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Foto: Oliver Berg, dpa
Foto: Oliver Berg, dpa

30.000 Menschen demonstrierten jüngst auf dem Kölner Heumarkt gegen rechts.

Demonstration
18.01.2024

Rund 100 Demos gegen rechts: "Jetzt ist die Zeit, um aufzustehen"

Von Sarah Ritschel, Stephanie Sartor

In ganz Deutschland gehen Menschen gegen rechts auf die Straßen. Für Sonntag ruft ein Bündnis zu einer Groß-Demonstration in München auf. Wie eine bisher stille Mehrheit nun laut wird.

Die Welle des Protests rollt gerade erst an. Sie schwappt aus Städten wie Berlin, Leipzig oder Köln, wo Zehntausende gegen rechts auf die Straßen gingen, nach München. "Jetzt ist die Zeit, um aufzustehen. Denn wenn nicht jetzt, wann dann?", sagt Jana Häfner von Fridays for Future München – eine von rund 200 Organisationen, die für Sonntag zu einer Groß-Demonstration in der bayerischen Landeshauptstadt aufrufen. 30.000 Menschen werden erwartet. Das Motto: "Gemeinsam gegen rechts. Für Demokratie und Vielfalt." Der Protest beginnt um 14 Uhr am Siegestor, dem markanten Triumphbogen zwischen den Stadtteilen Schwabing und Maxvorstadt. Der Ort passt, um einen Sieg soll es schließlich gehen, darum, die Rechtsextremisten in die Schranken zu weisen. 

Auslöser dafür, dass die Menschen derzeit in Massen auf die Straßen gehen, sind die Veröffentlichungen von Correctiv. Dem Recherchezentrum zufolge haben sich im November mitunter ranghohe AfD-Politiker mit bekannten Rechtsextremen getroffen und über einen "Masterplan" gesprochen. Geht es nach ihnen, sollen Millionen Menschen aus Deutschland vertrieben werden – neben illegalen Migranten auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Seither wird hitzig über den Geheimplan diskutiert. 

AfD-Verbot wird vor der Demo in München vielfach gefordert

Die AfD selbst spielt das Treffen in einer Potsdamer Villa herunter, in anderen politischen Lagern wird derweil über ein Parteiverbot diskutiert. "Die AfD ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Ein AfD-Verbot zu prüfen ist sinnvoll und notwendig", schreibt etwa Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, auf der Plattform X, ehemals Twitter. "Wenn wir eines aus der Geschichte gelernt haben, dann dass man frühzeitig handeln muss, um unsere Demokratie zu schützen."

Die Demokratie schützen – das wollen auch die treibenden Kräfte hinter der Münchner Groß-Demo am Sonntag. "Dass sich jetzt so viele Organisationen, Vereine und Institutionen zusammengeschlossen haben, ist unglaublich motivierend", sagt Jana Häfner von Fridays for Future. Es sei jetzt höchste Zeit, aktiv zu werden. "Es ist wichtig, die Demokratie zu verteidigen, die jeden Tag angegriffen wird. Dass die große Mehrheit so lange so still war, ist ein großes Problem. Man hat immer nur die Radikalen gehört."

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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Klare Botschaften vertraten rund 700 Demonstrierende in Augsburg.

Auch Micky Wenngatz wird am Sonntag am Siegestor in der Nähe der Universität stehen. "Ich bin sicher, dass wir in München ganz viele Menschen auf die Straße bringen", sagt die Vorsitzende des Vereins "München ist bunt", der ebenfalls zur Demo aufruft, gegenüber unserer Redaktion. "Wir warnen seit Jahren vor Rechtsextremismus", fährt sie fort. Bisher sei das Thema aber leider nur schwer in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. "Früher hat man das als bloße Machtfantasien abgetan. Aber jetzt zeigt sich eben immer mehr, was in einer Demokratie passieren kann. Das hat man etwa beim Sturm auf das Kapitol in Washington gesehen." In Zeiten, in denen solche offensichtlichen Gefahren immer deutlicher würden, reiche eine Initialzündung wie die Recherchen von Correctiv, um die Menschen dazu zu bewegen, im großen Stil gegen rechts auf die Straße zu gehen. "Der Bericht hat gezeigt, dass die Rechten eben nicht nur wie Nazis sprechen, sondern auch Ideen wie Nazis haben", sagt Wenngatz. 

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In Augsburg hatten schon am vergangenen Sonntag bei einer kurzfristig organisierten Demonstration 700 Menschen auf dem Rathausplatz demonstriert. Oberbürgermeisterin Eva Weber von der CSU hielt eine flammende Rede gegen die AfD. SPD und Grüne, deren Jugendorganisationen die Demo organisiert hatten, seien nicht ihre Parteien, sagte Weber. „Aber es ist meine Demokratie. Meine Freiheit. Mein Land.“ Die demokratischen Parteien müsse der Kampf gegen Verfassungsfeinde einen. „Und ja, meine Partei hat dabei eine große, eine besondere Verantwortung.“ Gegenüber unserer Redaktion betonte die 46-Jährige am Donnerstag ein weiteres Mal, wie wichtig ihr die Abgrenzung nach rechts sei. "Vielleicht umso mehr, weil ich Mitglied einer konservativen Partei bin. Wir brauchen ein breites Bündnis der Mitte." Nach der Aussage von Friedrich Merz im Sommer, dass es in der Kommunalpolitik nicht so entscheidend sei, ob die Union mit der AfD kooperiere oder nicht, hatte Weber ihren Standpunkt schon deutlich gemacht. "Da muss man nicht nach Ebenen unterscheiden. Das sind Faschisten", sagte sie jetzt. "Ich kann für mich nur das tun, was meinem Wertekompass entspricht und was mir als Oberbürgermeisterin möglich ist. Und das werde ich auch tun."

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Foto: Silvio Wyszengrad
Foto: Silvio Wyszengrad

Eva Weber positionierte sich schon mehrfach klar gegen die AfD.

Wie die Brandrede Webers wurde bei der Demo auch ein Auftritt des Augsburger Cornerchors gefeiert. Der aktivistische Nachbarschaftschor sang den berühmten, traditionellen Andachtsjodler mit einem neuen Text, das Lied ist im Internet mittlerweile Hunderttausende Male abgespielt und geteilt worden. Der Titel: „Scheiß AfD“.

Bundesweit sind für das kommende Wochenende an die 100 Demonstrationen angemeldet, darunter neben München zum Beispiel in Regensburg, Würzburg, Bamberg und Ulm. Viele Zehntausend Menschen haben ihre Teilnahme zugesagt. In Erlangen und Rosenheim zieht schon an diesem Freitag der Protest durch die Straßen. In den sozialen Medien lösten die Ankündigungen der Demonstrationen aber auch eine Welle an Pro-AfD- und Anti-Ampel-Posts aus, dazu Vorwürfe, die Proteste seien von Linksextremisten unterwandert, weil an der Demo in München auch die Antifa beteiligt ist. 

Gleichzeitig teilen viele Menschen im Internet ihre Motivation, gegen rechts auf die Straße zu gehen. „Ich würde auf jeden Fall hingehen“, empfiehlt zum Beispiel jemand, „einfach um zu sehen, wie viele vernünftige und tolle Menschen es gibt!“ Ein anderer schreibt: „Ich möchte meinen Kindern später erzählen können, dass wir gegen die Antidemokratie gewonnen haben.“ (mit hhc)

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