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BR-Intendantin Wildermuth: Sparen alleine ist keine Strategie

Interview

BR-Intendantin Wildermuth: „Sparen alleine ist keine Strategie“

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    „Wir wollen einzigartiger werden“, sagt BR-Intendantin Katja Wildermuth.
    „Wir wollen einzigartiger werden“, sagt BR-Intendantin Katja Wildermuth. Foto: Bernhard Weizenegger

    Frau Wildermuth, der Bayerische Rundfunk feiert gerade 75-jähriges Jubiläum. Haben Sie eine Lieblings-Anekdote?
    KATJA WILDERMUTH: Wenn ich an den BR und seine Geschichte denke, dann hat das auch viel mit meinem eigenen Leben zu tun. Meine erste Erinnerung ist das „Betthupferl“ ...

    ... Gutenacht-Geschichten für Kinder im Hörfunk.
    WILDERMUTH: Genau. Und meine zweite Erinnerung ist „Meister Eder und sein Pumuckl“. Irgendwann kamen dann das von Thomas Gottschalk moderierte „Pop nach acht“ und die Bogner-Serie „Irgendwie und Sowieso“. Und BR-Klassik, das meine Mutter immer hörte – sowie Bayern 1, das bei Freunden in deren Werkstatt lief und immer noch dort läuft. Ich bin mit dem BR groß geworden. Er ist nicht nur für mich ein Lebensbegleiter. Die Herausforderung besteht nun darin, dass er das bleibt.

    Wie kann das gelingen?
    WILDERMUTH: Indem er einerseits sehr zuverlässig ist, Qualitätsjournalismus und Vielfalt bietet – und andererseits einfach gemocht wird.

    Das mit dem „Einfach-gemocht-Werden“ ist aber nicht so einfach.
    WILDERMUTH: Ich habe zuletzt bei der „BR-Radltour“ durchaus eine Herzensbindung der Menschen an den Bayerischen Rundfunk gespürt. Und auch die Wertschätzung für unsere Angebote ist nach wie vor sehr hoch, das zeigen viele unabhängige Umfragen.

    Wissen Sie eigentlich, wie viele YouTube-Kanäle der BR bespielt?
    WILDERMUTH: Der Überblickskanal „Bayerischer Rundfunk“ ist zum Beispiel sehr wichtig für uns. Oder der Kanal der Magazinsendung „Quer“. Die hat es geschafft, zu einer Marke auf Social Media zu werden und damit jüngere Generationen zu erreichen.

    Laut Geschäftsbericht hatte der BR im Jahr 2023 20 YouTube-Kanäle. Plus zwei, die für das öffentlich-rechtliche Jugendnetzwerk funk betrieben wurden. Müssen es wirklich so viele Kanäle sein? Und: Erreichen Sie mit diesen tatsächlich jüngere Menschen?
    WILDERMUTH: Wir haben eine klare Strategie: Für die Programm-Perlen, die wir haben, sind die Mediathek beziehungsweise die Audiothek wichtige Ausspielwege – also unsere ARD-eigenen Plattformen. Aber wir haben ja auch einen gesetzlich vorgegebenen Auftrag. Und in dem steht, dass wir zur demokratischen Meinungsbildung beitragen sollen. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, müssen wir dort sein, wo diese Meinungsbildung stattfindet. Das heißt: Wir brauchen Präsenz auf Social Media und im Internet.

    Und die jüngere Generation?
    WILDERMUTH: Ich bin, um nur zwei Beispiele zu nennen, froh, dass BR24 oder die „tagesschau“ auf TikTok sind. Oder unsere „News-WG“ auf Instagram. Wir sind dort also mit verlässlichen Nachrichtenmarken und Qualitätsinhalten vertreten – gerade weil junge Leute ihre politische Bildung auch aus Social Media beziehen. Und das in einem Umfeld, in dem per Algorithmus vor allem Zuspitzung und Emotionalisierung befördert werden.

    Ihr umfangreiches, vom Rundfunkbeitrag finanziertes digitales Angebot ist allerdings ein Problem für Medien, die sich privat finanzieren müssen. Reiner Haseloff, der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, kritisierte das kürzlich so: „Es geht darum, dass sich Regionalzeitungen auf Dauer nicht halten können, wenn verpflichtend finanzierte Öffentlich-Rechtliche alles ins Netz stellen.“
    WILDERMUTH: Als Bürgerin bin ich an einer möglichst vielfältigen Presselandschaft interessiert. Ich bin überzeugt davon, dass sie die Basis für unsere Demokratie darstellt.

    Und als BR-Intendantin?
    WILDERMUTH: Als BR-Intendantin setze ich mich dafür ein, dass Regionalzeitungen und Bayerischer Rundfunk koexistieren können. Es geht dem BR doch nicht besser, wenn es Regionalzeitungsverlagen schlecht geht. Im Gegenteil: Es gibt viele Möglichkeiten zur Kooperation, von gemeinsamen Recherchen bis hin zum Teilen von Videos.

    Es finden sich dennoch lange, durchaus presseähnliche Texte auf Ihren Internetseiten.
    WILDERMUTH: Jeder muss den Schwerpunkt des jeweils anderen respektieren. Aber dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Text verzichten sollte, kann ich nicht nachvollziehen – und zwar im Sinne unseres demokratischen Auftrags und mit Blick auf die Smartphone-Zeiten, in denen wir leben. Nochmals: Der BR will kooperieren. Mehr noch: Öffentlich-Rechtliche und private Medien müssen kooperieren, damit die Medienvielfalt in Deutschland erhalten bleibt.

    Von wem wird sie denn bedroht?
    WILDERMUTH: Plattformen aus den USA und China ziehen an den traditionellen Qualitätsmedien vorbei und nehmen ihnen Aufmerksamkeit und auch Werbegelder weg. Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft, dass jeder einzelne Nutzer und jede einzelne Nutzerin versteht: Nach redaktionellen Qualitätsmaßstäben erstellte Information ist etwas anderes, als wenn irgendjemand irgendetwas postet.

    Am Problem öffentlich-rechtlicher Textlastigkeit ändert das nichts.
    WILDERMUTH: Ich weise das wirklich entschieden zurück. Wir prüfen jeden Tag das Angebot auf BR24: Über 90 Prozent unserer Artikel dort sind audio- und videobasiert und haben einen Sendungsbezug. Eine überwiegende Textlastigkeit kann ich überhaupt nicht erkennen.

    Sie sprachen eben von Perlen in Ihrem Programm. Ist das BR-Bergsteiger-Magazin „Bergauf-Bergab“ so eine Perle?
    WILDERMUTH: Die Tatsache, dass der Bayerische Rundfunk als einzige ARD-Anstalt eine Bergsteiger-Fachredaktion hat, ist definitiv ein Alleinstellungsmerkmal. Wie auch das Format „Bergfreundinnen“, das in der Coronazeit entwickelt wurde, in der viele Leute gewandert sind. Aus dem ursprünglichen Podcast ist dann eine Doku und eine Dokuserie geworden – über drei Frauen, die gerne in die Berge gehen und über verschiedenste Aspekte des alpinen Lebens berichten.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mag erklärtermaßen ebenfalls „Bergauf-Bergab“. Auf das eine oder andere Quiz könne er dagegen verzichten, sagte er zu Jahresbeginn. Mischt er sich durch derartige Aussagen für Ihren Geschmack zu sehr in die Programmautonomie ein?
    WILDERMUTH: Persönliche Sympathiebekundungen für einzelne Sendungen empfinde ich nicht als Einmischen ins Programm.

    Söder stellte damals auch einen umfassenden Forderungskatalog zu einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor. Ihm schwebt ein Verhältnis von 60 Prozent Information und 40 Prozent Unterhaltung vor.
    WILDERMUTH: Damit rennt er offene Türen bei uns ein. Der Bayerische Rundfunk hat einen Informationsanteil von 61 Prozent! Ich glaube, es ging vor allem um die Frage der Unverwechselbarkeit. Unser wichtigstes Ziel ist es, dass die Menschen sagen: „Es ist gut, dass es den BR gibt, und dafür bezahle ich gerne meinen Rundfunkbeitrag.“ Und das sagen die Menschen nur, wenn wir uns auf Angebote fokussieren, die weder Instagram noch Netflix bieten. Wir fragen uns immer: „Was macht uns unverwechselbar?“ Das ist Teil unserer Strategie: Wir wollen einzigartiger werden.

    Um im Bild zu bleiben, rennt Söder bei Ihnen vor eine geschlossene Tür, wenn es um den Rundfunkbeitrag geht.
    WILDERMUTH: Am Ende ist entscheidend, was im Laufe dieses Jahres passiert.

    Söder ist ja nicht der einzige aus dem Kreis der Länderchefs und -chefinnen, der eine Erhöhung kategorisch ablehnt. Bereits ab 2025 soll der Beitrag um 58 Cent auf 18,94 Euro pro Monat und Haushalt steigen. Kommt es dazu?
    WILDERMUTH: Die Länder haben ein klar geregeltes Verfahren aufgesetzt: 16 hochrangige, unabhängige Experten prüfen nach der Bedarfsanmeldung ein Jahr lang unsere Bücher und sprechen dann eine Empfehlung über die Beitragshöhe aus, die zur Bestätigung in die Länderparlamente kommt. Ich gehe davon aus, dass sich die Länder an das von ihnen selbst eingesetzte Verfahren halten – gerade in diesen Zeiten, in denen es immer lautere Stimmen gibt, die demokratische Regularien infrage stellen.

    Der Spardruck bei den Öffentlich-Rechtlichen ist jetzt schon groß. Schlägt er sich bald verstärkt im BR-Programm nieder?
    WILDERMUTH: Wir sitzen als Geschäftsleitung derzeit am Wirtschaftsplan 2025. Im Herbst soll er veröffentlicht werden.

    Und?
    WILDERMUTH: Dazu kann ich zwei Dinge sagen. Das eine ist: Wir wollen so programmschonend wie möglich vorgehen.

    Heißt?
    WILDERMUTH: Wir schauen uns alle Kostenblöcke an. Auch die Verwaltung, wobei die nur fünf Prozent unserer Gesamtausgaben ausmacht. Wir haben hier definitiv keinen Wasserkopf. Wir schauen uns zudem den Produktionsbereich an und sämtliche Fixkosten. Das Programm ist das Allerletzte, an dem gespart werden soll. Im Gegenteil: Wir befinden uns in einem Transformationsprozess, vom Analogen hin zum Digitalen. In diesem Prozess müssen wir auch investieren. Sparen alleine ist keine Strategie.

    Was ist der zweite Punkt?
    WILDERMUTH: Wir werden nicht mit dem Rasenmäher sparen, auch nicht beim Personal. Es wird keinen generellen Stellenstopp geben. Was ja immer wieder anklingt: Wenn man nur energisch genug mit dem Finger schnippst, könnten wir zig Millionen einsparen! Das aber ginge nur, wenn wir massiv Inhalte streichen und Tarifverträge brechen würden. Wir haben aber keine Hire-and-Fire-Mentalität.

    Wo sehen Sie den BR in 75 Jahren?
    WILDERMUTH: Wenn ich darauf blicke, worauf wir jetzt setzen, dann ist mir nicht bange: weniger vom Gleichen, Außergewöhnliches machen, mehr Einordnung, mehr Hintergrund, mehr eigene Themen, noch mehr gute, klassische Reporterarbeit – und viele Perspektiven zu einem Thema zulassen.

    Künstliche Intelligenz ...
    WILDERMUTH: ... wird uns sicher an einigen Stellen unterstützen. Aber eines ist für mich ganz klar: Es wird, denken Sie ans Radio, vielleicht automatisierte Verkehrsnachrichten geben – doch kein Moderator wird durch KI ersetzt. Im Gegenteil: Es muss uns darum gehen, Charakterköpfe wieder sehr viel stärker in den Vordergrund zu stellen. Auch das macht uns besonders.

    Katja Wildermuth ist seit dreieinhalb Jahren BR-Chefin.
    Katja Wildermuth ist seit dreieinhalb Jahren BR-Chefin. Foto: Bernhard Weizenegger

    Zur Person

    Katja Wildermuth, Jahrgang 1965, ist seit Februar 2021 Intendantin des Bayerischen Rundfunks. Sie wurde vom Rundfunkrat auf fünf Jahre gewählt. Zuvor war sie Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks in Halle. Wildermuth wuchs in der Nähe von München auf.

    75 Jahre BR: Feierlichkeiten in Schwaben

    Der Bayerische Rundfunk begeht sein Jubiläum in allen Regierungsbezirken – in Schwaben vom 9. bis 15. September – mit Vor-Ort-Veranstaltungen und in den BR-Programmen. Die „Kluftinger“-Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr werden die Woche begleiten, die am 9. September mit der Diskussionsrunde „Der ganz große Auftritt. Wieso Pop und Mode so eng verbandelt sind“ im Augsburger Textil- und Industriemuseum beginnt. Mit zwei Musikfestivals am 13. und 14. September in Bad Wörishofen wird sie ausklingen.

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    2 Kommentare
    Klara Rasper

    Es waere mal an der Zeit, die Grundversorgung zu definieren, welche der oeffentliche Funk erbringen soll. Das heutige Angebot ist masslos ueberzogen. Ich will auch endlich meine Informationsfreiheit, wie z.B. Zeitung statt Fersehen.

    Nikolaus Kogelmann

    Der Öffentliche Rundfunk gehört schon längst neu strukturiert. Warum gibt es zwei Anstalten, ARD und ZDF, die unabhängig voneinander oft das selbe bringen? Dazu kommt, dass es viel zu viele Sparten gibt: Es kann doch nicht angehen, dass es für Bayern alleine 5 oder 6 Rundfunksender der ARD gibt, wovon dann wiederum bei BR1 noch in einzelne Regionen, nur damit alle Stunde zwei Minuten was lokales kommt, dass dann sowiseo wiederholt wird. Dazu kommt noch, dass ich zur besten Zeit auch noch Werbung anhören darf. Ja ganz toll, jetzt reicht der Rundfunkbeitrag nicht, sondern darf auch noch Werbung sein. Und natürlich dürfen alle anderen EU-Länder das Ganze kostenlos nutzen von uns, da es good old germany keine Grundverschlüsselung gibt.

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