Nach einer Reihe von Skandalen ist der Druck auf ARD, ZDF und Deutschlandradio enorm. Publikum wie Politik fordern tiefgreifende Reformen und Einsparungen. Tatsächlich könnte das laufende Jahr ein entscheidendes werden für die beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender. Denn 2023 soll nicht nur ein neuer Medienstaatsvertrag in Kraft treten, der ihnen den Weg weist. Auch die Debatte um die Höhe des Rundfunkbeitrags ab 2025 nimmt Fahrt auf. Bereits bis Ende April melden die Sender ihren Finanzbedarf der KEF, der unabhängigen Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Diese unterbreitet dann einen Vorschlag.
Herrmann: "Die Unterhaltungsformate gehören zu den teuersten Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks"
CSU-Medienstaatsminister Florian Herrmann sagte auf Anfrage: "Bayern setzt sich vehement dafür ein, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Rückgrat unserer Informationsgesellschaft zukunftsfähig aufzustellen. Wir brauchen grundlegende Reformen ohne ideologische Denkverbote." Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags, der aktuell bei 18,36 Euro pro Monat und Haushalt liegt, lehnt er ab. Als Ziel nannte Herrmann "Beitragsstabilität". Es müsse erreicht werden, "ohne den Markenkern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, hochwertigen Qualitätsjournalismus, infrage zu stellen".
Veränderungsbedarf sieht der Medienstaatsminister bei einem anderen Thema: "Die Unterhaltungsformate gehören zu den teuersten Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und konkurrieren gleichzeitig mit einer unüberschaubaren Zahl von Unterhaltungsangeboten auf dem freien Markt", sagte er. Er begrüße es daher, dass die Rolle von Unterhaltung in öffentlich-rechtlichen Programmen durch den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag abgestuft und ihr Profil geschärft werde.
Der Vertrag soll ab dem 1. Juli gelten. Er sieht zudem unter anderem eine Stärkung der Aufsichtsgremien vor und stellt es den Sendern frei, linear verbreitete Programme einzustellen. Zur Disposition könnten ARD alpha unter Federführung des Bayerischen Rundfunks (BR), ONE, tagesschau24, Phoenix oder etwa ZDFinfo stehen. Sie könnten künftig nur noch digital angeboten werden.
"Wir müssen unser Programm weit stärker als bisher ins Netz und in die Mediatheken verlagern"
Björn Wilhelm, BR-Programmdirektor Kultur, sagte unserer Redaktion mit Blick auf das Ziel seines Senders, "generationengerechter" zu werden: "In der Konsequenz müssen wir unser Programm und die Ressourcen weit stärker als bisher ins Netz und in die Mediatheken verlagern, weil dort die jüngeren Nutzerinnen und Nutzer sind." Das bedeute, "dass klassische Radio- und TV-Formate an der einen Stelle reduziert werden, um andere, speziell digitale Angebote für Jüngere, zu stärken". Ihm zufolge investiere man derzeit nur ein Viertel der Programmausgaben in Angebote für unter 50-Jährige. "Aber fast die Hälfte der Bevölkerung in Bayern ist unter 50."
An diesem Mittwoch werden die Weichen für ARD, ZDF und Deutschlandradio auch auf anderer Ebene gestellt: Die Rundfunkkommission der Länder befasst sich mit der Einsetzung eines "Zukunftsrates" – ein Beratungsgremium, das Empfehlungen für die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen und ihre Akzeptanz erarbeiten soll. Es soll mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Generationen, aus Wissenschaft oder Technik besetzt werden – und lässt an WDR-Intendant Tom Buhrow denken. Der hatte einen runden Tisch vorgeschlagen, der "einen neuen Gesellschaftsvertrag" ausarbeiten solle. "Ziel ist, dass noch in diesem Jahr ein Bericht mit Empfehlungen des Zukunftsrats vorgelegt wird", sagte Heike Raab, Koordinatorin der Kommission und SPD-Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz.