Die Geschichte von Andrea Tandler beginnt mit einem kleinen Gefallen, wird zum Geschäft ihres Lebens und endet im Gefängnis. Die Tochter des früheren CSU-Spitzenpolitikers Gerold Tandler wurde mit Coronamasken-Deals zur zigfachen Millionärin, muss nun aber wegen Steuerhinterziehung fast viereinhalb Jahre hinter Gitter.
Tandler hatte zusammen mit ihrem Geschäftspartner Darius N. kurz nach Ausbruch der Pandemie für zwei Schweizer Jungunternehmer gigantische Masken-Geschäfte mit mehreren bayerischen und bundesdeutschen Behörden eingefädelt und dabei auch ihre Kontakte in die Politik spielen lassen. Das Duo strich dafür horrende Provisionen von mehr als 48 Millionen Euro ein. Moralisch erschien das äußerst fragwürdig, doch illegal war das große Abkassieren nicht.
Dass die beiden nun trotzdem eine Haftstrafe antreten müssen, liegt daran, dass sie das große Geld nicht korrekt versteuert haben. Den unter dem Strich entstandenen Schaden durch die Einkommens- beziehungsweise Gewerbesteuerhinterziehung bezifferte die Münchner Staatsanwaltschaft auf insgesamt 7,8 Millionen Euro.
Maskendeal-Prozess: Vor Gericht erschien Andrea Tandler grotesk verkleidet
Tandler hatte zunächst alles abgestritten, im Untersuchungsausschuss des Landtages zur Masken-Affäre erschien sie in grotesker Verkleidung mit Sonnenbrille, Corona-Maske, Schal und Baseball-Kappe, um unerkannt zu bleiben. Doch schon bald musste sie die Maske fallen lassen und ihre Strategie ändern. Gegen Ende des spektakulären Verfahrens räumten sie und ihr Mitstreiter die Vorwürfe weitgehend ein. Die beiden verständigten sich auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft und beglichen nachträglich ihre Steuerschuld, um das Strafmaß zu reduzieren.
Geholfen hat die späte Einsicht nur bedingt. Das Landgericht München I verhängte am Freitagvormittag gegen Tandler eine Haftstrafe von vier Jahren und fünf Monaten. Ihr Geschäftspartner wurde zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Das unterschiedliche Strafmaß erklärte das Gericht damit, dass die Politiker-Tochter die treibende Kraft gewesen sei. "Selbstverständlich kam es auf den Namen an - nämlich auf den Namen Tandler", sagte die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner.
Zunächst allerdings werden die Verurteilten, die seit Ende Januar wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft saßen, unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Tandler ist gesundheitlich angeschlagen, nach Angaben ihrer Anwältin steht noch vor dem Haftantritt eine Operation an. Wann sie letztlich ins Gefängnis muss, blieb am Freitag offen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch wenn es derzeit kaum danach aussieht, könnten beide Seiten Revision einlegen.
Der Fall hatte nicht nur wegen des exorbitanten Profits, den die beiden aus der Krise geschlagen haben, Aufsehen erregt, sondern auch wegen der guten Beziehungen Tandlers. Sie selbst hatte zwar nie versucht, ihrem inzwischen 87-jährigen Vater nachzueifern, der ein enger Vertrauter der CSU-Ikone Franz Josef Strauß war und dem bayerischen Ministerpräsidenten als CSU-Generalsekretär, Finanz-, Wirtschafts- und Innenminister gedient hatte. Doch der Name der Familie hat durchaus noch Gewicht in Bayern. Außerdem war Andrea Tandler schon seit Jugendtagen mit Strauß-Tochter Monika Hohlmeier befreundet, die heute für die CSU im Europaparlament sitzt und dementsprechend beste politische Kontakte hat.
Die Unternehmerin war auf Türöffner angewiesen, schließlich hatte sie bis dato überhaupt keine Erfahrung mit Geschäften im Gesundheitswesen. Tandler machte vorher mit ihrer PR-Firma Marketing für urbayerische Produkte – Landhausmöbel vom Chiemsee, Bier aus Neuötting, Wurst aus Plattling.
Maskenaffäre: Strauß-Tochter Monika Hohlmeier verschaffte Kontakte
Und so begann die große Millionenstory auch mit einem kleinen Gefallen von Hohlmeier. Im Auftrag der beiden Schweizer Unternehmer, die kurzfristig Corona-Masken im Wert von mehreren hundert Millionen Euro beschaffen konnten, meldete sich Andrea bei ihrer Freundin Moni um herauszufinden, ob Bedarf bestehe und an wen man sich am besten wenden könnte. Hohlmeier schrieb daraufhin zwei SMS. An den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und an dessen damalige bayerische Amtskollegin Melanie Huml (CSU).
Die Europaabgeordnete betonte später in Gesprächen mit unserer Redaktion immer wieder, es sei ihr nicht um einen Freundschaftsdienst gegangen, sondern darum, in einer akuten Notlage alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen verzweifelt benötigten Masken zu beschaffen. Hohlmeier versicherte, sie habe nie für irgendetwas Geld genommen und zeigte sich enttäuscht vom Geschäftsgebaren ihrer Freundin. Tatsächlich gibt es bis heute keinen Hinweis darauf, dass Hohlmeier persönlich finanziell von den lukrativen Aufträgen profitiert haben könnte.
Dass sich die Strauß-Tochter schon alleine wegen ihres Namens auf dünnem Eis bewegte, dürfte ihr bewusst gewesen sein. Trotzdem legte sie sich mindestens ein weiteres Mal für Tandler ins Zeug. Wie aus einer SMS-Kommunikation hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt, beschwerte sich Hohlmeier bei Spahn, dass ein seriöser Maskenanbieter übelst behandelt werde - nachdem Tandler ihr erzählt hatte, dass nicht alle von ihr an den Staat vermittelten Masken bezahlt worden seien.
Urteil gegen Andrea Tandler: Viereinhalb Jahre Haft
Der damalige Gesundheitsminister ließ sich davon allerdings wenig beeindrucken, er schien schon zu spüren, dass diese wilden Wochen und die Goldgräberstimmung zu Beginn der Pandemie eines Tages juristische Fragen aufwerfen könnten. "Liebe Monika, da da mittlerweile Anwälte tätig sind und es um detaillierte Vertragsfragen und -verpflichtungen (z. B. Qualität der Masken) geht, werde ich mich da nicht einmischen. Viele der Geschehnisse dieser Tage werden noch Untersuchungsausschüsse beschäftigen und daher wird es meinerseits keine politische Einflussnahme geben. Schützt Dich und mich. Lg Jens", antwortete Spahn im Mai 2020.
Ob mit oder ohne prominente Hilfe: Tandler und ihr Geschäftspartner wurden in der Pandemie zigfache Millionäre, werden aber vorerst nicht viel von ihrem neuen Reichtum haben.