Seit Jahren streitet die Stadt München mit Umweltschützern über die Luftqualität. Nun steht im Raum, das Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge nochmals zu verschärfen. Vor wenigen Wochen sprach sich der Stadtrat mehrheitlich dafür aus, im kommenden Jahr auf dem Abschnitt des Mittleren Rings, dem der Ruf als „dreckigste Straße Deutschlands“ vorauseilt, ein bereits geltendes Fahrverbot für Euro-4-Fahrzeuge auf die bessere Schadstoffklasse 5 auszuweiten. Das Ziel ist klar: bessere Luft und weniger giftiges Stickstoffdioxid, vor allem entlang der viel befahrenen Landshuter Allee.
Dabei scheint man mit den getroffenen Vorkehrungen schon auf dem richtigen Weg zu sein. Wie das Bayerische Landesamt für Umwelt am Freitag mitteilte, wurde der Grenzwert für Stickstoffdioxid an der stau- und abgasberüchtigten Ringstrecke einer Kurzanalyse zufolge erstmals unterschritten. Der Jahresmittelwert für 2024 lag an der dortigen Messstation bei 39 Mikrogramm pro Kubikmeter, also knapp unter dem Grenzwert von 40. „Es ist eine gute Nachricht, dass sich die Luftqualität in Bayern auch im vergangenen Jahr deutlich verbessert hat und erstmalig an allen Messstationen in Bayern die Grenzwerte eingehalten wurden“, sagte die Präsidentin der Umweltbehörde, Monika Kratzer.
Der Stadt München wäre eine Tempo-30-Zone lieber als ein komplettes Fahrverbot
Trotzdem hat die Messstation am Mittleren Ring nach wie vor den mit Abstand höchsten Wert in Bayern. Aber ist nun wirklich eine noch schärfere Regelung notwendig? Selbst der Stadt wäre eine Tempo-30-Zone lieber als ein komplettes Fahrverbot. Die Geschwindigkeitsbegrenzung gilt bereits seit Juni 2024 auf dem rund 2,5 Kilometer langen Abschnitt. Dass der Stadtrat kürzlich eine Verschärfung beschlossen hat, geschah nur auf rechtlichen Druck. Grund ist ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, das rechtskräftig wurde und das Umweltschutzorganisationen erstritten hatten. Es verpflichtet die Stadt zu raschem Handeln und droht mit Strafen bei Untätigkeit oder Verzögerung.
Was es nun bedeutet, dass der Grenzwert an der sensibelsten Stelle erstmals unter der geforderten Grenze liegt, ist noch offen. Die endgültige Auswertung der gemessenen Stickstoffdioxid-Mengen soll laut Landesamt auch erst im zweiten Quartal vorliegen. Dann will sich der Stadtrat endgültig entscheiden. Viele im Rat und auch in der Bürgerschaft hoffen aber, dass sich ein erweitertes Fahrverbot noch einmal abwenden lässt. Denn wenn selbst die vergleichsweise sauberen Diesel-5-Fahrzeuge auf einem Teilstück des Mittleren Rings nicht mehr fahren dürfen, würden sie auf Nebenstrecken in Wohngebiete ausweichen, befürchten Verkehrsexperten. Was das bedeutet, ist auch Laien klar.
Was passiert, wenn die Grenzwerte ab 2030 noch einmal halbiert werden?
Noch am Horizont, aber durchaus schon diskutierbar: Was wird eigentlich mit Verbrennerfahrzeugen in Städten wie München ab 2030, wenn die Grenzwerte noch einmal halbiert werden? Werden dann überhaupt noch Autos mit Otto- oder Dieselmotoren in die (Innen-)Städte fahren dürfen? Der ADAC sieht die künftig drohenden, noch weitergehenden Fahrverbote kritisch. Aus Sicht des Autoclubs könnten sie nur das letzte Mittel sein. „Die Grenzwertziele 2030 sind ambitioniert – und ob diese dann die gesamte Fahrzeugflotte einhalten kann, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen“, sagt ADAC-Sprecherin Katharina Lucà auf Anfrage unserer Redaktion. Die halbierten Grenzwerte ab 2030 würden aber automatisch zu Grenzwertüberschreitungen an zahlreichen Messstationen führen. Ohne weitere Fortschritte und Maßnahmen – nicht nur im Verkehr, sondern bezogen auf alle relevanten Verursacher – werde es wohl nicht gelingen, die Grenzwerte einzuhalten, heißt es beim ADAC. Dabei hält der Autoclub es grundsätzlich für richtig, den Gesundheitsschutz durch eine Fortschreibung der Luftqualitätsrichtlinie mit ehrgeizigen Vorgaben zu stärken. „Es wird aber – bezogen auf den Verkehrssektor – entscheidend darauf ankommen, dass ausreichend neuere und saubere Fahrzeuge in den Markt kommen, und der Hochlauf der E-Mobilität ebenso gelingt wie der Ausbau von ÖPNV oder Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr.“
Beides aber könnte in München problematisch werden. Denn der ÖPNV ist schon jetzt hart am Limit und die zweite Stammstrecke wird frühestens 2035 fertiggestellt sein. Auch bezweifeln die meisten Experten, dass das bisherige politische Ziel der gescheiterten Ampelregierung von 15 Millionen Elektroautos im Pkw-Bestand bis zum Jahr 2030 erreicht werden wird. Darum stellt der ADAC auch klar: Die verschärften Grenzwerte dürfen nicht zu einer fortwährenden Fahrverbotsdiskussion oder einem Verbrennerverbot durch die Hintertür führen.
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