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Verkehr: Wenn auf Straßen nichts mehr geht: Schwabens Stauhelfer im Einsatz

Verkehr

Wenn auf Straßen nichts mehr geht: Schwabens Stauhelfer im Einsatz

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    Zwei Motorräder des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) fahren bei Augsburg  durch die Rettungsgasse eines Staus.
    Zwei Motorräder des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) fahren bei Augsburg durch die Rettungsgasse eines Staus. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Ein Freitag im Juli, 15:53 Uhr, Unfall auf der B2 bei Mertingen, einer schwäbischen Gemeinde zwischen Donau und Lech. An einem Kleinbus ist ein Reifen geplatzt. Der Fahrer ist mit dem Wagen und einem Anhänger voller Beton ins Gebüsch geschleudert. Eine Spur ist komplett dicht. Günter Heidler steht auf dem Standstreifen und begutachtet die zwei Kilometer lange Blechkolonne. Die Autos fädeln sich im Reißverschlussprinzip an der Unfallstelle vorbei. "Fast zu schnell für zähfließend", findet der 55-Jährige. Der Anhänger ist geborgen, die Situation unter Kontrolle. Er schwingt sich wieder auf seine Maschine.

    Wenn auf den Straßen nichts mehr geht, stürzt sich Heidler freiwillig ins Gewühl. Der 55-Jährige fährt seit 18 Jahren als mobiler Sanitäter und Stauhelfer mit dem Motorrad Streife für das Bayerische Rote Kreuz. "Das ist ein guter Ausgleich für mich", erzählt er. Unter der Woche arbeitet er als Verwaltungsdirektor in einem Krankenhaus. Am Wochenende patrouilliert er mit seiner schweren, orangenen Maschine auf den Autobahnen und Schnellstraßen rund um Augsburg. Über Funk und Piepser wird er alarmiert, um zu helfen.

    Die Helfer des BRK sind meist schneller als der Rettungsdienst

    Mit den wendigen Maschinen sind er und seine Kameraden im Ernstfall schnell unterwegs. "Zu 70 Prozent sind wir noch vor dem Rettungsdienst an der Unfallstelle", sagt der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Augsburg-Land, Thomas Haugg. Sie versorgen Notfälle als Ersthelfer, betreuen Unfallbeteiligte, unterstützen Polizei und Rettungsdienste. "Wir sind Mädchen für alles", sagt Haugg.

    So verhalten Sie sich richtig im Stau

    In den Rückspiegel schauen: Landen Reisende trotz aller Planung im Stau, sollten sie sich vorsichtig dem Stauende nähern, sanft abbremsen und das Fahrzeug ausrollen lassen. "Die größte Gefahr im Stau droht von hinten", sagt Jürgen Wolz vom TÜV Süd.

    Wolz rät weiter: "Das eigene Fahrzeug ganz leicht Richtung seitlicher Begrenzung orientieren, dazu ein bis zwei Fahrzeuglängen Abstand zum Vordermann einhalten. Nur so hat man die Chance, zu reagieren, wenn der Fahrer hinter einem das Stauende übersehen hat".

    Mitreisende warnen: "Einerseits ist der Einsatz von Warnblinkern sinnvoll, wenn man sich dem Stauende an einer unübersichtlichen Stelle nähert", so Wolz. Andererseits könne zu frühzeitiges Einschalten den folgenden Verkehr unnötig stark abbremsen.

    Gasse freilassen: "Steht man erst einmal im Stau, unbedingt den Motor abschalten, selbst bei kurzen Wartezeiten. Rollt der Verkehr wieder an, sollte der Abstand zum Vordermann bei ein bis zwei Fahrzeuglängen liegen", sagt der TÜV-Experte ...

    ... wenn irgendwie möglich, sollten die Fahrer eine Rettungsgasse bilden. Das würde im Notfall Menschenleben retten. Bei drei Fahrspuren müsse die Rettungsgasse zwischen dem linken äußeren und dem zweiten Fahrstreifen von links gebildet werden. Die Unfallstelle solle man dann rasch passieren. Denn Gaffen würde wieder nur Stau verursachen.

    Spur halten: Ständige Spurwechsel beschleunigen das Durchfahren von Staus kaum. Dafür sei es laut TÜV-Angaben kein Problem, auf der rechten Spur im Verkehr mitzuschwimmen und dabei gegebenenfalls Fahrzeuge rechts zu überholen, ...

    ... die Standspur hingegen dürften Autofahrer nicht benutzen - außer explizite Hinweisschilder berechtigen sie dazu.

    Umfahrungen: Meist sind schmale Nebenstraßen schnell ebenso verstopft wie die Hauptstraßen, ...

    ... denn viele Verkehrsteilnehmer nutzen das gleiche Kartenmaterial auf ihren Navigationssystemen und teilen so nicht nur ihre Hauptrouten, sondern auch die Ausweichstrecken.

    Besonders in der Urlaubszeit stellen sich die Helfer nun wieder auf kilometerlange Fahrzeugschlangen ein. Bundesweit schicken Organisationen wie der ADAC und die Johanniter im Sommer Stauhelfer auf die Straßen. Im vergangenen Jahr gab es laut

    Die A8 zählt seit Jahren zu den schlimmsten Stauautobahnen

    Vor allem die A8, Heidlers Revier, ist bekannt für Blechkolonnen. Im Sommer ist die Autobahn Transitroute in den Süden. Derzeit wird sie auf sechs Spuren ausgebaut. "Die A8 zählt seit Jahren zu den schlimmsten Stauautobahnen überhaupt", sagt ADAC-Sprecher Johannes Boos.

    Wenn nichts mehr geht, beraten die BRK-Biker gefrustete Reisende, informieren auf Rastplätzen, sichern das Stauende. Sie haben schon einiges erlebt. Haugg erinnert sich gut an ein holländische Ehepaar, dass im Stau auf dem Seitenstreifen grillte. "Wenn es heiß ist, drehen die Leute manchmal durch", sagt er.

    Denn Stau bedeutet meist auch Stress. "Kommt drauf an, wie viele Kinder hinten drin sitzen", sagt Heidler aus Erfahrung. Früher hatten die Motorradstreifen Spielsachen, Windeln und Teddybären an Bord ihrer Maschinen, für die kleinen Stau-Opfer. Heute ist dafür kein Platz mehr zwischen dem Notfall-Equipment: Beatmungsgeräte, Medikamente und Infusionen haben Vorrang.

    Im Notfall haben die Motorradhelfer Sonderrechte

    Heidler steht mit seinen Kollegen auf einem Rastplatz an der A8. Dann hält er inne. Das Funkgerät gibt knarrende Töne von sich - die Leitstelle meldet einen Unfall an der Ausfahrt Augsburg-West. Heidler und sein Kollege steigen auf, mit Sirene, Blaulicht und hohem Tempo schlängeln sie sich über die volle Autobahn. Im Notfall haben die Motorradhelfer Sonderrechte, dürfen die zugelassene Geschwindigkeit übertreten und im Stau in Gegenrichtung fahren. Sie müssen ihre Maschinen beherrschen und umsichtig fahren. "Rettungsrambos brauchen wir nicht", sagt Thomas Haugg.

    Fünf Minuten später steigt Heidler an der Unfallstelle ab. Zwei Wagen sind an einer Kreuzung ineinander gekracht. Auf der Wiese neben der Straße sitzt eine Familie, die Mutter weint, ein Mädchen trägt eine Halskrause. Mit ruhiger Stimme bietet Heidler Hilfe an und beantwortet Fragen. An der Autobahn-Ausfahrt bildet sich wieder eine Schlange aus Blech. "Wichtig ist, die Übersicht zu bewahren", sagt Heidler. Nach zehn Minuten übernimmt die Polizei. Heidler steigt auf seine Maschine. Auch privat fährt er gern Motorrad. Dann meidet er aber die Autobahnen: "Dann fahre ich dahin, wo kein Stau ist."

    Nico Pointner, dpa

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