburger Professor Michael Schreckenberg nicht einmal ansatzweise in der Lage, Alternativen zu bieten. Das spiegeln aktuelle Projekte wider: Allein nur der Bau des bayerischen Zulaufs zum Brennerbasistunnel wird nach Meinung von Fachleuten noch mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen. Auch andernorts geht der Ausbau schleppend vorwärts, und das finanzielle Desaster um die zweite Stammstrecke in München erinnert an den Flughafenbau in Berlin oder den Bahnhofsbau in Stuttgart.

    Trotzdem gibt es Gegenstimmen: „Die Zeiten des Autobahnausbaus sind vorbei“, glaubt beispielsweise der Verkehrsforscher Prof. Klaus Bogenberger von der TU München. An einigen Stellen würde es zwar tatsächlich Engpässe geben, sagte Bogenberger dem Bayerischen Rundfunk. Er vertritt aber die Ansicht, man könne aus der bestehenden Infrastruktur noch viel rausholen.

    Dass man auch bei den Betroffenen von einer Erweiterung der Autobahn nicht begeistert ist, ist allerdings nicht überraschend. Der Miesbacher Bundestagsabgeordnete Karl Bär (Grüne) hat ausgerechnet: Das Projekt im Süden Münchens würde nicht nur teuer, sondern es würden auch 80 Hektar Fläche verbaut. Der Irschenberger Bürgermeister Klaus Meixner (CSU) reagiert ebenfalls ablehnend. Er rechnet mit mindestens zehn Jahren Bauzeit und wenig Mehrwert für den Ort. „Ich würde bezweifeln, dass der Ausbau eine Erleichterung bringt, dann sind halt vier Spuren voll“, sagte er dem BR.

    Der Bund Naturschutz will alle Straßenbauprojekte in Bayern aufhalten

    Der Bund Naturschutz in Bayern spricht sich sogar für ein Moratorium für sämtliche Straßenbauprojekte im Freistaat aus. Begründet wird dies mit einer eigenen neuen Studie, die sich mit den Kohlenstoffdioxid-Emissionen befasst, die durch die Straßenprojekte entstehen. Demnach seien die Berechnungen sämtlicher CO2-Emissionen, die etwa im Bundesverkehrswegeplan angegeben seien, „schöngerechnet“. Sie lägen in Wirklichkeit deutlich höher.

    Als in den frühen 2000er Jahren die Autobahn 8 zunächst zwischen München und Augsburg und dann weiter nach Ulm sechsspurig ausgebaut wurde, gab es diese hitzigen Diskussionen noch nicht. Im Gegenteil: SPD und CSU überboten sich damals im Selbstbeweihräuchern, wer mehr für den Ausbau getan hatte. Selbst Grüne und Umweltverbände blieben im Vergleich zu heute relativ ruhig.

    Zu dieser Zeit lag der öffentliche Fokus allerdings stark auf den Themen Verkehrssicherheit und Stauabbau und nicht auf dem Versuch, aus Umweltschutzgründen mit einem Verzicht auf Ausbau den Zuwachs an Verkehr zu bremsen. Das hat sich Bundesumweltministerin Lemke auf die Fahne geschrieben. Sie lässt an ihrer Bestimmung keine Zweifel und sagt: „In Zeiten von Klimakrise und Artensterben ist es ganz sicher nicht sinnvoll, den Bau von Autobahnen zu beschleunigen.“ Kollege Volker Wissing bleibt aber dabei: „Nach einer aktuellen Untersuchung wird der Güterverkehr auf der Straße bis zum Jahr 2051 um 34 Prozent zunehmen“, so der FDP-Politiker. Dies sei nur mit mehr Straße zu bewältigen. Wenn dies unterlassen werde, habe das massive wirtschaftliche Folgen für Deutschland. 

    Beim Inntaldreieck kannn es noch zehn Jahre dauern

    Man darf gespannt sein, wer sich am Ende in Berlin durchsetzen wird. Bekannt ist, dass im Bundesverkehrsministerium bereits an einem Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren geafrbeitet wird. Was das für Bayern bedeuten könnte, erklärt der Sprecher der Autobahndirektion Südbayern, Josef Seebacher: Derzeit seien zwei Abschnitte in der Planung relativ weit vorne.

    Zwischen dem Dreieck München Süd und der Anschlussstelle Holzkirchen sowie zwischen dem Irschenberg und dem Inntaldreieck soll binnen der nächsten drei Jahre das Genehmigungsverfahren beginnen. Dieses kann sich Seebacher zufolge dann aber noch einmal bis zu zehn Jahren hinziehen, bis die Bagger rollen. Nach Beschleunigung klingt das nicht.

    Was es volkswirtschaftlich bedeuten würde, wenn alle Projekte in diesem Tempo ablaufen, hat niemand ausgerechnet. Überhaupt gibt es in den Wirtschaftswissenschaften noch kein einheitliches Modell, die Kosten von Staus zu berechnen. Folglich sind die Schätzungen sehr unterschiedlich. Bundesweit beziffert man sie aktuell von rund zehn Milliarden Euro bis hin zu 100 Milliarden Euro pro Jahr. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden