Er war einer der beliebtesten Ordensleute des Landes. In wohlgewählten, stets klaren Worten vermochte er sich auszudrücken – und an seiner roten E-Gitarre. Jetzt ist Notker Wolf, langjähriger oberster Repräsentant des Benediktinerordens und "rockender Abt" aus dem Kloster St. Ottilien, im Alter von 83 Jahren gestorben. Der Geistliche, der zu Lebzeiten stets empfohlen hatte, "dem Leben entgegenzulächeln und es doch nicht zu leicht zu nehmen", war auf der Rückreise von Rom in sein oberbayerisches Kloster, sein Tod kam überraschend. "Möge er in der Herrlichkeit des Auferstandenen sein für all sein reiches und segensreiches Wirken in dieser Welt", schrieben Wolfs Mitbrüder aus der Erzabtei St. Ottilien auf ihrer Internetseite.
16 Jahre lang war Wolf Abtprimas von mehr als 800 Benediktinerklöstern mit über 20.000 Mönchen und Nonnen weltweit, lebte und arbeitete vom Jahr 2000 bis 2016 in Rom. Er reiste missionarisch um die Welt, verantwortete unter anderem den Bau von Krankenhäusern in China und Nordkorea. Heimat, das sagte Wolf einmal im Interview mit unserer Redaktion, war für ihn aber immer St. Ottilien – und Bad Grönenbach im Allgäu. "In Bad Grönenbach bin ich geboren, und das Aufwachsen dort, auf dem Lande, hat mich geprägt", so der Sohn eines Schneiders, "die Nähe zur Natur, man hat sich gekannt, die Leute haben mich mitgetragen." Nach dem Abitur 1961 trat er in die Erzabtei St. Ottilien ein, viele Jahre lang war Notker Wolf, der bis zu seinem Tod von zahlreichen Wegbegleitern mit seinem Geburtsnamen Werner angesprochen wurde, dort Erzabt.
Den Synodalen Weg begrüßte Notker Wolf
Bekannt wurde Wolf vor allem dadurch, dass er Klartext sprach – und sich auch nicht davor scheute, seine katholische Kirche zu kritisieren. Ihm fehlte die Streitkultur, die Kompromissfähigkeit. Der Synodale Weg der Kirche in Deutschland, eine Reform zu mehr Beteiligung von Laien, war aus Sicht Wolfs richtig. "Meines Erachtens nach müsste so ein Prozess die ganze Zeit laufen", sagte er einmal und empfahl, auch den Jüngeren zuzuhören. Doch selbst unter den deutschen Bischöfen ist der Synodale Weg hochumstritten – und wurde zuletzt per Dekret aus Rom empfindlich ausgebremst.
Wäre Wolf Bischof gewesen, er hätte Papst Franziskus vermutlich mutige Widerworte gegeben – jenem Pontifex, dem er einst im Gespräch mit unserer Redaktion einen "Dickschädel" bescheinigte. Immer wieder wurde Wolf als Kandidat gehandelt, wenn im Freistaat ein Bischofsstuhl vakant war. So war es, als 2007 ein neuer Münchner Erzbischof gesucht wurde und ebenso, als drei Jahre später der umstrittene Oberhirte Walter Mixa in Augsburg zurücktrat. Doch letztlich blieb Wolf in Rom der oberste Vertreter der Benediktiner, bis er 2016 in seine Heimat zurückkehrte, war beliebter Gast in Talkshows und Buchautor. Simon Biallowons, Geschäftsführer von Wolfs Buchverlag Herder, würdigte den Ordensmann als eines der prägenden Gesichter des Christentums in Deutschland. "Seine Tatkraft, sein Humor und seine Unkonventionalität werden uns fehlen. Gerade in Zeiten wie diesen war er für uns alle ein Symbol dafür, wie viel Kraft und Mut der Glaube geben kann."
Es war ein Glaube, den Notker Wolf auch in der Rockmusik auslebte, beides ging für ihn gut zusammen. Einmal stand er im Vorprogramm von Deep Purple auf der Bühne, und mit seiner eigenen Gruppe Feedback auch in der Region. Einer der Lieblingssongs des "rockenden Abts", der auch Querflöte spielte: "Stairway to Heaven" – Himmelsleiter.
Notker Wolfs Beerdigung findet am kommenden Samstag um 10.30 Uhr in St. Ottilien statt. Das Requiem wird im Internet auf http://erzabtei.de/live übertragen. (mit dpa)